❚ ANNOTIERT
Seit Beginn der »Militärischen Spezialoperation« der russischen Streitkräfte in der Ukraine nahmen Tausende Menschen in Russland an Antikriegsprotesten teil. Allein in den ersten Wochen wurden 13 800 Menschen festgenommen. Es folgten Kommunikations-Sperren, Eintragungen in »Extremistenregister« sowie zahlreiche weitere Repressionen. Die Linke Russlands ist seit 2014 in ihrer Haltung zur Ukraine tief gespalten. Während die Führung der KPRF Putins Kurs unterstützt, schlossen sich viele linke Gruppen und Aktivist*innen der Protestbewegung an. Darüber berichtet Ewgeniy Kasakow in »Spezialoperation und Frieden. Die russische Linke gegen den Krieg« (Unrast, 244 S., br., 16 €).
Spätestens mit dem Angriff auf die Ukraine stellt sich die Frage, wie Russland zu dem wurde, was es heute ist. Olaf Kühl, langjähriger Osteuropareferent der Regierenden Bürgermeister von Berlin, hat das Land über Jahrzehnte bereist, auch abseits der großen Metropolen. In seinem Buch zeigt er, wie sich Russland seit dem Zerfall der Sowjetunion entwickelt hat – wie kluge, freie Köpfe allmählich durch regimehörige Funktionäre ersetzt wurden, bevor eine mafiöse Geheimdienstelite die Macht an sich riss »Kurze Geschichte Russlands, von seinem Ende her gesehen« (Rowohlt, 224 S., geb., 24 €).
Als Russland am 24. Februar 2022 die Ukraine angriff, schien das großen Teilen der russischen Gesellschaft egal zu sein. Das ist nicht überraschend. Seit Jahren werde russisches Expansionsstreben davon begleitet, dass gesellschaftlich das Recht des Stärkeren gelte, sind die Deutschlandfunk-Journalisten Gesine Dornblüth und Thomas Franke überzeugt. Gewalt werde inzwischen von vielen Russen als Mittel der Politik akzeptiert. Sie betonen aber auch: Der zukünftige Frieden in Europa hängt davon ab, ob wir Russlands Gesellschaft richtig verstehen und entsprechend handeln: »Jenseits von Putin. Russlands toxische Gesellschaft« (Herder, 208 S., br., 20 €).
Haben Gerhard Schröder und Angela Merkel wirklich eine falsche Politik gegenüber Russland verfolgt, wie dies die FAZKorrespondenten Reinhard Bingener und Markus Wehner suggerieren? Angesichts der Energiekrise im Gefolge des Ukrainekrieges, die eine schwere Wirtschaftskrise und Wohlstandsverlust in der Bundesrepublik heraufbeschworen habe, sprechen sie in ihrem Buch von »einer der größten Fehleinschätzungen deutscher Außenpolitik seit 1945«: »Die Moskau-Connection. Das Schröder-Netzwerk und Deutschlands Weg in die Abhängigkeit« (C. H. Beck, 304 S., br., 18 €).