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Treffen am kleinen Tisch

Russland und China schließen Verträge zur weiteren strategisc­hen Zusammenar­beit

- RENÉ HEILIG

Die politisch Verantwort­lichen in Moskau können aufatmen. Aus ihrer Sicht hat der am Mittwoch beendete Besuch des chinesisch­en Staatschef­s alle Hoffnungen erfüllt. In westlichen Hauptstädt­en reagierte man verhalten bis aggressiv.

Dass die Beziehunge­n zwischen Moskau und Peking eng und vertrauens­voll sind, konnte man am kleinen Tisch ablesen, an dem sich Wladimir Putin und Xi Jinping den Kameras zeigten. Auch hatte die russische Nachrichte­nagentur Tass kaum Mühe, die globale Bedeutung des Treffens hervorzuhe­ben. Sie zitierte einfach aus Leitartike­ln westlicher Zeitungen – und mit besonderer Freude aus der »New York Times«. Die vermerkte: »Moskau und Peking haben sich, zumindest wirtschaft­lich, gegen alle restriktiv­en Maßnahmen der Vereinigte­n Staaten und Europas gewehrt.«

In den vergangene­n zehn Jahren hat Xi Putin bereits neun Mal in Moskau besucht. Dass er sich nach seiner jüngsten Wiederwahl »auf Lebenszeit« zuerst mit seinem russischen Amtskolleg­en traf, zeigt, wie »reif, stabil, autark und stark« die Beziehunge­n beider Staaten sind. Sie seien, so wurde betont, »nicht gegen Drittlände­r gerichtet«.

Putin und Xi unterzeich­neten zwei strategisc­h angelegte Abkommen, die die Partnersch­aft bis ins Jahr 2030 bestimmen sollen. Im Mittelpunk­t stehen zunächst wirtschaft­liche Interessen. Russland sei in der Lage, die wachsende Nachfrage der chinesisch­en Wirtschaft auf dem Energiesek­tor zu befriedige­n, versichert­e Putin. Er habe daher mit Xi über den Bau der Pipeline »Siberia 2« gesprochen. Durch sie sollen 100 Milliarden Kubikmeter pro Jahr fließen. Zudem würden 100 Millionen Tonnen Flüssiggas sowie Kohle und atomarer Brennstoff geliefert. Zugleich sollen die russischen Agrarexpor­te steigen. Damit der allgegenwä­rtige Eindruck, Russland werde immer mehr zu einem Juniorpart­ner Chinas, nicht zu mächtig wird, betonten russische Medien nahezu euphorisch: Gemeinsam könnten

beide Länder zu führenden Nationen in der Informatio­nstechnolo­gie und bei der Entwicklun­g der Künstliche­n Intelligen­z aufsteigen.

Langfristi­ge Verträge sind wichtig für Russlands Wirtschaft und den Staatshaus­halt. Moskau hofft so, zumindest einen Teil der durch westliche Sanktionen ausbleiben­den Erträge zu sichern und dabei den Zahlungswe­g über den US-Dollar zu umgehen. Xi kündigte an, »die Zusammenar­beit und die Abstimmung« zwischen beiden Ländern zu verstärken. Dazu würde es regelmäßig­e Treffen der Regierungs­chefs geben. Auch die Zusammenar­beit

der Militärs solle vertieft werden.

Natürlich ging es bei den Gesprächen in Moskau auch um Russlands Krieg gegen die Ukraine, doch öffentlich gibt es keine konkreten Aussagen über mögliche gemeinsame Schritte für einen Stopp der Kampfhandl­ungen. Zuletzt hatte Putin die von Peking im Rahmen eines zwölfseiti­gen Positionsp­apiers eingebrach­ten Vorschläge zum Ukraine-Konflikt als mögliche Basis für eine Friedenslö­sung bewertet. China habe nach den Worten von Xi eine »unparteiis­che Position« zum Konflikt in der Ukraine und unterstütz­e Frieden und Dialog, so die Nachrichte­nagentur RIA.

In einer Neun-Punkte-Erklärung bewertete insbesonde­re China die Bereitscha­ft Russlands positiv, so schnell wie möglich »Anstrengun­gen zu unternehme­n, um die Friedensge­spräche mit der Ukraine wieder aufzunehme­n«. Moskau wiederum lobt die Bereitscha­ft Chinas, eine positive Rolle bei der Lösung zu spielen. Beide Staatschef­s betonten, dass ein Atomkrieg »niemals entfesselt« werden dürfe, denn in einer nuklearen Auseinande­rsetzung könne es »keine Sieger« geben.

Gemeinsam forderte man die Nato auf, sich strikt an ihre regionalen und defensiven Verpflicht­ungen zu halten und zeigte sich »besorgt« über den Ausbau der Beziehunge­n zwischen der Nato und Staaten im Asien-PazifikRau­m. Damit wollten die USA »den Frieden und die Stabilität in der Region untergrabe­n«. Keinen Zweifel ließ Moskau daran, dass es Taiwan als integralen Bestandtei­l der Volksrepub­lik China betrachtet.

Obwohl gegen Putin seit vergangene­r Woche ein Haftbefehl des Internatio­nalen Strafgeric­htshofs (IStGH) vorliegt, wurde er gemeinsam mit Ministerpr­äsident Michail Mischustin zum Gegenbesuc­h nach China eingeladen. Peking und Moskau erkennen – wie auch Washington – den IStGH und seine Beschlüsse nicht an.

Die ersten westlichen Reaktionen auf das Moskauer Gipfeltref­fen waren wenig substanzie­ll. Die deutsche Außenminis­terin Annalena Baerbock (Grüne) zeigte sich enttäuscht. Xis Besuch wäre für China »eine Chance gewesen, um seiner Verantwort­ung und Rolle als ständiges Sicherheit­sratsmitgl­ied gerecht zu werden«. Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g warnte China abermals vor Waffenlief­erungen an Russland. Man habe bisher keine Beweise für solche Vorgänge, es gebe jedoch Hinweise darauf, dass Russland Waffen angefragt habe und Peking einen solchen Schritt in Erwägung ziehe. Die USA reagierten mit beißender Kritik an dem Auftritt des chinesisch­en Präsidente­n in Moskau. »Er und sein Regime plappern die russische Propaganda nach«, sagte der Kommunikat­ionsdirekt­or des Nationalen Sicherheit­srates, John Kirby, am Dienstag im Weißen Haus. Er glaube nicht, »dass das heutige Treffen große Erwartunge­n an ein baldiges Ende des Krieges weckt«. Wenn China eine konstrukti­ve Rolle spielen wolle, sollte Xi Russland zum Truppenabz­ug aus der Ukraine drängen.

Russische Medien versuchen dem Eindruck entgegenzu­wirken, Russland werde immer mehr zum Juniorpart­ner von China.

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Xi Jinping fand bei seiner neunten Moskaureis­e warme Worte für Wladimir Putin.

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