Armutszeugnis für Londons Polizei
Sexismus, Rassismus und Homophobie laut Untersuchungsbericht Alltag bei der »Met« Die multikulturelle Metropole an der Themse hat nicht die Ordnungshüter, die zu ihr passen. Ein am Dienstag veröffentlichter Report offenbart Abgründe.
Sie zeigte einen Kollegen als Vergewaltiger an, dennoch musste eine Londoner Polizistin mit diesem Mann weiter zusammenarbeiten. Einem muslimischen Beamten wurde Schinken in die Stiefel gesteckt, einem Sikh schnitt sein Vorgesetzter den Bart ab, schwule Beamte gehen ihren Kollegen lieber aus dem Weg. Junge Kolleginnen mussten bei Einführungsritualen ganze Kuchen essen, bis sie sich übergeben haben. Was nach Einzelfällen klingt, hat System: Ein am Dienstag veröffentlichter Untersuchungsbericht hat schonungslos eine verrohte Kultur in der Londoner Polizei aufgedeckt.
Die Metropolitan Police (Met) sei »institutionell rassistisch, sexistisch und homophob«, urteilte ExRegierungsmitarbeiterin Louise Casey, die mit dem Report beauftragt worden war. Die Behörde habe dabei versagt, Frauen vor Sexualstraftätern in Uniform zu beschützen, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Polizei. »Es ist nicht unsere Aufgabe als Öffentlichkeit, uns vor der Polizei zu schützen. Es ist die Aufgabe der Polizei, uns Bürger zu schützen«, sagte Casey.
Das unabhängige Mitglied des Oberhauses war nach dem Mord an Sarah Everard mit der Untersuchung beauftragt worden. Ein Polizist hatte die 33Jährige im März 2021 unter Einsatz seines Dienstausweises entführt, vergewaltigt und ermordet. Auch danach kamen immer neue Skandale ans Licht.
Im Februar wurde ein Beamter, der in derselben Einheit diente wie der EverardMörder, zu mindestens 30 Jahren Haft verurteilt. Er hatte über einen Zeitraum von fast 20 Jahren ein Dutzend Frauen immer wieder vergewaltigt und missbraucht. Und erst am Montag wurde bekannt, dass mehr als 100 Polizisten, gegen die wegen sexuellen Fehlverhaltens ermittelt wird, regulär im Dienst sind.
Hinzu kommen kaum vorstellbare Arbeitsbedingungen. So müssten Beamte ihre Beweismittel in »überfüllten, baufälligen oder kaputten Kühl und Gefrierschränken« verstauen. Der größte Teil der Belegschaft sei überarbeitet und unerfahren. Wie ein Untersuchungsbericht der Aufsichtsbehörde HMICFRS bereits im Herbst gezeigt hatte, ist die Aufklärungsrate bei Vergewaltigungen und Einbrüchen miserabel. Dafür ist die Zahl der Straftäter in Uniform hoch. Bei Neueinstellungen würden Bewerber nicht ausreichend überprüft, kritisierte Casey.
In der Pflicht ist Londons Polizeichef Mark Rowley. Nach seinem Amtsantritt vor einem halben Jahr hatte er deutlich gemacht, dass er rigoros gegen korrupte und gewalttätige Polizisten durchgreifen wird. Dem Sender Sky News sagte er am Dienstag: »Wir haben Rassisten, Frauenfeinde und Homophobe in der Organisation. Wir haben schon Leute suspendiert.« Gegen weitere werde ermittelt.
Schon vor der Veröffentlichung des Berichts war von einer »letzten Chance« für die Met die Rede. Aufklärerin Casey sagte der »Times«, der Bericht halte der Behörde »einen Spiegel vor«. Nun sei es Zeit zu handeln.
»Es ist nicht unsere Aufgabe als Öffentlichkeit, uns vor der Polizei zu schützen. Es ist die Aufgabe der Polizei, uns Bürger zu schützen.«
Louise Casey Leiterin der Untersuchung