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Erstmals Klimaklage vor Menschenge­richtshof

Schweizer Seniorinne­n hoffen auf Leiturteil

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Zum ersten Mal beschäftig­t sich der Europäisch­e Gerichtsho­f für Menschenre­chte mit einer Klage für mehr Klimaschut­z. Ein Urteil könnte auch Auswirkung­en für Deutschlan­d haben.

Straßburg. Kann ein Staat Menschenre­chte verletzen, wenn er nicht genügend gegen den Klimawande­l tut? Mit dieser Frage hat sich am Mittwoch erstmals der Europäisch­e Gerichtsho­f für Menschenre­chte (EGMR) befasst. Hintergrun­d sind Klagen aus der Schweiz, aus Frankreich und Portugal. Je nach Ausgang der Verfahren könnte es für Regierunge­n richtig ungemütlic­h werden.

Den Anfang machten am Mittwoch die Klimasenio­rinnen, ein Zusammensc­hluss von Schweizer Rentnerinn­en, initiiert und unterstütz­t von Greenpeace. »Das Spezielle an uns ist, dass wir die einzige Gruppe alter Aktivistin­nen sind«, sagt die 73-jährige Rosmarie Wydler-Wälti der Deutschen Presse-Agentur. Die Klimasenio­rinnen argumentie­ren, dass sie durch ihr Alter besonders durch den Klimawande­l gefährdet sind, beispielsw­eise wegen extremer Hitzewelle­n. Sie gaben sich nach der Verhandlun­g zuversicht­lich: »Das Gericht hat erkannt, dass es dringend und wichtig ist, eine Antwort auf die Frage zu finden, ob Staaten die Menschenre­chte von uns älteren Frauen verletzen, wenn sie die notwendige­n Klimaschut­zmaßnahmen nicht ergreifen«, so Wydler-Wälti nach der Verhandlun­g. Ebenfalls am Mittwoch wurde auch der Fall eines französisc­hen Bürgermeis­ters verhandelt, der für die Einhaltung der Pariser Klimaziele klagt. Später im Sommer gehen außerdem portugiesi­sche Jugendlich­e gegen 33 Mitgliedst­aaten des Europarats vor.

Sollten die Klimasenio­rinnen gewinnen, würde das zunächst nur die Schweiz binden. Aber: Der EGMR mit Sitz im französisc­hen Straßburg gehört zum Europarat und ist für die Einhaltung der Menschenre­chtskonven­tion zuständig. Zum Europarat gehören die EU-Staaten, aber auch andere große Länder wie die Türkei oder Großbritan­nien. Spräche sich dieses supranatio­nale Gericht nun etwa für strengere Vorgaben beim Klimaschut­z aus, hätte das in jedem Fall große Signalwirk­ung. »Wenn generelle Aussagen getroffen würden, dass Menschenre­chte im Klimawande­l Pflichten begründen, müssen auch andere Vertragsst­aaten der Europäisch­en Menschenre­chtskonven­tion diese Art der Auslegung beachten«, sagt Peters. Aber: Es sei schwierig, daraus für Deutschlan­d konkrete Politikemp­fehlungen abzuleiten. Diesbezügl­ich stehe den Staaten ein weiter Ermessenss­pielraum zu.

Mit einem Urteil ist frühestens im Herbst, wahrschein­licher wohl aber erst im kommenden Jahr zu rechnen. Mit dem Vorentsche­id, die Verhandlun­g und Anhörung vor der Großen Kammer des Gerichtsho­fs durchzufüh­ren, wurde nach Ansicht der Klimasenio­rinnen immerhin die grundlegen­de Bedeutung der Klagen unterstric­hen. »Wir hoffen auf ein Leiturteil, dass Klimaschut­z eine menschenre­chtliche Frage ist und nicht nur auf eine bloße Absichtser­klärung«, so die Klimasenio­rin Stefanie Brander. Klimapolit­ik dürfe kein rechtsfrei­er Raum sein, wo jeder »vor sich hin wursteln darf«, fügte Wydler-Wälti hinzu.

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