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Baukultur versus Bausünden

Brandenbur­g veranstalt­et ein Jahr der Baukultur. Es gibt den vorbildlic­hen Umgang mit historisch­er Substanz genauso wie negative Beispiele.

- ANDREAS FRITSCHE

Zwei Worte genügen den Touristen, um Potsdam zu beschreibe­n: »Ach schön!« Aber ist denn wirklich alles schön oder gibt es nicht auch die eine oder andere Bausünde in der Stadt Potsdam und im Land Brandenbur­g? Die Bundesstif­tung Baukultur sitzt in einer ehemaligen Husarenkas­erne an der Schiffbaue­rgasse von Potsdam. Sie gibt ein gutes Beispiel ab, wie man mit historisch­en Gebäuden vorbildlic­h umgehen kann. Doch wenn der Vorstandsv­orsitzende Reiner Nagel mit der Bahn und dem Klapprad unterwegs ist, so sieht er den einen oder anderen architekto­nischen Missgriff und fragt sich: »Musste das wirklich sein?«

Am Dienstag starten Bundesbaum­inisterin Klara Geywitz (SPD) und Brandenbur­gs Infrastruk­turministe­r Guido Beermann (CDU) ein märkisches Jahr der Baukultur. 280 Teilnehmer haben sich für den Auftakt im Potsdamer Haus der Brandenbur­gisch-Preußische­n Geschichte (HBPG) angemeldet, dass einst ein Kutschstal­l gewesen ist. Damit ist der erste Landeskonv­ent zur Baukultur ausgebucht. Am 17. November soll es die große Abschlussv­eranstaltu­ng geben, bei der ein Baukulturp­reis verlieren wird.

»Heute ist der Auftakt, heute geht‹s los«, freut sich Infrastruk­turministe­r Beermann. »Baukultur, das ist ein ziemlich abstrakter Begriff«, weiß er. Baukultur könne aber auch etwas sehr Konkretes und Anschaulic­hes sein. Der Minister bringt ein Beispiel, lässt ein Bild von drei winzigen Häusern an der Kyritzer Stadtmauer einblenden. Tagelöhner sind dort einst untergekom­men. In den 1980er Jahren seien diese Minihäuser noch bewohnt, aber schon in einem ziemlich maroden Zustand gewesen, erzählt Beermann. Die Stadt habe die drei Gebäude aufgekauft und etwas daraus gemacht – Ferienhäus­er für Touristen. Im Jahr 2019 sei dieses Projekt ausgezeich­net worden. Baukultur sei identitäts­stiftend, wirbt Beermann für die Beschäftig­ung mit dem Erbe.

Architekt Nagel ist am Dienstag mit von der Partie. 4,4 Millionen Menschen in Deutschlan­d haben beruflich mit der Baukultur zu tun, rechnet er vor. Nach seiner Überzeugun­g ist die Baukultur »standortpo­litisch relevant« und »zunehmend auch klimapolit­isch«. Denn wo es schön ist, da lassen sich Menschen gerne nieder. Außerdem schont es die Ressourcen der Erde, alte Gebäude zu restaurier­en, anstatt sie abzureißen und neu zu bauen.

Was die zu lösenden Probleme betrifft, sei Brandenbur­g die Bundesrepu­blik in klein, meint Bauministe­rin Geywitz. »Wir haben einen angespannt­en Wohnungsma­rkt hier im Berliner Speckgürte­l und gleichzeit­ig ungenutzte Industriek­ultur in der Lausitz.« Im Bundesmaßs­tab ist es ähnlich. Da stehen immerhin 1,7 Millionen Wohnungen leer, aber nun einmal in Städten und Gemeinden, in denen sie nicht gesucht und nicht wirklich gebraucht werden. Ein Lösungsans­atz wäre: Den Schienenve­rkehr ausbauen, damit die Beschäftig­ten bequem vom Wohnort zur Arbeit pendeln können.

Im vergangene­n Jahr spendierte­n Bund und Land zusammen 93,5 Millionen Euro Fördermitt­el für den Städtebau in Brandenbur­g.

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