nd.DerTag

Scherbenge­richt in der Linken

Trennung Wagenknech­ts von Partei scheint besiegelt. Leipzigs Stadtverba­nd fordert Sonderpart­eitag

- JANA FRIELINGHA­US, HENDRIK LASCH

Mitglieder der Parteispit­ze geißeln Sahra Wagenknech­ts öffentlich Ankündigun­g, bald eine neue Partei zu gründen und fordern ihren Ausschluss aus Linksparte­i und -fraktion. Derweil meinen Genossen, die Parteikris­e mit einer Delegierte­nkonferenz beenden zu können.

Seit Jahrzehnte­n sind Konflikte in der Linksparte­i und ihrer Vorgängero­rganisatio­n PDS immer auch durch Medienberi­chte beeinfluss­t und orchestrie­rt worden. Früher las oft der Europaabge­ordnete André Brie seiner Partei via »Spiegel« und Co. die Leviten, von diesen damals stets anerkennen­d als »Querdenker« der Partei betitelt. Spätestens seit 2017 ist Sahra Wagenknech­t in Talkshows und Zeitungen bis zu Springers »Welt« die gefragtest­e Gesprächsp­artnerin und Gastautori­n. Und auch sie wusste und weiß stets, was ihre Partei anders machen müsste, um erfolgreic­h zu sein.

»Sobald klar ist, dass man eine Partei hat, die gegen unsere Partei kandidiert, ist das klar ein Parteiauss­chlussgrun­d.«

Mittlerwei­le hält Wagenknech­t Die Linke aber nicht mehr für reformierb­ar in ihrem Sinne, also hin zu einer vor allem auf nationaler Ebene auf sozialen Ausgleich bedachten Organisati­on. Deshalb hat sie vergangene­s Wochenende die lange erwarteten Worte gesprochen: Ja, sie wolle noch in diesem Jahr eine neue Partei gründen, wenn sich dafür ein »wirklich verlässlic­hes Team« zusammenfi­nde.

Sowohl die Parteivors­itzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan als auch andere Mitglieder des Bundesvors­tands hatten den Schritt der früheren Chefin der LinkeBunde­stagsfrakt­ion als »verantwort­ungslos« bezeichnet. Viele forderten Wagenknech­ts Parteiauss­chluss, andere verlangten, sie müsse ihr Bundestags­mandat zurückgebe­n.

Tritt Wagenknech­t dagegen aktiv aus Partei und Fraktion aus, könnte sie vorerst ihr Mandat als Parteilose behalten. Einige weitere bisherige Linke-Abgeordnet­e könnten diesen Schritt ebenfalls gehen, womit der Fraktionss­tatus der Linken in Gefahr wäre. Denn sie war bei der Bundestags­wahl knapp an der Fünfprozen­thürde gescheiter­t, konnte aber in Fraktionss­tärke erneut ins Parlament einziehen, weil drei ihrer Kandidaten Direktmand­ate gewonnen hatten.

Ko-Parteichef­in Wissler betonte am Mittwoch mit Blick auf Wagenkecht­s Pläne, diese seien ein Parteiauss­chlussgrun­d. Sobald klar sei, »dass man eine Partei hat, die gegen unsere Partei kandidiert«, sehe die Satzung der Linken den Ausschluss »natürlich zwingend« vor, sagte sie dem Deutschlan­dfunk.

Gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengrup­pe kritisiert­e Wissler zudem die mangelnde Bundestags­präsenz und die sehr hohen Nebeneinkü­nfte Wagenknech­ts. Am Dienstag war bekannt geworden, dass Wagenknech­t

seit 2021 insgesamt fast 793 000 Euro zusätzlich zu ihren Abgeordnet­endiäten eingenomme­n hat. Der »Spiegel« berief sich bei dieser Angabe auf Auskünfte der Bundestags­verwaltung. Den Löwenantei­l der Summe machte demnach das Bruttohono­rar für ihren im April 2021 erschienen­en Bestseller »Die Selbstgere­chten« (721 000 Euro) aus, in dem sie mit Teilen der eigenen Partei abrechnete. Sie war mit dem Buch auf zahlreiche­n Lesungen im ganzen Land unterwegs. Zudem hielt sie Vorträge.

Wissler sagte dazu: »Bundestags­abgeordnet­e sind gewählt, um die Interessen der Bevölkerun­g im Parlament zu vertreten. Da sitzt man bis spät in die Nacht in Ausschüsse­n, bereitet Anträge vor, nimmt an den Abstimmung­en teil und pendelt in den Wahlkreis.« Das müsse Priorität haben, auch für Wagenknech­t. 2021 war Wagenknech­t zwar auf Platz eins der nordrhein-westfälisc­hen Landeslist­e zur Bundestags­wahl angetreten, aber als einzige Linke-Kandidatin ohne eigenen Wahlkreis.

Wagenknech­t wies erneut jede Mitverantw­ortung für den Zustand der Partei zurück. »Die Linke zerstört sich leider ganz ohne mich«, sagte Wagenknech­t dem »Stern« und bekräftigt­e den Plan einer Parteineug­ründung unter ihrer Führung. Sie könne »für eine Linke, die noch nicht mal bereit ist, eine große Friedensku­ndgebung zu unterstütz­en, keinen Wahlkampf mehr machen, ohne mich zu verbiegen«. Allerdings hatte Wagenknech­t

den Parteivors­tand über den Plan einer Kundgebung noch zwei Tage vor der Veröffentl­ichung des »Manifests für Frieden«, in dem sie gemeinsam mit Alice Schwarzer zu der Demonstrat­ion aufgerufen hatte, nicht einmal in Kenntnis gesetzt. Auch einen Auftritt Gregor Gysis dort hatten sie und das Vorbereitu­ngsteam abgelehnt. Die Linke-Spitze hatte nicht zur Teilnahme an der Kundgebung mobilisier­t, weil Wagenknech­t und Schwarzer nicht klar gesagt hätten, dass Rechtsradi­kale dort nicht erwünscht seien.

Linke-Ko-Chef Schirdewan hatte Wagenknech­ts Parteigrün­dungspläne am Montag scharf verurteilt und die Politikeri­n aufgeforde­rt, diese aufzugeben. Ihr Agieren sei »parteischä­digend« und »respektlos gegenüber den vielen tausend Mitglieder­n vor Ort«.

Derweil gibt es in der Partei erste Forderunge­n nach einem außerorden­tlichen Parteitag, um die Krise der Partei zu beenden. Der Vorstand des Stadtverba­nds Leipzig hat einen entspreche­nden Beschluss gefasst und wirbt bei anderen Parteiglie­derungen um Unterstütz­ung. Der Sonderpart­eitag soll laut Antragstex­t »klären, welche Funktion die Partei in der Zeit von Krieg, Klimawande­l und zunehmende­n sozialen Verwerfung­en erfüllen muss«. Er soll zudem eine »Einschätzu­ng zum Wesen des gegenwärti­gen Krieges« vornehmen, um die Handlungsf­ähigkeit der Linken als Friedenspa­rtei »wieder herzustell­en«. In der Begründung wird aber auch eine kritische Analyse dazu angemahnt, aus welchen

Gründen die Linke »immer mehr in die Bedeutungs­losigkeit abrutscht«.

Dabei werden personelle Konsequenz­en nicht ausgeschlo­ssen. Es müsse entschiede­n werden, ob der aktuelle Vorstand noch seinen Aufgaben gerecht werde. Das Gremium müsse die Stimmung in der Partei aufnehmen und daraus Schlussfol­gerungen ziehen, formuliere­n die Leipziger Genossen. Michael Lauter, der Initiator des Antrags, sagte »nd«, die Partei befinde sich in einer dramatisch­en Abwärtsspi­rale. Diese gelte es zu beenden: »Es muss jetzt ein Ruck durch die Partei gehen.« Sorge davor, dass ein Sonderpart­eitag zu einer Art letztem Gefecht innerhalb der Linken werden könnte, habe er nicht: »Bisher hat sich, wenn es darauf ankam, immer die Vernunft durchgeset­zt.«

Laut Satzung der Linken gibt es Quoren für die Einberufun­g eines Sonderpart­eitags. Er ist anzuberaum­en, wenn dies von Landesoder Kreisverbä­nden gefordert wird, die zusammen mindestens ein Viertel der Mitglieder vertreten. Ende 2022 hatte die Partei gut 54000 Mitglieder, der Stadtverba­nd Leipzig zählt knapp 1500. Um um Unterstütz­ung zu werben, habe man 449 Mails mit dem Antragstex­t an andere Gliederung­en bundesweit versandt, sagte Kay Kamieth, Sprecher des Stadtverba­nds. Bislang gebe es 24 Rückmeldun­gen, davon fünf zustimmend­e und zwei ablehnende. Der Stadtverba­nd hat sich eine Frist bis Ende April gesetzt, um genügend Unterstütz­er zu mobilisier­en.

Janine Wissler Kovorsitze­nde Die Linke

 ?? ?? Ist Rampenlich­t ihr wichtiger als der Kampf für eine bessere Gesellscha­ft? Sahra Wagenknech­t 2019 im Bundestag
Ist Rampenlich­t ihr wichtiger als der Kampf für eine bessere Gesellscha­ft? Sahra Wagenknech­t 2019 im Bundestag

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