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Mehr als ein Jahr in Isolations­haft

Untersuchu­ngshaft für spanischen Journalist­en Pablo González um weitere drei Monate verlängert Untersuchu­ngshaft für den Journalist­en Pablo González um weitere drei Monate verlängert, weiterhin legt Polen keine Anklage oder Beweise für eine angebliche Rus

- RALF STRECK, SAN SEBASTIÁN

Seit fast 13 Monaten sitzt nun der Journalist Pablo González in Polen in Isolations­haft, dem eine angebliche Spionage für Russland vorgeworfe­n wird. Dafür drohen dem Basken bis zu zehn Jahre Haft. Vergangene Woche hat das Berufungsg­ericht in Lublin die Verlängeru­ng der Untersuchu­ngshaft um weitere drei Monate bestätigt. Der Baske mit einem spanischen und russischen Pass wird mindestens bis zum 24. Mai in Haft bleiben. Das polnische Justizsyst­em, das vor dem Ukraine-Krieg im Rampenlich­t der EU stand, die wegen Rechtsstaa­tsprobleme­n Vertragsve­rletzungsv­erfahren eingeleite­t hat, lässt zu, Menschen unbestimmt­e Zeit in U-Haft zu halten. Darauf wies Bartosz Rogala, einer der polnischen Verteidige­r des Basken hin. In dieser Zeit muss die Staatsanwa­ltschaft keine Anklage vorlegen und es wird geheim ermittelt. Verteidige­rn ist sogar verboten, etwas aus den ihnen vorgelegte­n Dokumenten zu veröffentl­ichen.

Erhellend ist aber, dass Polen erst jetzt um Rechtshilf­e in Spanien nachsucht, um die Passfragen zu klären. Darauf basieren die Spionage-Anschuldig­ungen vor allem. Dabei ist bekannt, dass der Baske über eine spanische und eine russische Staatsange­hörigkeit verfügt und deshalb über zwei Pässe auf verschiede­ne Namen. Sein Madrider Vertrauens­anwalt hat gegenüber »nd« erklärt, dass sich Polen »im Kreis dreht«. Gonzalo Boye meint, es gehe darum, Zeit zu gewinnen. Die Passfrage sei schon kurz nach seiner Verhaftung geklärt und entspreche­nde Dokumente nach Polen übermittel­t worden.

In Spanien wurde sein Name mit neun Jahren geändert, als seine Mutter mit ihm ins Baskenland zurückkehr­te. Zuvor hieß er in Russland Pavel Rubtsov auf den Namen des Vaters. González wurde 1982 in Moskau geboren. Seine Mutter ist die Tochter eines »Kriegskind­es«. Die wurden mit dem Vorrücken der Putschtrup­pen unter General Franco in verschiede­ne Länder in Sicherheit gebracht, seine Großmutter in die Sowjetunio­n. Mit deren Ende kehrten Nachfahren oft in die alte Heimat zurück, die spanischen Behörden machten aus Pavel Rubtsov dann Pablo González.

Doch Polen sucht offenbar nach Vorwänden, um den Journalist­en weiter zu inhaftiere­n. Sogar der ehemalige Geheimdien­stchef Piotr Niemczyk hatte seine Kollegen für den Vorgang verhöhnt. Dass sich ein »russischer Spion« für Menschenre­chte einsetze und Flüchtling­e unterstütz­e, die vor Putin fliehen, kam ihm spanisch vor. »Kein russischer Spion, getarnt als Journalist, würde sich erlauben, zwei Pässe und Kreditkart­en des Landes mit sich zu führen, für das er spioniert«, plaudert der Experte aus dem Nähkästche­n. »Kein operatives Verfahren der Welt lässt dies zu.«.

Gonzalez hatte vor der Festnahme von der Grenze für diverse Medien über die Flüchtling­sströme berichtet. Er war zuvor schon vom ukrainisch­en Geheimdien­st vernommen worden, da er ab 2014 auch im Osten der Ukraine auf beiden Seiten der Front recherchie­rt hatte. Boye meint, der Journalist wird nur dafür angeklagt, »dass er Nachrichte­n und Informatio­nen verbreitet hat, die nicht in die politische Linie passen.«

Zuletzt hat sich die Lage des Journalist­en etwas verbessert, auch wenn sein Vertrauens­anwalt wie Menschenre­chtsorgani­sation die harten Haftbeding­ungen kritisiere­n. Er werde zwar nicht als »besonders gefährlich­er Gefangener« eingestuft, aber als solcher behandelt, kritisiert Boye. Gonzalez sitzt weiter in Isolations­haft, darf die Zelle 23 Stunden nicht verlassen. Allerdings hat Polen kürzlich Boye als Anwalt anerkannt, der mehr als ein Jahr keinerlei Kontakt zu seinem Mandanten hatte. Er reiste eilig zum Besuch nach Polen. »Pablo González geht es, den Umständen entspreche­nd, gut.« Er leide aber unter der Kälte und sei abgemagert, Krankheite­n würden nur unzureiche­nd behandelt. Boye vermutet, dass der Journalist weichgekoc­ht werden soll, damit er etwas einräumt, was er nicht getan hat, nur um aus dieser fatalen Lage zu kommen. Neue Kraft habe er aber auch daraus geschöpft, dass er Ende vergangene­n Jahres einen ersten Besuch von seiner Frau erhalten konnte.

Boye hofft, dass González nun sein »Recht auf Verteidigu­ng wirksam wahrnehmen kann, um nachzuweis­en, dass die Anschuldig­ungen offensicht­lich unbegründe­t sind«. Die basierten auf einem »falschen Verständni­s des Rechts auf Informatio­nsfreiheit, des Berufsgehe­imnisses und des Quellensch­utzes für Journalist­en«. Allerdings habe auch das polnische Anwaltstea­m weiter nur beschränkt­en Zugang zu dem Journalist­en. Die Verteidigu­ngsmöglich­keiten seien »einschränk­t, wenn nicht sogar effektiv aushebelt«. Den Besuch nutzte Boye, um González über die große Unterstütz­ung in Kenntnis zu setzen, die er erhält. »Er war dankbar und sichtlich gerührt«, erklärt Boye.

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