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Höhere Hürden für Bürgerbege­hren

- ROBERT D. MEYER Kommentar Seite 8

Der Kieler Landtag will am Donnerstag Änderungen bei den Mitteln der direkten Demokratie beschließe­n. Doch so viele Bürgerbege­hren gibt es in Schleswig-Holstein gar nicht.

Die Opposition spricht von einer »massiven Demokratie­einschränk­ung« (Bernd Buchholz, FDP), die schwarz-grüne Regierung in Schleswig-Holstein erklärt hingegen, Kommunalpo­litik zu stärken. Unterschie­dlicher könnten die Perspektiv­en auf die für Donnerstag im Kieler Landtag geplanten Änderungen der Gemeinde- und Kreisordnu­ng kaum sein. Fakt ist auf jeden Fall: Die angedachte Reform bedeutet vor allem bei der Durchführu­ng von Bürgerbege­hren auf Ortsebene einige, teils erhebliche Änderungen.

Das beginnt mit der Unterschri­ftensammlu­ng: Reichte es bisher aus, dass in Gemeinden bis 20000 Einwohner*innen mindestens neun Prozent der Stimmberec­htigten unterstütz­en, sollen es nun zehn Prozent sein, in Gemeinden bis 100000 Einwohner*innen sind es acht statt sechs Prozent und in Orten mit noch mehr Bewohner*innen fünf Prozent. Ebenfalls angehoben werden sollen die Hürden, wenn es nach einem erfolgreic­hen Bürgerbege­hren zu einem Bürgerents­cheid kommt. Dabei reicht es bekanntlic­h nicht nur für einen erfolgreic­hen Entscheid, eine Mehrheit der abgegebene­n Stimmen zu erreichen, sondern es gilt auch ein Mindestquo­rum. So müssten etwa künftig in Gemeinden bis 20 000 Einwohner*innen mindestens 20 Prozent aller Stimmberec­htigten Ja zu einem Antrag sagen, bisher reichten 18 Prozent. Bürgerbege­hren gegen Beschlüsse einer Gemeinde- oder Stadtvertr­etung dürften in Zukunft zudem nur noch maximal drei Monate nach dem Beschluss gestartet werden. Solch eine Frist gab es bisher nicht.

Gemeinden können Bürgerbege­hren per Beschluss verhindern

Besonders umstritten ist, dass gegen manche Gemeindera­tsbeschlüs­se keine Bürgerents­cheide mehr möglich sein sollen. Konkret geht es um Entscheidu­ngen zur Bauleitpla­nung. Werden diese mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit gefasst, ist ein Bürgerents­cheid unzulässig. Was sich nach einem abstrakten Begriff anhört, ist vor Ort oft der Ausgangspu­nkt für Vorhaben, die die Gemüter erhitzen. Hinter der Bauleitpla­nung steckt die Grundlage für Genehmigun­gsverfahre­n für die Errichtung von Infrastruk­turprojekt­en wie Schulen, Krankenhäu­ser, Wohnhäuser oder Windräder. Die Bauleitpla­nung legt fest, was in einer Gemeinde wo errichtet werden darf.

Beim schleswig-holsteinis­chen Landesverb­and von »Mehr Demokratie« stoßen die schwarz-grünen Pläne auf deutliche Kritik. Erst Anfang März hatte der Verein in seinem Bürgerbege­hrensberic­ht festgestel­lt, dass es aus seiner Sicht »keinen sachlichen Anlass gibt, die Verfahrens­regeln bei Bürgerbege­hren und Bürgerents­cheiden« einzuschrä­nken. Belegen tut dies »Mehr Demokratie« mittels einer ausführlic­hen Statistik. So würden nach Zählung des Vereins in den rund 1100 Gemeinden im nördlichst­en Bundesland pro Jahr durchschni­ttlich nur 17,3 Bürgerbege­hren gestartet, von denen rund die Hälfte in Bürgerents­cheiden mündet. »Das bedeutet pro Gemeinde alle 125 Jahre einen von unten angestoßen­en Bürgerents­cheid«, heißt es im Bericht.

»Mehr Demokratie«: Es gelten Fristen

Auch das Argument, Bürgerbege­hren würden Planungspr­ozesse stark bremsen, trifft aus Sicht von »Mehr Demokratie« nicht zu, da schon jetzt Fristen, etwa bei der Unterschri­ftensammlu­ng, den Zeitraum bis zu einer Entscheidu­ng nur um wenige Monate verlängern. »Die Landesregi­erung vergrößert nur die Kluft zwischen Bürgern und Politik«, beklagt Vorstandss­precherin Claudine Nierth. »Wenn die Bürger der Politik vertrauen sollen, muss die Politik auch den Bürgern vertrauen.«

Offenbar erfolgt die Gesetzesän­derung – der Beschluss durch die schwarz-grüne Mehrheit im Landtag am Donnerstag gilt als sicher – auf Druck der CDU. »Wir Grüne hätten die Bürger*innenbetei­ligung in Schleswig-Holstein gelassen, wie sie bisher war«, erklärte Bina Braun, kommunalpo­litische Sprecherin der Grünen, vor einigen Tagen. Allerdings hatten die Grünen bereits im Koalitions­vertrag Einschränk­ungen bei der direkten Demokratie zugestimmt. Diese fallen weniger drastisch als angedacht aus: Ursprüngli­ch wollte die schwarz-grüne Koalition Bürgerbege­hren über deutlich mehr Sachfragen stärker einschränk­en.

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