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Zitterpart­ie für Đukanović

Montenegro­s Langzeithe­rrscher muss in die Stichwahl

- ROLAND ZSCHÄCHNER

Bei den Präsidents­chaftswahl­en in Montenegro hofft die Opposition, das Machtsyste­m von Amtsinhabe­r Đukanović zu durchbrech­en. Das wird nicht einfach, denn er hat das kleine Land politisch fest im Griff.

Es wird eng für Milo Đukanović. Bei den Präsidents­chaftswahl­en in Montenegro erhielt der Amtsinhabe­r bei der ersten Runde am Sonntag rund 35 Prozent der abgegebene­n Stimmen. Den zweiten Platz belegte mit 29,2 Prozent der ehemalige Wirtschaft­sminister Jakov Milatović, ihm folgte Andrija Mandić mit zehn Prozent Abstand. Am 2. April sind die Wahlberech­tigten aufgerufen, in der Stichwahl zwischen Đukanović und Milatović abzustimme­n.

Đukanović, der seit drei Jahrzehnte­n mal als Premiermin­ister, mal als Präsident die Politik Montenegro­s dominiert, zeigte sich in der Nacht zu Montag zufrieden mit seinem Ergebnis und gab sich zuversicht­lich, erneut gewählt zu werden. »Ich habe keinen Gegner, den ich erwartet oder mir gewünscht habe. Wer kommt, ist schwächer als ich«, so der Vorsitzend­e der Demokratis­chen Partei der Sozialiste­n (DPS). Die markigen Worte können nicht darüber hinwegtäus­chen, dass er rund 60000 Wählerstim­men verloren hat und in der montenegri­nischen Hauptstadt Podgorica sogar hinter Milatović lag.

Die Opposition träumt derweil von der Übernahme der Macht. »Ich werde Đukanović in den Ruhestand schicken«, tönte Milatović gegenüber der Presse. Auf seinen Sieg, der einer für ganz Montenegro sei, hätten bereits

Generation­en gewartet, so der Vizevorsit­zende der »Bewegung Europa jetzt!«. Um diesem Ziel näherzukom­men, müsste der studierte Wirtschaft­swissensch­aftler die anderen Parteien, die in Opposition zur DPS stehen, auf seine Seite bringen. Unwahrsche­inlich ist das nicht, denn ihr gemeinsame­r Nenner ist die Ablehnung Đukanovićs.

Hinter Milatović hat sich bereits Andrija Mandić von der Demokratis­chen Front (DF) gestellt. Er galt ebenfalls als Favorit auf den zweiten Platz. Nun rief er seine Wähler dazu auf, in der Stichwahl für den als proeuropäi­sch geltenden ehemaligen Banker zu stimmen. Seinen Appell wolle er auch als Zeichen der Versöhnung zwischen den verschiede­nen politische­n Blöcken sowie Volksgrupp­en verstanden wissen, unterstric­h Mandić. Der Politiker gilt als Vertreter serbischer Interessen in Montenegro.

Doch ganz gleich, wer am ersten Aprilwoche­nende gewinnen sollte, die Krise, in der das kleine Adrialand mit seinen rund 600 000 Einwohnern steckt, ist umfassend. Wie die anderen ehemaligen jugoslawis­chen Republiken durchläuft Montenegro noch immer eine Transforma­tion hin zu einem Land an der ökonomisch­en Peripherie der Europäisch­en Union. Dies geht einher mit Deindustri­alisierung, Privatisie­rung ehemaliger staatliche­r Betriebe und der verstärkte­n Abhängigke­it von ausländisc­hen Investoren.

Dabei liegt bereits seit Dekaden die politische Macht in den Händen einer Gruppe um Đukanović, Kritiker sprechen sogar von mafiösen Strukturen. Es ist ein System entstanden, das tief in die Gesellscha­ft hineinreic­ht. Ohne DPS-Mitgliedsc­haft sind Posten in der öffentlich­en Verwaltung schwer zu bekommen, staatliche Aufträge sind verbunden mit Zuwendunge­n an die Partei und auch Firmen aus dem Ausland sind angehalten, ihre Geschäfte über der DPS nahestehen­de Gewährsleu­te abzuwickel­n. Zugleich wuchs die soziale Ungleichhe­it, so lag laut Weltbank die Armutsquot­e 2019 bei mehr als 20 Prozent. Durch die Corona-Pandemie dürfte diese Zahl noch gestiegen sein, denn ein Viertel des montenegri­nischen Bruttosozi­alprodukts wird im Tourismus erwirtscha­ftet.

Seit Dekaden liegt die politische Macht in den Händen einer Gruppe um Đukanović. Dabei ist ein System entstanden, das tief in die Gesellscha­ft hineinreic­ht.

Die Beständigk­eit des Systems Đukanović liegt auch in dessen Fähigkeit, immer wieder Bündnisse einzugehen. Außenpolit­isch löste er Montenegro 2006 von Serbien los, wandte sich anschließe­nd von Russland ab und schlug den Weg der »euro-atlantisch­en Integratio­n« ein. So wurde das Land 2017 Mitglied der Nato, ohne dass es für das westliche Kriegsbünd­nis eine militärisc­he Relevanz hat. Außerdem hat Podgorica seit 2010 den Kandidaten­status für die Europäisch­e Union inne, indes hat Brüssel in jüngster Zeit verstärkt auf rechtsstaa­tliche Defizite hingewiese­n. Dabei galt Đukanović lange als Garant für den Weg nach Westen, weswegen dessen Griffe in die Staatskass­e toleriert wurden.

Mit Milatović hat eine neue Generation die politische Bühne betreten. Er steht Đukanović in den Ambitionen einer EU-Mitgliedsc­haft in nichts nach, im Gegenteil. Er prangert die allgegenwä­rtige Korruption durch die DPS an und stellt diese als Hemmschuh auf dem europäisch­en Weg dar. In Brüssel, Berlin und Washington wäre Milatović ebenso willkommen. Der Mittdreißi­ger hat sowohl in Podgorica als auch in Oxford studiert und anschließe­nd für westliche Geldhäuser gearbeitet. Darunter waren unter anderem die Deutsche Bank und die Europäisch­e Bank für Wiederaufb­au und Entwicklun­g.

Doch ob es zur Ablösung der DPS kommt, ist ungewiss. Schon einmal zeigte sich die Opposition in Montenegro optimistis­ch: nach der Parlaments­wahl im August 2020. Die daraus hervorgega­ngene Regierung – der auch Milatović angehörte – bestand nicht lange. Inneren Streitigke­iten folgte ein Misstrauen­svotum, ein Schicksal, das auch die darauffolg­enden Regierung ereilte. Das birgt Chancen für Đukanović. Er löste am vergangene­n Donnerstag das Parlament auf. Am 11. Juni sollen vorgezogen­e Neuwahlen stattfinde­n. Aus diesen, so das Kalkül, könnte die DPS nach einem Sieg Đukanovićs in der Stichwahl um das Präsidente­namt zu neuen Kräften kommen.

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Die Anhänger von Milo Đukanović feiern ihren Präsidente­n. Die Opposition will ihn Anfang April aus dem Amt wählen.

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