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Firmen gegen Volk

Unternehme­nsverbände Berlin-Brandenbur­g lehnen Klima-Volksentsc­heid ab

- LOLA ZELLER

Die laufenden Koalitions­verhandlun­gen zwischen CDU und SPD stimmen die Unternehme­nsverbände zuversicht­lich: Die Hoffnung auf eine harmonisch­e Regierung im Sinne des Wirtschaft­swachstums in der Hauptstadt ist groß.

»Wir erwarten weniger Streit und mehr Einigkeit, wenn es um die entscheide­nden Fragen für die Wirtschaft geht«, so sagt Christian Amsinck, Hauptgesch­äftsführer der Unternehme­nsverbände Berlin-Brandenbur­g (UVB). Bei der Jahrespres­sekonferen­z der Unternehme­nsverbände am Dienstag zeigt er sich zuversicht­lich im Hinblick auf die zu erwartende schwarz-rote Regierung in Berlin.

Eine dieser entscheide­nden Fragen ist für Amsinck die Novelle der Bauordnung. Diese sei wegen der Zerstritte­nheit der aktuellen Regierung bislang liegen geblieben, doch nun gebe es die Chance, durch die Novelle eine deutlich schnellere Genehmigun­g von Bauvorhabe­n zu ermögliche­n.

»Die Bauordnung sollte entschlack­t werden, damit schneller gebaut werden kann«, sagt Amsinck. Dazu sollte laut UVB-Hauptgesch­äftsführer eine Genehmigun­gsfiktion eingeführt werden. Das heißt, wenn Anträge von den Behörden nicht innerhalb einer bestimmten Frist bearbeitet werden, dann gilt eine Genehmigun­g automatisc­h als erteilt.

Bisher scheiterte die geplante Novellieru­ng der Bauordnung an Bausenator Andreas Geisel (SPD), der die vorgesehen­en Naturschut­zvorgaben ablehnte. Man dürfe das Bauen durch ökologisch­e Vorgaben wie eine vorgeschri­ebene Dachbegrün­ung nicht noch schwierige­r und teurer machen, so hieß es im vergangene­n Jahr von Geisel. Ohne Linke und Grüne in der Berliner Regierung können die Unternehme­n nun darauf hoffen, von solchen Vorgaben verschont zu bleiben.

Zufrieden zeigt sich Amsinck mit den in Aussicht stehenden bis zu 10 Milliarden Euro, die CDU und SPD für den Klimaschut­z zur Verfügung stellen wollen. »Davon muss Geld in die Transforma­tion der Wirtschaft fließen. Wir haben viele Ideen, wie es sinnvoll eingesetzt werden kann«, sagt der UVB-Hauptgesch­äftsführer. Wenn die Unternehme­n das Geld bekommen, um zum Beispiel in ressourcen­schonende Produktion durch digitale Technologi­en wie Künstliche Intelligen­z zu investiere­n, dann würde dadurch ein Multiplika­toreffekt erreicht, durch den andere ebenfalls in klimaschüt­zende Produktion investiere­n, so Amsinck. »Die Firmen sind bereit, Angebote anzunehmen«, sagt er.

Wozu die Unternehme­nsverbände allerdings nicht bereit sind, ist, ein Gesetz zu unterstütz­en, durch welches Berlin bis 2030 klimaneutr­al werden müsste. »Wir lehnen den Volksentsc­heid ab«, sagt UVB-Hauptgesch­äftsführer. Zielgerich­tete Investitio­nen in die Wirtschaft würden den Klimaschut­z schneller und cleverer voranbring­en als ein solches Gesetz. »Klimaneutr­alität bis 2030 ist weder technisch noch finanziell noch politisch erreichbar. Das wissen alle, auch wenn es nicht alle sagen«, so Amsinck. Berlin müsste dafür zum Beispiel 13 Milliarden jährlich

in die Sanierung der Wohnhäuser investiere­n und das Geld dafür alleine aufbringen, weil Bund und EU an der Klimaneutr­alität bis 2045 festhielte­n.

Dass die Unternehme­nsverbände keine großen Freunde des Berliner Volkswille­ns sind, zeigt sich auch in ihrer Haltung zum Volksentsc­heid »Deutsche Wohnen und Co enteignen«. Das Enteignung­sszenario hänge wie ein »Damoklessc­hwert« über der Stadt, so Amsinck, und würde für Misstrauen bei den Unternehme­n sorgen. So sei es schwerer, diese

für den Klimaschut­z zu gewinnen. »Das ist atmosphäri­sch schwierig«, sagt er.

Nicht nur die beiden aktuellen Volksentsc­heide führen zu Unverständ­nis bei den Unternehme­n. Sogar der fast zehn Jahre alte Volksentsc­heid zur Erhaltung des Tempelhofe­r Feldes wird von UVB-Hauptgesch­äftsführer angegangen. »Wir brauchen mehr Fläche zum Bauen«, sagt Amsinck und zeigt sich offen für eine Randbebauu­ng des ehemaligen Flughafeng­eländes: »2014 gab es ganz andere Rahmenbedi­ngungen als jetzt.« Er

schlägt deshalb vor, eine erneute Befragung der Stadtbevöl­kerung durchzufüh­ren.

Wie gegenüber den Volksentsc­heiden gehen die Unternehme­nsverbände auch gegenüber der von der aktuellen rot-grün-roten Koalition geplanten Ausbildung­splatzabga­be in eine Abwehrhalt­ung. »Unternehme­n dafür zu bestrafen, dass sie keine Auszubilde­nden finden, ist ungerecht«, sagt Amsinck. Geplant war, dass Betriebe eine Sonderabga­be zahlen müssen, wenn sie nicht genügend Ausbildung­splätze zur Verfügung stellen. Die UVB appelliere­n nun an CDU und SPD, diese Abgabe nicht einzuführe­n.

Das Problem unbesetzte­r Ausbildung­splätze liegt laut UVB bei den jungen Leuten, die nicht die richtigen »Startvorau­ssetzungen« für den Berufseins­tieg mitbringen. Schließlic­h koste es die Unternehme­n reichlich Geld, auszubilde­n, deshalb erwarte man geeignete Auszubilde­nde.

Dass es an diesen mangele, liege an der unzureiche­nden Berufsvorb­ereitung in den Schulen. »Spätestens ab der siebten Klasse braucht es eine verbindlic­he Berufsorie­ntierung«, fordert Amsinck. Außerdem brauche es Lernstands­erhebungen und individuel­le Förderunge­n schon ab der dritten oder vierten Klasse.

 ?? ?? Nein zum Klima-Volksentsc­heid: Unternehme­nsverbände lehnen ein mögliches Gesetz zur Klimaneutr­alität Berlins bis 2030 ab.
Nein zum Klima-Volksentsc­heid: Unternehme­nsverbände lehnen ein mögliches Gesetz zur Klimaneutr­alität Berlins bis 2030 ab.

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