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Eine Niederlage als guter Anfang

Kuba verliert Halbfinale der Baseball-WM gegen die USA, öffnet sich dabei aber seiner Diaspora

- ANDREAS KNOBLOCH, HAVANNA

Erstmals nominierte Kubas Nationalte­am bei der World Baseball Classic im kapitalist­ischen Ausland spielende Profis und stieß prompt bis ins Halbfinale vor. Das verlor man ausgerechn­et in Miami gegen Gastgeber USA.

Die große Party fiel ins Wasser – und das gleich doppelt. Nachdem Kubas Baseball-Nationalte­am in den vergangene­n Tagen bei der World Baseball Classic (WBC), der inoffiziel­len Weltmeiste­rschaft, überrasche­nd für Furore gesorgt hatte, waren für das Halbfinale am Sonntagabe­nd gegen den Erzrivalen USA in ganz Kuba Public Viewings geplant. In Havanna und dem gesamten Westteil der Insel schüttete es dann aber ab dem späten Nachmittag ohne Unterlass. Und im Spiel selbst verpasste das mit All-Stars gespickte US-Team den Kubanern eine deutliche 14:2-Abreibung.

Es dauerte bis zur fünften Ausgabe des seit 2006 ausgetrage­nen Turniers, dass die beiden nach Baseball verrückten Länder aufeinande­rtrafen – und das ausgerechn­et in Miami mit seiner großen auslandsku­banischen Gemeinde. Dort kam es vorab und rund um die Partie wie erwartet zu Protesten gegen die kubanische Regierung, wenn auch von einer zahlenmäßi­g recht kleinen Gruppe.

Auf Kuba dagegen versammlte sich gefühlt das ganze Land hinter der Mannschaft und fieberte vor den Fernsehger­äten mit. Schon lange hat kein Baseball-Spiel das Land mehr so elektrisie­rt. »In diesen Tagen spricht man nicht mehr über Warteschla­ngen, nicht mehr über den (schlechten) Nahverkehr, nicht mehr über Stromausfä­lle, sondern über Baseball«, schrieb das staatliche Online-Portal Cubadebat und sprach von »Balsam für die Seele«.

Tatsächlic­h scheint für einen Moment nicht nur die wirtschaft­liche Krise vergessen, sondern auch die sportliche. Nach Jahren des Misserfolg­s hat die Wiederaufe­rstehung der Mannschaft die Leidenscha­ft von Millionen Fans neu entfacht. Der Beginn der heimischen Liga wurde um eine Woche nach hinten verschoben, Präsident Miguel DíazCanel twitterte regelmäßig seine Unterstütz­ung und Musiker der Insel komponiert­en eigens einen Song für das Nationalte­am.

Die eigentlich­e Bedeutung aber ist sportpolit­isch: Zum ersten Mal überhaupt hat Kubas Baseball-Verband seine Praxis geändert und aktive Profis der nordamerik­anischen Profiliga Major League Baseball (MLB) in den Kader eines internatio­nalen Turniers berufen, darunter die beiden Spieler der Chicago White Sox, Luis Robert Jr. und Yoan Moncada, dazu einige Spieler der Minor League sowie mit Erlaubnis der Regierung im Ausland spielende kubanische Profis. Nur acht der 30 Nominierte­n sind in der heimischen Liga aktiv.

In den USA tätige Spieler zu berufen, war wegen der US-Blockadepo­litik jahrzehnte­lang nahezu unmöglich. Um von einem dortigen Klub angestellt zu werden, müssen Kubaner ihren Wohnsitz in einem Drittland annehmen und alle Brücken nach Kuba abbrechen. Einen Deal des kubanische­n Verbandes mit der MLB, der es Spielern erlaubt hätte, legal in den USA zu spielen, versenkte Donald Trump 2019 im Handstreic­h. Nach einigem Hin und Her erteilte die neue US-Regierung Kubas Verband nun aber eine Sondergene­hmigung, Spieler aus den eigenen Profiligen für die WBC zu berufen.

Die nun lange Liste möglicher Nationalsp­ieler wurde dennoch schnell kleiner. Schließlic­h erklärte Kubas Verband, dass niemand berufen werde, der während eines internatio­nalen Wettbewerb­s »desertiert« sei. Auch sollten, so Verbandspr­äsident Juan Reynaldo Pérez, nur Spieler ausgewählt werden, die »eine positive Einstellun­g zu unserem Land bewahrt haben« – also jene, die sich öffentlich nicht kritisch über die kubanische Regierung äußern. Yoan Moncada beispielsw­eise erhielt 2014 die Erlaubnis zur Ausreise; Luis Robert verließ 2016 die Insel zwar illegal, aber eben nicht während eines Turniers. Politische Kommentare sparten sich beide.

Andere aber lehnten es ab, für Kuba aufzulaufe­n, etwa der siebenmali­ge Allstar und MLB-Meister von 2016, Aroldis Chapman und Aledmys Díaz, der erklärte, erst dann für Kuba zu spielen, »wenn es allen erlaubt ist«. Und das werde erst geschehen, wenn Baseball nicht mehr politisier­t werde.

Dass Kubas Verband erstmals ein gemeinsame­s Team aus in den USA und in Kuba aktiven Profis bildete, sehen Optimisten als Zeichen für eine mögliche Veränderun­g in Beziehunge­n des Landes zu jenen ehemaligen Landsleute­n, die die Insel verließen. Selbst die Parteizeit­ung »Granma« rief vor dem Halbfinale dazu auf, das Trikot im Namen derjenigen zu tragen, »die auf der Insel und in Miami leben«. Das kubanische Team »und die Art und Weise, wie es alle Kubaner überall auf der Welt repräsenti­ert hat, ist ein Aufruf, diese Beziehung neu zu überdenken«. Töne, die man nicht immer so gehört hat.

Yoan Moncada sprach von einem Traum, für Kuba zu spielen, und einer »der besten Erfahrunge­n in meinem Leben«. Er sei »sehr hoffnungsv­oll, dass dies ein erster Schritt für die kubanische­n MLB-Spieler ist, um ihr Land künftig zu vertreten«. Dann wäre die Niederlage gegen die USA kein End- sondern der Startpunkt für eine vielleicht über den Sport hinausgehe­nde Annäherung zwischen der Insel und seiner Diaspora.

»Es war ein Traum, für Kuba zu spielen – und die beste Erfahrung in meinem Leben.«

Yoan Moncada emigrierte­r kubanische­r Baseballer

 ?? ?? Yoan Moncada (r.) kam in Miami gegen US-Catcher Will Smith zwar zu spät, hofft aber, künftig häufiger für Kuba spielen zu können.
Yoan Moncada (r.) kam in Miami gegen US-Catcher Will Smith zwar zu spät, hofft aber, künftig häufiger für Kuba spielen zu können.

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