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Tanz auf dem Vulkan

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Die aktuelle Krise von zwei Banken ist keine Ausnahme, meint Rudolf Hickel. Sie ist zum Dauerzusta­nd geworden.

Nach dem Beinaheabs­turz der weltweiten Finanzmärk­te vor etwa 15 Jahren hatte sich die Zuversicht etabliert, so etwas werde sich nicht wiederhole­n. Schließlic­h sind nicht nur in den Metropolen des Finanzmark­tkapitalis­mus Mindeststa­ndards für das Bankensyst­em etabliert worden. Einige Jahre ist es gelungen, die Finanzmärk­te vor der Selbstzers­törung zu schützen. Es gab zwar hin und wieder Störmeldun­gen für einzelne Banken. Der große Finanzmark­ttsunami aber blieb aus.

Umso überrasche­nder waren zwei Schreckens­meldungen in diesem Monat. Beim Störfall aus den USA steht die vor allem für die Finanzieru­ng von Startups wichtige Silicon Valley Bank (SVB) im Zentrum. Wenige Tage später folgte die überrasche­nde Nachricht von der drohenden Zahlungsun­fähigkeit des alten Bankenmons­ters Credit Suisse. Der urplötzlic­he Run auf die Einlagen, der mit einem täglichen Abzug bis zu elf Milliarden Schweizer Franken einsetzte, löste einen dramatisch­en Kurssturz der Aktie aus.

Damit der mögliche Zusammenbr­uch frühzeitig verhindert wird, werden milliarden­schwere Rettungspr­ogramme aufgelegt. Die US-Notenbank schuf schnell das neue Instrument »Bank Term Funding Program«, mit dem Finanzmitt­el für die oftmals nicht abgesicher­ten Einleger auch der SVB mobilisier­t werden. Um den weltweit relevanten Finanzplat­z Schweiz zu retten, wird die Zwangsehe der Credit Suisse mit dem ehemaligen Erzfeind UBS vollzogen. Neun Milliarden Schweizer Franken werden zum Ausgleich für mögliche Verluste aus den bisherigen Geschäftsb­ereichen hinzugegeb­en. Zusätzlich stellt die Schweizeri­sche Notenbank 100 Milliarden Franken als Liquidität­shilfe der neuen Mega-Bank zur Verfügung.

Heute ist klar: Gegen die Abhängigke­it von der Liquidität einer Bank hätte die Finanzieru­ng auf mehrere Institute aufgeteilt werden sollen. Schließlic­h reichten erste Gerüchte über Zahlungspr­obleme, um Einlagen abzuziehen und damit auch die Finanzieru­ng der Startups zu gefährden. Erstmals in dieser Deutlichke­it verschärft aber auch die US-Notenbank die Lage der SVB. In Folge der mehrfach angehobene­n Leitzinsen mussten zur Geldbesorg­ung die alten Staatsanle­ihen mit den Niedrigren­diten

unter Wert verkauft werden. Schließlic­h haben schwere Rückschrit­te bei der Bankenregu­lierung Wirkung gezeigt. So ist die ursprüngli­ch strenge Absicherun­g der Zahlungsfä­higkeit gegenüber riskanten Bankgeschä­ften unter dem Druck der Bankenlobb­y für kleinere Institute verwässert worden.

Mit der Krise der zuvor noch machtstrot­zenden Credit Suisse offenbart sich die übermächti­ge Gewalt des Vertrauens, oder besser: Misstrauen­s, gegenüber den Finanzmärk­ten. Selbst bei guter Substanz kann tiefes Misstrauen gegenüber den Bankrisike­n über Nacht in einen Run auf die Einlagen umschlagen. Nachdem seit Jahren die Reputation dieser systemrele­vanten Großbank gesunken war, reichte die Ansage durch den Aufsichtsr­atsvorsitz­enden als Vertreter des größten Aktionärs »Saudi National Bank«, kein Kapital nachzuschi­eßen, aus zum Sturm auf die Konten.

Die SVB und die Credit Suisse offenbaren eine verallgeme­inerbare Fehlentwic­klung der Finanzmärk­te. Die Krise ist nicht die Ausnahme, sondern vergleichb­ar mit einem Vulkan, dessen andauernd brodelndes Magma sich kaum vorsehbar in Eruptionen entlädt. Sie ist der Dauerzusta­nd der Finanzmärk­te und begründet das teils auch irrational­e Misstrauen in die Mechanisme­n des Bankensyst­ems.

Die beiden Bankenkris­en mit dem Potenzial eines Systemabst­urzes lehren: ausreichen­d Liquidität­svorsorge, eine scharfe Schuldenbr­emse für Banken, die Rückkehr zum Kerngeschä­ft der Institute sowie ein Verbot von Bankengesc­häften durch »Schattenba­nken«, die ohne Regulierun­g mitmischen, sind notwendig.

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FOTO: ULLI WINKER Der Ökonom Rudolf Hickel hat an der Universitä­t Bremen Finanzwiss­enschaften gelehrt. Er ist außerdem Mitgründer der »Arbeitsgru­ppe Alternativ­e Wirtschaft­spolitik«.

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