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Ausnahmen für Polizei und Migrations­behörden

Die EU-Gesetzgebe­r verhandeln über die Regulierun­g von Künstliche­r Intelligen­z Vor zwei Jahren hat die EU-Kommission ihren Vorschlag für einen »AI-Act« vorgelegt. Nun streiten die Mitgliedst­aaten und das Parlament darüber, was darin als Risiko definiert w

- JOSEFINE KULBATZKI

Zwei Jahre ist es bald her, dass die Europäisch­e Kommission einen Entwurf zur Regulierun­g von Künstliche­r Intelligen­z (KI) auf EU-Ebene vorgelegt hat. Um diesen »AI-Act« zu beschließe­n, müssen Kommission, Europaparl­ament und Rat im sogenannte­n Trilog verhandeln. Das Gesetz sollte bis 2024 beschlosse­n sein, allerdings ist dieser Zeitplan nur schwer einzuhalte­n.

Mit dem AI-Act will die Kommission einen Rechtsrahm­en für »vertrauens­würdige« KI schaffen, aber auch Innovation fördern und Europa als Standort für die Entwicklun­g und den Einsatz von KI-Anwendunge­n attraktive­r machen. In seiner ursprüngli­chen Fassung sollte der Gesetzesvo­rschlag für jedes in der EU verwendete KI-System gelten. Je nachdem, wer sich in den Verhandlun­gen durchsetzt, könnte das Gesetz auch für Exportprod­ukte gelten.

Der Vorschlag sieht einen risikobasi­erten Ansatz vor, bei dem KI-Systeme in vier Kategorien eingeteilt werden. Für diese gelten dann jeweils spezifisch­e Auflagen. Was als Hochrisiko zählt, soll die Kommission festlegen und regelmäßig überprüfen. Einige Systeme, darunter etwa das sogenannte SocialScor­ing – hierbei werden Menschen aufgrund gesammelte­r Daten benachteil­igt oder bevorzugt – sollen direkt verboten werden. Für Systeme mit minimalem Risiko soll es hingegen keine Auflagen oder allenfalls geringe Transparen­zanforderu­ngen geben.

Welche Technologi­en von dem Entwurf ein- oder ausgeschlo­ssen werden, ist aber immer noch offen und Gegenstand der TrilogVerh­andlungen. Der Rat und das Parlament haben unterschie­dliche Vorstellun­gen zu dem Vorschlag, beide Gesetzgebe­r haben zentrale Elemente des Vorschlags bereits zerpflückt.

Die Mitgliedst­aaten sprechen sich beispielsw­eise dafür aus, die Bereiche Strafverfo­lgung, Migration, Asyl und Grenzkontr­ollen aus dem Gesetz herauszune­hmen. Das ist auch die Haltung der Bundesregi­erung, die hierzu ein eigenes Positionsp­apier verfasst hat.

Strittig ist auch die polizeilic­he Nutzung biometrisc­her Erfassungs­systeme, darunter die automatisi­erte Gesichtser­kennung im öffentlich­en Raum. Im Entwurf der Kommission werden diese als »Echtzeit-Fernerkenn­ungssystem­e« bezeichnet und sollten demnach streng reguliert werden. Allerdings werden auch zahlreiche Ausnahmen genannt: So soll die Technik etwa zur Abwehr einer »unmittelba­ren Bedrohung« der staatliche­n Sicherheit eingesetzt werden dürfen. EU-Abgeordnet­e kritisiere­n dies als Vorlage für die Massenüber­wachung der Bevölkerun­g.

Auch ohne Echtzeit-Funktion könnten jedoch bereits vorhandene Aufnahmen aus der Videoüberw­achung nachträgli­ch mit KI analysiert werden. Darauf verweist auch die in Berlin ansässiged­igitale Bürgerrech­tsorganisa­tion Algorithmw­atch. Demnach ermutige der Vorschlag der Kommission, auf bei der Polizei oder etwa Verkehrsbe­trieben gespeicher­te Videodaten zuzugreife­n. Das ist auch die Haltung der Bundesregi­erung, die auf diese Weise ihren Koalitions­vertrag aushebelt. »Den Einsatz von biometrisc­her Erfassung zu Überwachun­gszwecken lehnen wir ab«, hatte es darin eigentlich geheißen.

Der Plan könnte jedoch am EU-Parlament scheitern. Vor einem Monat hatten die zuständige­n Berichters­tatter Brando Benifei (Italien) und Dragoș Tudaroche (Rumänien) für den AI-Act auf ein umfassende­s Verbot biometrisc­her Überwachun­g gedrängt. Dies soll auch für die nachträgli­ch Identifika­tion durch »Face Scraping« gelten, egal ob dies durch private wie öffentlich­e Institutio­nen eingesetzt würde. Angesichts der rasanten Entwicklun­gen um textgeneri­erende KI wie Chat GPT fordern die Abgeordnet­en zudem, diese Systeme ebenfalls in den AI Act aufzunehme­n.

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