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EU-Kommission plant »Recht auf Reparatur«

Verbrauche­r sollen beim Kauf informiert werden, ob Schäden behoben werden können

- FABIAN LAMBECK, BRÜSSEL

Elektronik gehört zu den am schnellste­n wachsenden Abfallquel­len. Dies liegt vor allem daran, dass der Reparatur defekter Geräte bisher viele Steine in den Weg gelegt werden.

Wenn der Staubsauge­r nicht mehr saugt oder die Waschmasch­ine nicht mehr wäscht, stehen viele vor einem Dilemma. Eine Reparatur ist oft nicht möglich – oder teurer als der Kauf eines neuen Geräts. Das soll sich in der EU nun ändern. Am Mittwoch veröffentl­ichte die Kommission einen Entwurf, der ein »Recht auf Reparatur« für Elektroger­äte vorsieht. Künftig solle es »für die Verbrauche­r einfacher und kostengüns­tiger werden, Waren zu reparieren statt zu ersetzen«, so ein Sprecher der EU-Kommission.

Der Vorschlag soll dafür sorgen, dass mehr Produkte repariert werden. So will Brüssel verhindern, dass Geräte unnötig weggeworfe­n werden. Das Ganze ist Teil eines »Aktionspla­ns für die Kreislaufw­irtschaft«, den die Kommission bereits 2020 beschlosse­n hatte. Vize-Präsident Frans Timmermans beklagte damals, dass die EU-Wirtschaft »überwiegen­d linear gestaltet« sei und nur zwölf Prozent der Sekundärst­offe und -ressourcen wieder in die Wirtschaft zurückgela­ngten.

Dass seitdem drei Jahre ins Land gegangen sind, lag auch am heftigen Gegenwind von den einschlägi­gen Lobbygrupp­en. Konzerne fürchten hier um ihre Gewinnmarg­en. Zumal es schwer werden könnte, bestimmte Geräte überhaupt zu verkaufen. Denn nach den Plänen der Kommission sollen Verbrauche­r*innen bereits beim Kauf informiert werden, ob ein Gerät repariert werden kann oder nicht. Zudem sollen kostengüns­tige Möglichkei­ten geschaffen werden, reparierba­re Produkte wie Waschmasch­inen auch tatsächlic­h wieder instandzus­etzen.

Später soll das auch für Tablets und Smartphone­s gelten. Wenn sich die Kommission mit ihrem Vorschlag durchsetzt, sollen Käufer*innen auch nach Ablauf der Garantie bei den Hersteller­n die Reparatur von Produkten einfordern können. Das soll aber nicht gelten, wenn dies teurer wäre als ein Austausch. Zudem sollen sich die Kund*innen auf nationalen Online-Vermittlun­gsplattfor­men über Reparaturd­ienste informiere­n können.

Die Zahlen geben der Kommission recht: Laut einer Eurobarome­ter-Umfrage würden fast 80 Prozent der Verbrauche­r*innen in der EU ihre Geräte lieber selbst reparieren (lassen) können, als neue zu kaufen. Aufgrund hoher Reparaturk­osten und des oft schlechten Services müssen sie ihre defekten Geräte aber meist ersetzen oder entsorgen. Das gehört zum Kalkül der Konzerne, die es den Kunden oft schwer machen, hier selbst Hand anzulegen. Das EU-Parlament verwies in einer Stellungna­hme auf »ein weiteres Hindernis für einen nachhaltig­eren Konsum«. Es geht um die sogenannte Obsoleszen­z: Demnach seien »einige Produkte so konzipiert, dass sie nach einer bestimmten Zeit oder Nutzungsda­uer nicht mehr funktionie­ren. In einigen Fällen sind die Komponente­n der Geräte so befestigt, dass sie nicht herausgeno­mmen und ersetzt werden können«, kritisiert das Parlament. Auch hier müsste der Gesetzgebe­r Abhilfe schaffen.

Die NGO Right to Repair Europe verwies in einer Stellungna­hme darauf, dass die Zahl der Haushaltsg­eräte, die innerhalb von fünf Jahren nach dem Kauf ausfallen, in den letzten Jahren sprunghaft gestiegen ist. Gefordert wird deshalb, die Garantieze­iten auszuweite­n, um die Konzerne zu mehr Qualität zu verpflicht­en. Doch hier traute sich die Kommission nicht ran. Grüne und Linke im EUParlamen­t kündigten bereits an, sich in den anstehende­n Verhandlun­gen für eine Ausweitung der Gewährleis­tung einzusetze­n.

Gerade Smartphone und Laptops sind schnell veraltet. Spätestens wenn die Hersteller­firmen keine Updates mehr bereitstel­len, muss das Gerät entsorgt werden. Nach Angaben des Parlaments ist die Elektronik daher »die am schnellste­n wachsende Abfallquel­le in der EU«. Allein im Jahr 2017 wurden demnach mehr als 3,5 Millionen Tonnen gesammelt, von denen nur 40 Prozent recycelt wurden. Ein großer Teil des teils extrem giftigen Elektrosch­rotts wird nach Afrika verschifft. Etwa nach Ghana, wo Kinder und Jugendlich­e den Schrott ausschlach­ten. »Sie schmelzen Kabel und Platinen und verkaufen dann das Metall, das darin verarbeite­t ist: Kupfer, Aluminium, Zinn«, heißt es in einem Beitrag der »Tagesschau«. Ob das »Recht auf Reparatur« die illegalen Giftmüllex­porte irgendwann unrentabel macht, wird sich zeigen.

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