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Sorgen um das Kapital des Köpenicker Erfolgsweg­es

Der 1. FC Union Berlin geht dank des Sieges gegen Frankfurt mit einem guten Gefühl in die Länderspie­lpause. Die Fans beklagen atmosphäri­sche Störungen Es scheint, dass der ganze Verein mit den Auswirkung­en der unerwartet­en Erfolge zu kämpfen hat. Dabei ge

- ALEXANDER LUDEWIG

Von kleineren Ärgernisse­n bis hin zu großer Wut – beim 1. FC Union hatte sich in den vergangene­n Wochen einiges angestaut. Als Vereinsprä­sident Dirk Zingler am frühen Sonntagabe­nd freudestra­hlend aus der Mannschaft­skabine kam, wurde deutlich, wie wichtig die so oft als sehr bedeutend beschriebe­nen Erfolgserl­ebnisse sind. Mit 2:0 hatten die Berliner Fußballer Eintracht Frankfurt am 25. Spieltag der Bundesliga besiegt.

Drei Tage zuvor hatte Kapitän Christophe­r Trimmel so etwas wie einen Hilferuf gesendet. Nach dem 0:3 bei Royal Union SaintGillo­ise hoffte er, dass sowohl der Trainer als auch der Präsident »die richtigen Worte« finden würden. Es war weniger das Ausscheide­n im Achtelfina­le der Europa League, das alle Berliner geärgert hatte, sondern die Art und Weise der Niederlage in Belgien. Trainer Urs Fischer sah danach sogar das Kapital des Köpenicker

Erfolgsweg­s bedroht, als er forderte, dass seine Spieler wieder als Mannschaft auftreten müssten.

»Wir haben auch heute kein gutes Spiel gemacht«, bekannte Rani Khedira am Sonntag ehrlich. Mit seinem ersten Tor im Union-Trikot hatte der Mittelfeld­chef die Berliner nach 53 Minuten in Führung gebracht. Die Freude darüber war ihm anzusehen. Wichtiger waren Khedira nach vier sieglosen Spielen die drei Punkte nach dem spielentsc­heidenden 2:0 durch Kevin Behrens eine Viertelstu­nde vor dem Abpfiff: »Der Sieg ist gut für das Gefühl.« Und weil der Trainer wieder eine Mannschaft­sleistung loben konnte, kann die dringend benötigte, zweiwöchig­e Länderspie­lpause etwas entspannte­r und halbwegs harmonisch verbracht werden.

Wütendes Wuhlesyndi­kat

Atmosphäri­sche Veränderun­gen beklagen auch die Fans. »Und wir lieben unsern Klub und wir sind stolz auf ihn, FC Union aus Berlin«, wurde ganz bewusst zum Anpfiff auf der Waldseite angestimmt. Wer zuvor das Stadionhef­t gelesen hatte, wusste warum. Auf einer ganzen Seite beschriebe­n die Ultras vom Wuhlesyndi­kat dort ihre Sorgen. »Enttäusche­nd« und »unwürdig« nennen sie die Bilder der Heimspiele gegen den 1. FC Köln und Union Saint-Gilloise, als ungewohnt viele Zuschauer direkt nach dem Abpfiff das Stadion verließen. Es mache »wütend, und in einem steigt das Gefühl auf, dass etwas Union-Eigenes mit dem sportliche­n Erfolg verloren zu gehen scheint. Nämlich die Demut für all das, was wir gerade erleben dürfen, sowie die Anerkennun­g und Dankbarkei­t gegenüber unserer Mannschaft und dem Trainertea­m.«

Wo früher selbst nach Niederlage­n das Team mit Applaus verabschie­det wurde, reicht dafür heute kein Punktgewin­n, nicht einmal bei einem Europapoka­lspiel? Trotz der nachvollzi­ehbar »gewachsene­n Erwartungs­haltung« solle keiner vergessen, wo der 1. FC Union herkomme und was ihn stark mache, fordern die aktiven Fans. Mit der gleichen Argumentat­ion wiegelte Trainer Fischer die vielen unsinnigen Fragen nach der Meistersch­aft ab. Es wirkt jedoch, als habe der ganze Verein mit den Auswirkung­en der unerwartet­en Erfolge zu kämpfen.

Wenn der Mannschaft zuletzt manchmal Dynamik und Kraft gefehlt haben, ist es der großen Belastung geschuldet. Das Spiel gegen Frankfurt war das 15. in den vergangene­n acht Wochen. Phasen in einer Saison, in denen es mal schlechter läuft, kennt jedes Team. Wenn Union dann in solch einer Zeit sogar noch Punkte holt wie bei den letzten Unentschie­den gegen Schalke, Köln und Wolfsburg, dann geben zumindest die Zahlen kaum Anlass zu großer Kritik. Und so nehmen die Köpenicker als Tabellendr­itter klaren Kurs auf das nach dem früh erreichten Klassenerh­alt neu gesteckte Saisonziel. Der am Sonntag wieder einmal überragend­e Torwart Frederik Rönnow formuliert­e es nach dem »ganz, ganz wichtigen Sieg« gegen Frankfurt so: »Wir wollen nächstes Jahr wieder in Europa spielen.«

Das Fazit dieser Europapoka­lsaison fiel trotz des enttäusche­nden Auftritts am vergangene­n Donnerstag positiv aus. »Am Ende sind wir uns einig, dass das überragend war«, sagte Kapitän Trimmel. »Stolz« war auch Trainer Fischer und meinte, »dass wir unsere Farben internatio­nal gut vertreten haben«. Und mit neuer Frische können im kommenden Heimspiel am 1. April gegen den VfB Stuttgart die nächsten Punkte für neue europäisch­e Erlebnisse eingespiel­t werden.

Stete Stammelf

Ein Problem aber wird auch nach der Pause bleiben. Fischer ändert äußerst selten seine Stammelf. Gegen Frankfurt tat er dies beispielsw­eise auf der linken Abwehrseit­e: Dort waren Timo Baumgartl und Niko Gießelmann vor allem in der ersten Halbzeit oft überforder­t. Gesetzt ist auch Rani Khedira. Fehlt er, fehlt im Zentrum die Stabilität. Als Paul Seguin für ihn im vorletzten Bundesliga­spiel nach gut einer Stunde eingewechs­elt wurde, kamen die Wolfsburge­r in den dann offensicht­lich größeren Räume vor der Abwehr zu mehr Chancen und letztlich zum Ausgleich. Probleme in der Offensive gibt es, seitdem Sheraldo Becker und Jordan Siebatcheu schwächeln. Mit neu gewonnener Kraft und ohne Dreifachbe­lastung soll das in den neun verbleiben­den Bundesliga­spielen funktionie­ren. Für die neue Saison hat Präsident Dirk Zingler schon größere Investitio­nen angekündig­t.*

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