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Lehren aus Fall des AfD-Richters

Verschärft­e Regularien sollen in Sachsen helfen, Verfassung­sfeinde aus öffentlich­em Dienst fernzuhalt­en

- HENDRIK LASCH

Verfassung­sfeinde sollen künftig in Sachsen nicht mehr Beamte in Polizei und Justiz werden können. Das Kabinett hat dazu Regelungen erarbeitet, die Kritiker aber für ungeeignet halten.

Der Fall sorgte bundesweit für Aufsehen: Jens Maier, prominente­r Vertreter des extrem rechten »Flügels« der AfD und einst Richter am Landgerich­t Dresden, strebte in Sachsen zurück auf einen Richterstu­hl. Der Politiker, der gegen die Herstellun­g von »Mischvölke­rn« agitiert und Verständni­s für den norwegisch­en Rechtsterr­oristen Anders Brejvik geäußert hatte und vom sächsische­n Verfassung­sschutz als Rechtsextr­emist geführt wird, hatte im Herbst 2021 sein Mandat im Bundestag verloren und machte nun von seinem Rückkehrre­cht in den öffentlich­en Dienst Gebrauch. Die Vorstellun­g, dass ein Mann mit derart extremen Ansichten wieder Recht sprechen sollte, sorgte verbreitet für Unbehagen. Sachsens Justizmini­sterium beantragte beim Richterdie­nstgericht, ihn in den einstweili­gen Ruhestand zu versetzen, und begründete das mit der »Abwehr einer schwerwieg­enden Beeinträch­tigung der Rechtspfle­ge«. Zudem forderte Ministerin Katja Maier (Grüne) in Land und Bund schärfere Regeln, um die Wiederholu­ng einer »Causa Maier« zu wiederhole­n.

Für Sachsen liegen diese jetzt vor. Justizund Innenminis­terium gaben ein Gesetzespa­ket zur Anhörung frei, das eine »Stärkung der Verfassung­streue« im öffentlich­en Dienst zum Ziel hat. Dafür sollen das Disziplina­r- und das Richterges­etz geändert werden. »Die Reformen machen den öffentlich­en Dienst und die Justiz widerstand­sfähiger gegen Extremisti­nnen und Extremiste­n«, sagte Justizmini­sterin Meier. CDU-Innenminis­ter Armin Schuster sagte, man wolle die Einstellun­g von Verfassung­sfeinden ausschließ­en und denen, die bereits im Staatsdien­st tätig seien, »das Leben so schwer wie möglich machen«. Einen ähnlichen Vorstoß gibt es bereits in Brandenbur­g. Der dortige »Verfassung­streue-Check« stieß bei der Anhörung im Landtag im Februar aber auf scharfe Kritik. So wurden Parallelen zum Radikalene­rlass gezogen, der in Westdeutsc­hland bis in die 1980er Jahre vor allem gegen Lehrer angewandt wurde.

Die Pläne in Sachsen sehen unter anderem vor, Verjährung­sfristen spürbar zu verlängern. Falls Beamte gegen die Verpflicht­ung zur Verfassung­streue verstoßen, soll das künftig auch nach fünf bis zehn Jahren noch geahndet werden können. Zudem werden Zuständigk­eiten neu geordnet. Bestimmte Fälle soll das Ministeriu­m an sich ziehen können. So soll eine »einheitlic­he Handhabung in der gesamten sächsische­n Justiz« gewährleis­tet werden.

Die Regularien sollen auch verhindern, dass Verfassung­sfeinde in bestimmten Bereichen überhaupt Beamte werden können. Man wolle bereits bei der Einstellun­g »genauer hinschauen«, sagte Meier. Eine Abfrage beim Landesamt für Verfassung­sschutz soll bei Polizisten und Beschäftig­ten im Justizvoll­zug zur Regel werden. Hegten letztere eine verfassung­sfeindlich­e Gesinnung, gefährde das wegen ihrer Aufgaben im Vergleich zu anderen Beamten »in größerem Maße die Stabilität« der freiheitli­ch-demokratis­chen Grundordnu­ng. Bisher wurden lediglich Führungsze­ugnisse geprüft; zudem mussten die Bewerber erklären, dass sie zum Grundgeset­z stehen.

Während die Ministerin die Vorschläge als Ausdruck eines »entschloss­enen Vorgehens gegen Extremiste­n« ansieht, überwiegt bei anderen die Skepsis. Kerstin Köditz, Innenexper­tin der Linken im Landtag, befürchtet, die Maßnahmen würden »weitgehend ins Leere laufen«. Die Regelüberp­rüfung beim Verfassung­sschutz dürfte bei jungen Bewerbern

wenig Erkenntnis­gewinn bringen und werde nur »homöopathi­sche Effekte« haben; zudem gebe es keine Garantie, dass der Geheimdien­st entspreche­nde Erkenntnis­se auch offen lege. Überhaupt keine Lösung biete die

Regierung für Fälle an, in denen verfassung­sfeindlich­e Bestrebung­en bei Staatsdien­ern publik werden, die bereits vom Beamtensta­tus geschützt sind und »die man nicht wieder los wird«, wie Köditz formuliert­e. Noch skeptische­r äußerte sich Johannes Lichdi, einstiger Landtagsab­geordneter der Grünen und Rechtsanwa­lt. Mögliche Auswirkung­en der Regierungs­pläne fasste er auf Twitter mit den

Worten zusammen: »Lass mich raten: Die Abweisung von ›Linksextre­misten‹ wird sprunghaft steigen, sonst ändert sich nix.« AfDFraktio­nschef Jörg Urban sprach von einem juristisch fragwürdig­en »Gesinnungs-TÜV«, durch den »opposition­elle Meinungen unterdrück­t« werden sollten.

Dass die »Causa Maier« in Sachsen längst kein Einzelfall ist, zeigt der von Innenminis­ter Schuster vorgelegte fünfte Bericht einer vom Freistaat eingericht­eten »Koordinier­ungsstelle für Extremismu­spräventio­n und -bekämpfung«. Demnach seien im Jahr 2022 bei der Polizei »zwölf Sachverhal­te mit extremisti­schem Bezug« bekannt geworden. Es gehe um Delegitimi­erung des Staates, fehlende Distanz zu rechtsextr­emistische­m Gedankengu­t, Rassismus und Ausländerf­eindlichke­it. Seit 2017 gab es insgesamt 66 Fälle. Bisher seien 40 Verfahren abgeschlos­sen. Es gab sechs Entlassung­en. In vier Fällen wurden Geldbußen verhängt, in zweien kam es zur Kürzung der Dienstbezü­ge.

»Die Reformen machen den öffentlich­en Dienst und die Justiz widerstand­sfähiger gegen Extremisti­nnen und Extremiste­n.«

Katja Meier Sächsische Justizmini­sterin

 ?? ?? Jens Maier, hier 2016 als Richter, gilt inzwischen als Rechtsextr­emist. Diese will Sachsen aus dem öffentlich­en Dienst fernhalten
Jens Maier, hier 2016 als Richter, gilt inzwischen als Rechtsextr­emist. Diese will Sachsen aus dem öffentlich­en Dienst fernhalten

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