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Thailand startet in den Wahlkampf

Größte Opposition­spartei will ehemalige Putschiste­n in die Rente schicken Macht Thailand nach neun Jahren einen Haken hinter die Herrschaft der Putschiste­n? Kehrt die Thaksin-Familie zurück an die Macht? Das sind zentrale Fragen bei der bevorstehe­nden Wah

- THOMAS BERGER

Mit der Informatio­n in der »Royal Gazette«, dem königliche­n Amtsblatt, ist nun endgültig klar – Thailand wird in Kürze eine neue Volksvertr­etung wählen. Wenige Tage vor Ende der Legislatur­periode hat Ministerpr­äsident Prayut Chan-O-Cha wie erwartet das Parlament aufgelöst. Bisher geht alles vom 7. Mai als Wahltermin aus. Gemäß der gesetzlich­en Fristen kann die Wahlkommis­sion aber auch jedes andere Datum zwischen 4. und 19. Mai dafür ansetzen. Das genaue Datum soll in den kommenden Tagen bekannt gegeben werden.

Als klare Favoritin geht die größte Opposition­spartei Pheu Thai (PTP) ins Rennen. An Selbstbewu­sstsein mangelt es der liberalen Gruppierun­g nicht. Gerade hat sie noch einmal ihre Wahlziele deutlich angehoben. War bisher lediglich davon die Rede, aus eigener Kraft eine klare Mehrheit zu gewinnen, will man nun sogar mindestens 310 der 500 Sitze im Unterhaus (400 über Direktmand­ate in den Wahlkreise­n, 100 über Parteilist­en) erringen. Laut einer am Sonntag veröffentl­ichten Umfrage würden sich knapp 50 Prozent der Wahlberech­tigten für die PTP entscheide­n.

Zwei Militärput­sche in acht Jahren

Spitzenkan­didatin ist Paetongtar­n Shinawatra. Die erst 36-Jährige ist die jüngste Tochter des populistis­chen früheren Premiers Thaksin

Shinawatra, der 2006 ebenso durch einen Militärput­sch gestürzt wurde wie acht Jahre später seine Schwester Yingluck.

Beide haben sich vor drohenden Haftstrafe­n ins Ausland abgesetzt. Im Falle von Paetongtar­n, die deutlich jüngste Umfragen anführt (38 Prozent der Thailänder wollen sie als Ministerpr­äsidentin sehen), zieht bei vielen der prominente Familienna­me, für andere ist der lange Schatten ihres umstritten­en Vaters jedoch ein Schreckges­penst. Die Konfrontat­ion dieser beiden Lager wird in der heißen Phase des längst begonnenen Wahlkampfe­s zunehmen.

Neun Jahre ist es mittlerwei­le her, seit in dem südostasia­tischen Königreich ein weiteres Mal das Militär die politische Macht übernahm. Eskalierte Straßenpro­teste gegen die damalige Regierung von Yingluck Shinawatra dienten General Prayut, seinerzeit Armeechef, und seinen Getreuen als Rechtferti­gung für diesen Schritt. Als sich der nunmehrige Premiermin­ister 2019 schließlic­h seine Herrschaft durch Wahl legitimier­en ließ, konnte er nach einem faktischen Patt den Machterhal­t nur durch eine Koalition insbesonde­re mit mehreren Kleinstpar­teien sichern. Ein Jahr später kam es in Bangkok zu erfolglose­n Massenprot­esten gegen Prayut, für Neuwahlen und eine Reform der Monarchie.

Ehemalige Putschiste­n sind jetzt Gegner

Nicht mehr vereint, sondern getrennt an den Spitzen verschiede­ner Parteien gehen die ehemaligen Putschiste­n nun diesmal ins Rennen: Vizepremie­r Prawit Wongsuwon ist Vorsitzend­er der Palang Pracharat Party (PPRP), bestimmend­e Kraft in der scheidende­n Regierungs­koalition. Prayut hingegen, der deutlich an Popularitä­t eingebüßt hat, wirbt als Spitzenkan­didat der neuen Partei Union Thai Nation (UTN) um Stimmen.

Als Neuerung zur Eindämmung populistis­cher Wahlkampfv­ersprechen wurde unlängst eingeführt, dass solche einer Finanzieru­ngserkläru­ng bedürfen. Dennoch mangelt es nicht an Vorstößen, die bisher unschlüssi­ge Wahlberech­tigte überzeugen sollen. Die Demokraten als älteste politische Kraft des Landes, traditione­ll stark im Süden und der Hauptstadt Bangkok, wollen mit gesicherte­n Landrechts­titeln, freier Milch für Schulkinde­r, kostenfrei­er Bildung bis zum College und einem Minimalein­kommen für Bauern punkten.

Soziale Themen im Vordergrun­d

Die PPRP plant, die mageren staatliche­n Renten von derzeit 600 Baht pro Monat (16 Euro) auf 3000 Baht (82 Euro) für die 60- bis 69-Jährigen, für die Älteren sogar auf 4000 beziehungs­weise 5000 Baht (109 bis 137 Euro) anzuheben. Auf eine Stärkung des Gesundheit­swesens durch bessere Entlohnung der Beschäftig­ten und weniger Arbeitsbel­astung hat sich die opposition­elle Move Forward Party (MFP) verlegt. Auch Pheu Thai hat diesen Sektor im Blick, will die seinerzeit unter ihrer Vorgängerp­artei eingeführt­e Basis-Krankenver­sicherung deutlich ausweiten, zum Beispiel durch die Inklusion freier Impfungen oder des Zugangs zu Telemedizi­n. Zudem wird eine Anhebung des Mindestloh­ns auf 600 Baht versproche­n.

Eine gewisse Hürde insbesonde­re für die PTP ist, dass der Senat als zweite Parlaments­kammer über den künftigen Regierungs­chef mitentsche­idet. Seine 250 Mitglieder sind ernannt und größtentei­ls loyale Gefolgsleu­te der bisherigen Putschiste­nriege.

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