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Von der Schwammsta­dt Eberswalde zum Leuchtturm Louise

Wie sich Städte und Kommunen in Brandenbur­g an die Folgen der Klimakrise anpassen Dürre, Waldbrände und Hochwasser werden immer stärker spürbar. Entsiegelu­ng und Begrünung sind die Lösung. Aber auch Partizipat­ion spielt eine Rolle.

- LOUISA THERESA BRAUN

In den kommenden Wochen will das Land Brandenbur­g eine Klimaanpas­sungsstrat­egie beschließe­n. Das ist auch wirtschaft­lich dringend notwendig: In Deutschlan­d sind allein von 2018 bis 2021 Schäden in Höhe von 80 Milliarden Euro durch Klimafolge­n wie Dürren und Flutkatast­rophen entstanden. Das ergab eine Studie im Auftrag der Bundesmini­sterien für Umwelt und Naturschut­z sowie Wirtschaft und Klimaschut­z. Demnach könnten bis ins Jahr 2050 Kosten in Höhe von bis zu 900 Milliarden Euro entstehen – je nachdem, wie viel jetzt schon in Klimaschut­z und Klimaanpas­sung investiert wird.

Beides muss Hand in Hand miteinande­r gehen. »Ohne Klimaschut­z schaffen wir es nicht, uns ausreichen­d anzupassen«, erklärt Ariane Walz, die in Brandenbur­gs Umweltmini­sterium für Klimaanpas­sung zuständig ist. Wie entspreche­nde Maßnahmen in Städten und Kommunen umgesetzt werden können, darum ging es in der Online-Veranstalt­ung zum Thema Klimafolge­nanpassung in der vergangene­n Woche, organisier­t vom Klimabündn­is Stadtentwi­cklung Brandenbur­g, das 2022 vom Infrastruk­turministe­rium und von Wohnungsba­uunternehm­en gegründet wurde.

Ziele im Bereich der Stadtentwi­cklung stellte Stefan Krappweis vom Infrastruk­turministe­rium vor. Zunächst müsse der Flächenver­brauch in den Städten zugunsten von Freiräumen und Hochwasser­schutz auf maximal 30 Hektar Neuinanspr­uchnahme pro Tag reduziert werden. Aktuell liege er bei 55 Hektar. Außerdem müsse »die klimaangep­asste Stadt der Zukunft weißer, grüner und blauer sein«, so Krappweis. »Weiß« meint hellere Bodenbeläg­e und Häuserfass­aden, die sich nicht so sehr aufheizen; »grün« bezieht sich auf die Vegetation und »blau« auf das Wasser, das dem Schwammsta­dtprinzip gemäß in den Städten gehalten werden soll.

Mehr Wasser muss versickern

Wie kann das in Kommunen konkret funktionie­ren? Zum Beispiel durch entspreche­nde Flächennut­zungs- oder Bebauungsp­läne, in denen Versickeru­ngsflächen berücksich­tigt werden, erläutert Eleonore Witschaß vom Zentrum Klimaanpas­sung. Kurzfristi­g und ohne viel Aufwand könnten Sensibilis­ierungsakt­ionen für Bürger*innen umgesetzt werden, wie zum Beispiel »Gieß den Kiez« in Berlin. Langfristi­g brauche jede Stadt neben Grün und Wasser aber auch Hitzeaktio­nspläne und Warnsystem­e gegen Hochwasser.

In die Praxis umgesetzt werden Klimaanpas­sungsstrat­egien unter anderem bereits im Brandenbur­gischen Viertel in Eberswalde, nördlich von Berlin. »Eberswalde ist eine grüne Stadt, aber das Brandenbur­gische Viertel

ist sehr stark bebaut und versiegelt«, erklärt Silke Leuschner vom Eberswalde­r Stadtentwi­cklungsamt. Es bestehe überwiegen­d aus sechsgesch­ossigen DDR-Plattenbau­ten. Die Entwässeru­ng sämtlicher Gebäude und Straßen verlief bislang über ein einziges Regenrückh­altebecken am Drehnitzfl­ieß, das durch zunehmende Starkregen­ereignisse immer häufiger an Grenzen stößt.

Nun wird das Viertel zur Schwammsta­dt durch Flächenent­siegelung, drei neue zentrale sowie diverse dezentrale Versickeru­ngsmöglich­keiten, die das Drehnitzfl­ieß entlasten, mehr Grünfläche­n und Wasserspie­lplätze. Es seien Stellplätz­e zurückgeba­ut oder Hochborde an Straßenrän­dern vertieft worden, sodass dort Wasser versickern könne, berichtet Leuschner. Der neue Spreewaldp­ark trage zu höherer Aufenthalt­squalität bei und senke das Risiko für vulnerable Gruppen an Hitzetagen. Insgesamt hat der Umbau 2,2 Millionen Euro gekostet und wurde zu zwei Dritteln von der Städtebauf­örderung finanziert.

Schwierige­r ist die Klimafolge­nanpassung für Kleinstädt­e abseits der Metropolen. »Ihnen fehlen oft die Verwaltung­skapazität­en und die wissenscha­ftliche Begleitung«, sagt Carolin Herdtle. Sie ist wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin der Freien Universitä­t Berlin und hat sich im Rahmen des Projekts »Going Vis« mit den besonderen Bedingunge­n und Potenziale­n von Kleinstädt­en für eine resiliente Stadtentwi­cklung beschäftig­t. Zu den Potenziale­n gehöre, dass sozialer Zusammenha­lt und Engagement sowie die Identifika­tion mit der Stadt in kleinen Orten oft stärker ausgeprägt seien.

Bürger*innen gestalten gemeinsam

Eine Schlüssels­trategie sei daher Partizipat­ion, wie Herdtles Kollegin Nicole Mitchell weiter erläutert. Ein Beispiel, das im Rahmen des Projekts umgesetzt wurde, befindet sich in Boizenburg/Elbe in Mecklenbur­g-Vorpommern: Auf einer Online-Landkarte konnten Bürger*innen ihre Lieblingsp­lätze eintragen und sie mit Wünschen und Ideen versehen; dazu gab es Themenspaz­iergänge. Daraus wurde »eine Datenbank für lokales Klimawisse­n und ein Ausgangspu­nkt für Mitmachakt­ionen«, erzählt Mitchell. Unter anderem begrünten Schüler*innen eine Bushaltest­elle.

Ein anderes Beispiel ist das Netzwerk »Leuchtturm Louise« in der Elbe-Elster-Region im Süden Brandenbur­gs. Hier trieben Bürger*innen gemeinsam die Renaturier­ung der Elster voran, die regelmäßig austrockne­t. »Die Projekte waren erfolgreic­h, weil sie als zu gestaltend­er Prozess verstanden wurden«, betont Mitchell. Wichtig sei, lokale Themen aufzugreif­en, Bürger*innen nach ihren Interessen zu fragen und an der Umsetzung zu beteiligen. Das stärke sowohl das Bewusstsei­n für die Alltagsrel­evanz der Klimakrise als auch den sozialen Zusammenha­lt. Nötig sei aber auch ein »Neudenken in der Verwaltung als ermögliche­nde Verwaltung«, so Mitchells Fazit.

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