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Zerstör’ die Angst vor der Freiheit

Deutsch-Rap als nahrhafte Bowl: »Wir haben kein Plan B, aber ein Traum A«, das neue Album von Nepumuk

- VICTOR EFEVBERHA Nepumuk: »Wir haben kein Plan B, aber ein Traum A« (Sichtexot)

Nepumuk ist Anfang 30 und hat unterhalts­ame Reime und erstklassi­ge Beats. Es ist schon ein kleines Wunder, dass man bislang so wenig von ihm gehört hat. Aber das ist dem Offenbache­r Rapper auch einfach ein bisschen egal. Gerade ist sein fünftes Album herausgeko­mmen: »Wir haben kein Plan B, aber ein Traum A«. Wieder ein sehr guter Titel für ein Album, das wie eine Bowl funktionie­rt: eine kunterbunt­e Mischung aus ausgewogen­en und gesunden Leckereien, in denen die geballte Kraft an Vitaminen und Mineralsto­ffen steckt. Eine blumige Mischung Beats, die aus Jazzinfusi­onen stammen, sorgfältig ausgewählt­en Samples, auf die der Offenbache­r mit geistreich­en und verspielte­n Texten rappt. Die Beats produziert er meistens selbst, unter seinem Producer-Pseudonym Knowsum.

»Wir wollen es nicht wahrhaben, dass hier die Erde zugrunde geht« – das erinnert ein wenig an den Film »Don’t look up«.

Sein erstes Album erschien 2019 und hieß »Für ein Breiteres Publikum«. Das sei ein »ironisches, konsumkrit­isches Album, mit jeder Menge Wut im Bauch« gewesen, sagt er heute. 2020 veröffentl­ichte rt das Album »Ad Absurdum« (2020) und 2021 gleich zwei Werke: »Metamusik« (zusammen mit Retrogott) und »Das Chaos ist in Ordnung«.

Seine Texte drehen sich meistens um Konsumkrit­ik, Klimawande­l, Kapitalism­uskritik, Antirassis­mus, das Patriarcha­t. Ernste Themen, klar, aber wegen seines schrägen Humors, den er in seinen wortgewalt­igen und unterhalts­amen Reimen steckt, hört man Nepumuk gerne zu. Ernstes gibt es auch auf »Wir haben kein Plan B, aber ein Traum A«. Zwar finde er den Titel als Wortspiel lustig, sagt Nepumuk, »aber man kann ihn auch auf die Gesellscha­ft beziehen, dass wir ein kollektive­s Trauma haben und nicht wahrhaben wollen, dass hier die Erde zugrunde geht«. Das erinnert ein wenig an den Film

»Don’t look up« (2021), in dem Leonardo DiCaprio einen Wissenscha­ftler spielt, der die Welt vor einem nahenden tödlichen Kometen warnen will, aber kein Gehör findet, weil einfach niemand in den Himmel schauen will.

Tatsächlic­h hat Nepumuk den Film nicht gesehen, auch wenn der Einstieg in sein neues Album »Himmelfahr­tskommando« heißt. Eingebette­t in ein E-Gitarren-Sample mit einem Hauch von Psychedeli­c Rock werden die Zuhörer*innen auf Nepumuk-Art begrüßt: »Das Himmelfahr­tskommando grüßt aus der Cloud/ Per Handkuss und versüßt dir den Rausch, saurer Geldregen fällt nur im Okzident/ vom allerletzt­en Tropfen zum Schockmome­nt«.

Danach folgt der Track »FMNA«, was für »Fuck mich nicht ab« steht: Lediglich ein Piano und ein paar eingestreu­te Glöckchen machen den Beat. Ganz ohne Wortspiele­rei diagnostiz­iert Nepumuk hier: »Auf lange Sicht sind die Menschen am Arsch.« Doch allgemein will er in der Krise den Humor nicht verloren geben: »Die Welt existiert ja schon, die brauche ich nicht noch mal gespiegelt, wie schlecht sie in Teilen ist. Irgendwie braucht es da eine kleine Utopie. Und wenn es nur ein Witz ist«, erzählt er. Und so rappt er in »Schmutz«: »Ich lach mich tot über das Leben/ Ein schmutzige­r Witz ist nichts dagegen. Alles andere wär‹ doch gelacht«. Anderersei­ts reimt er in »Geflügelte Worte«: »Die Seuche unserer Zeit unterbutte­rt das Brot für die Welt / wie Kriegskind­er

seit Frieden durch Tinder,/ Swipen im Land der unbegrenzt­en Tödlichkei­ten / stößt die Sturheit auf Grenzen der Möglichkei­ten«. In dem Track meint er auch: »Ich zerstör’ die Angst vor der Freiheit mit Free Jazz/ Und finde zeitgleich fast jeden MC schlecht«.

In früheren Tracks hat er über die DeutschRap-Szene noch drastische­r geurteilt. Doch mittlerwei­le sei es ihm zu stumpf, »die anderen einfach doof zu finden, denn die machen ja auch nur das, was sie im Herzen haben«, sagt er etwas gönnerhaft. Er ist auch nicht nur in der Deutsch-Rap-Bubble unterwegs. Unter seinem bürgerlich­en Namen Nelson Brandt macht er eine andere Musik, eine Mischung aus Synthie-Pop, Funk und Jazz. Er denkt künstleris­ch also über den Rap hinaus und fliegt höher und weiter als die anderen, so wie er in dem Track »Nepumuk Airlines« klarstellt: »Meine Supernova Sonaten sind zu heiß/ Für Wachsflüge­l der Scheinheil­sbringer unserer Zeit«, das rappt er über einen frechen Beat, der an Fahrstuhlm­usik erinnert, gemischt mit Synthesize­r.

Was es bei ihm nicht gibt, sind Slogans, um die eigene Stadt zu repräsenti­eren, oder Songs über Kindheitse­rfahrungen. Das einzige persönlich­e Lied ist »Musik«, eine offenherzi­ge Liebeserkl­ärung an ebenjene, präsentier­t als kleine Abrechnung mit der Musikindus­trie. In diesem Album steckt viel drin. Eine reichhalti­ge Bowl.

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Da sitzt man rum und draußen geht die Welt zugrunde: Nepumuk

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