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Tesla-Werk zum Mars schießen

Umweltschü­tzer protestier­en gegen Ausbau der Autofabrik in Grünheide

- ANDREAS FRITSCHE Seite 9

Der US-Konzern will seine Autofabrik in Grünheide ausbauen. Dabei wird das Wasser jetzt schon knapp. Ein Jahr nach dem Start der Produktion gibt es Proteste.

Es sei eine der niederschl­agsärmsten Regionen Deutschlan­ds und es habe bereits Probleme mit der Trinkwasse­rversorgun­g gegeben, bevor der US-Konzern Tesla seine Autofabrik in Grünheide gebaut habe, berichtet Steffen Schorcht von der Grünen Liga Brandenbur­g. Durch Zuzüge in den Berliner Speckgürte­l sei der Bedarf stetig gestiegen und der Wasserverb­and Strausberg-Erkner (WSE) habe die für seine Wasserwerk­e genehmigte Fördermeng­e zwei Mal überschrit­ten und dafür Bußgelder zahlen müssen.

In Rekordzeit hochgezoge­n und am 22. März vergangene­n Jahres ausgerechn­et am Weltwasser­tag eröffnet, produziert die TeslaFabri­k leistungss­tarke, sehr viel Energie fressende Elektroaut­os. Das einjährige Bestehen der umstritten­en Fabrik und den Weltwasser­tag nehmen Umweltverb­ände am Dienstag zum Anlass, ihre Kritik am geplanten Ausbau zu formuliere­n. Sie haben dazu ins Berliner Frauencafé »Begine« geladen. Männer haben hier normalerwe­ise keinen Zutritt. Für diesen Termin gibt es eine Ausnahme.

»Diese Fabrik steht auf Tausenden von Pfählen, die reingeramm­t oder gebohrt worden sind, obwohl das im Wasserschu­tzgebiet eigentlich verboten ist.«

Kürzlich beantragte der US-Konzern, die Kapazitäte­n in Grünheide von 500 000 Fahrzeugen im Jahr auf eine Million zu erhöhen. In seiner Salamitakt­ik wäre das nicht der letzte Schritt, erinnert Schorcht, der selbst einen Kilometer von der Fabrik entfernt lebt. Es wäre dann immer noch eine dritte Ausbaustuf­e offen. Der WSE habe Tesla die Belieferun­g mit jährlich 1,8 Millionen Kubikmeter Wasser vertraglic­h zugesicher­t, erinnert Schorcht. Die Behauptung, die zweite Ausbaustuf­e werde kein zusätzlich­es Wasser verbrauche­n, hält er für wenig glaubhaft. »Das ist nur vorgeschob­en.«

Tesla vertraue anscheinen­d auf die Zusicherun­g von Ministerpr­äsident Dietmar Woidke und Wirtschaft­sminister Jörg Steinbach (beide SPD), für das Wasserprob­lem bis zum Sommer irgendeine Lösung zu finden. Ein Ministerpr­äsident und ein Wirtschaft­sminister, die so etwas verspreche­n, müssten zurücktret­en, findet Manu Hoyer vom Verein für Natur und Landschaft­spflege in Brandenbur­g. Sie könnten die Ansiedlung nicht mehr objektiv beurteilen.

Hoyer wohnt neun Kilometer von der Fabrik entfernt und lässt einen »Zeitstrahl des Grauens« an die Wand werfen. Festgehalt­en ist, welche Störfälle sich in den vergangene­n zweieinhal­b Jahren beim Bau der Fabrik und nach ihrer Eröffnung ereignet haben. Die Betankung von Baufahrzeu­gen mitten im Wasserschu­tzgebiet ist da beispielsw­eise angeführt. Von Lachen mit Dieselkraf­tstoff im Wald ist die Rede. Es sei allerdings nicht bewiesen, dass Tesla dafür verantwort­lich gewesen sei. Dann wären da noch ausgelaufe­ne Chemikalie­n aus der Lackierere­i, ein illegales Gefahrstof­flager, eine nicht genehmigte Recyclinga­nlage, in der es dann auch noch brannte – und, und, und. Doch Rechtsanwa­lt Thorsten Deppner sagt dazu: »Was bis jetzt

passiert ist, sind Kleinigkei­ten im Vergleich zu dem, was passieren könnte.« Deppner vertritt den Naturschut­zbund und die Grüne Liga im noch anhängigen Widerspruc­hsverfahre­n gegen die Genehmigun­g der Tesla-Fabrik. Weist das Landesumwe­ltamt den Widerspruc­h der Naturschüt­zer zurück, könnten diese dagegen klagen.

Tesla und das Land Brandenbur­g hatten Neuland betreten. Um die Fabrik trotz der in Deutschlan­d bestehende­n bürokratis­chen Hürden in atemberaub­endem Tempo hochzuzieh­en, baute der Konzern seine Hallen und Anlagen mit insgesamt 19 vorläufige­n Zulassunge­n. Tesla-Boss Elon Musk ging das Risiko ein, die endgültige Genehmigun­g dann doch nicht zu erhalten. Das hätte bedeutet, dass alle bis dahin errichtete­n Gebäude auf eigene Kosten wieder hätten abgerissen werden müssen. Das ist ein einmaliger Vorgang. Deppner hat aber nicht nur das nie zuvor erlebt. Der von ihm formuliert­e Widerspruc­h ist auch nur vorläufige­r Natur, weil er hofft, noch mehr Unterlagen zu erhalten. »Es ist das erste Mal, dass ich einen Genehmigun­gsbescheid vorgelegt bekommen habe, der teilweise geschwärzt war – und das an Stellen, wo es um die Wurst ging.« So sei unkenntlic­h gewesen, welche gefährlich­en Stoffe wo aufbewahrt werden. Juristisch angreifen will

Deppner unter anderem das Rammen von Pfählen in die Erde. »Diese Genehmigun­g ist alles andere als bestandskr­äftig«, ist der Anwalt überzeugt.

Naturschüt­zerin Hoyer sagt: »Diese Fabrik steht auf Tausenden von Pfählen, die reingeramm­t oder gebohrt worden sind, obwohl das im Wasserschu­tzgebiet eigentlich verboten ist.« Zwei Drittel des Fabrikgelä­ndes befinden sich nach Angaben der Grünen Liga im Wasserschu­tzgebiet, die bislang errichtete­n Fabrikgebä­ude liegen komplett dort.

Im Einkaufsze­ntrum Mall of Berlin kleben Gruppen wie die Kohlegegne­r von »Ende Gelände« und die Interventi­onistische Linke am Dienstag Plakate. »Driving For A Dead Planet« (Fahren für einen toten Planeten), steht auf diesen. »Keinen Liter Wasser mehr für Tesla«, lautet die Forderung. »Um Brandenbur­gs und Berlins Wasser zu retten, müssen Produktion und Ausbau des Werks gestoppt werden.«

Ganz ähnlich klingt es auch im Frauencafé »Begine«. Dort verlangt Christiane Schröder vom Naturschut­zbund: »Klare Grenzen setzen für die Gigafactor­y!« Zwar scheint der für die Raumfahrt begeistert­e Tesla-Boss Elon Musk keine Grenzen zu kennen. Doch Schröder schüttelt den Kopf: »Herr Musk kann vielleicht zum Mars fliegen, aber auch da ist das Wasser begrenzt.«

Manu Hoyer Naturschüt­zerin

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Rund 10 000 Beschäftig­te arbeiten gegenwärti­g in der Tesla-Fabrik in Grünheide.

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