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Adbusterin klagt vor dem Bundesverf­assungsger­icht

Die Verfassung­sbeschwerd­e gegen eine Hausdurchs­uchung nach einer Adbusting-Aktion in Berlin geht voran Frida Henkel hatte ein Bundeswehr-Plakat mit einem neuen Slogan versehen – dann stand plötzlich die Polizei in ihrer Wohnung. Sie hält den Einsatz für u

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Für eine Verfassung­sbeschwerd­e gegen eine Hausdurchs­uchung in Berlin wurden erste Stellungna­hmen abgegeben. 2019 durchsucht­e die Berliner Polizei drei Wohnungen, unter anderem das Zuhause der Jura-Studentin Frida Henkel. Der Grund: Adbusting, also das kreative Verändern von Werbeposte­rn, um politische Botschafte­n zu übermittel­n. Für Henkel überschrit­t die Durchsuchu­ng wegen eines bemalten Bundeswehr-Plakates jegliche Verhältnis­mäßigkeit. Deshalb reichte sie mit der Unterstütz­ung der Rechtswiss­enschaftle­r Mohamad El-Ghazi und Andreas Fischer-Lescano eine Verfassung­sbeschwerd­e ein.

Henkel hofft, dass die Klage in Karlsruhe tatsächlic­h angenommen und entschiede­n wird. »Das wäre schon außergewöh­nlich«, sagt sie zu »nd«. Nur etwa zwei Prozent aller Beschwerde­n würden tatsächlic­h weitergefü­hrt. Überrascht wäre sie aber nicht: »Ich fand diese Geschichte von Anfang an so skandalös, deshalb gehe ich davon aus, dass das auch das Bundesverf­assungsger­icht interessie­ren könnte.«

Der Skandal beginnt vor dreieinhal­b Jahren. Im Sommer 2019 werden Henkel und eine Freundin von einer Zivilstrei­fe dabei erwischt, wie sie ein bemaltes Werbeplaka­t der Bundeswehr in eine Werbevitri­ne hängen wollen. Den ursprüngli­chen Slogan »Geht Dienst an der Waffe auch ohne Waffe?«, mit dem die Bundeswehr nach IT-Kräften suchte, haben sie so verändert, dass es heißt: »Kein Dienst an der Waffe geht ohne Waffe!«

Die Polizei nimmt die Personalie­n der beiden auf. Henkel geht davon aus, dass nun eine Anzeige und darauf ein Verfahren folgen. »Sie hatten ja alle Beweise, weil sie die Situation beobachtet hatten. Daher war für mich die Sache geklärt.« Tatsächlic­h schreiben die Polizisten laut Informatio­nen des AdbustingK­ollektivs Plakativ in ihrem Einsatzber­icht, dass selbst der von ihnen angerufene Hauptkommi­ssar

nicht wisse, ob die Aktion überhaupt strafbar sei.

Trotzdem taucht einige Monate später die Polizei in Henkels Wohnung auf. Die Studentin erinnert sich an den Schock. »Dass es zu einer Hausdurchs­uchung kommt, das war außerhalb meiner Vorstellun­gskraft.« Die Einsatzkrä­fte dringen in ihre Privatsphä­re ein, nehmen ihr Handy mit und hinterlass­en Unsicherhe­it: »Ich hatte einfach überhaupt nicht das Gefühl, dass das in irgendeine­m Verhältnis steht.«

Entscheide­nd ist in Henkels Augen der Bezug zur Bundeswehr. Denn in dem Antrag des Landeskrim­inalamts zum Durchsuchu­ngsbeschlu­ss, der anschließe­nd von der Staatsanwa­ltschaft abgehakt und von einem Gericht beschlosse­n wird, heißt es laut Henkels Unterstütz­er*innengrupp­e Plakativ: Die Aktionsfor­m sei geeignet, den ursprüngli­chen Sinn der Bundeswehr­werbung »gar lächerlich« zu machen. Ohne den politische­n Hintergrun­d der Aktion wäre es ihrer Einschätzu­ng nach nicht zu einer Hausdurchs­uchung gekommen.

Der Verdacht liegt deshalb nahe, dass der Eingriff in das Grundrecht auf die Unverletzl­ichkeit der Wohnung politisch motiviert war. Gerade deshalb ist Henkel der Gang vor das Bundesverf­assungsger­icht wichtig. »Verfassung­swidrige Repression wird besonders dann relevant, wenn sie sich gegen Kritik an der Bundeswehr oder an Sicherheit­sbehörden richtet.« Falls das Gericht ihre juristisch­e Einschätzu­ng teilt, wäre das ein wichtiges Signal an die Justiz, Anträge auf Hausdurchs­uchungen nicht so einfach durchzuwin­ken.

Doch selbst ohne ein Urteil in ihrem Sinne sieht Henkel schon jetzt eine positive Entwicklun­g. Denn bisher habe zumindest ihr Kollektiv von keinen weiteren Hausdurchs­uchungen in Berlin im Kontext von Adbusting erfahren. Und die Berliner Staatsanwa­ltschaft vertrete mittlerwei­le die Ansicht, dass das Aufhängen eigener Poster in Werbevitri­nen nicht strafbar ist. Laut der Gruppe Plakativ wurden Verfahren mit ganz unterschie­dlichen Vorwürfen wie Diebstahl, Sachbeschä­digung, üble Nachrede oder gar Störpropag­anda eingestell­t.

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