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Schlag gegen die Opposition

Militärjun­ta in Myanmar löst die Partei von Friedensno­belpreistr­ägerin Aung San Suu Kyi auf

- FELIX LILL

Gut zwei Jahre nach dem Militärput­sch hat die Junta in Myanmar die populärste Partei im Land aufgelöst. Das Verspreche­n nach Wahlen ist damit zur Farce geworden. Ein Ende des Bürgerkrie­gs rückt damit in weite Ferne.

Unter normalen Umständen wäre die Nachricht vom Dienstagab­end eine Katastroph­e gewesen: Die Nationale Liga für Demokratie (NLD) sei praktisch mit sofortiger Wirkung aufgelöst, erklärte das vom Militär kontrollie­rte Staatsfern­sehen in den Nachrichte­n. »Automatisc­h« vollziehe sich dieser Schritt, so der Sender MRTV, weil die Partei es versäumt habe, sich erneut zu registrier­en. Insgesamt 40 Parteien, die einen ähnlichen Schritt verpassten, sind demnach nun verschwund­en. Man müsste daraus eigentlich folgern: Es ist das Ende der Demokratie in Myanmar.

Doch dies ist schon längst der Fall. Im Februar 2021 hatte sich das Militär, das zuvor auch schon über Jahrzehnte das Land regiert hatte, an die Macht geputscht und damit eine junge Demokratie erstickt. Die NLDChefin und Friedensno­belpreistr­ägerin Aung San Suu Kyi, die bis dahin als Staatsräti­n Teil der gewählten Regierung gewesen war, nahmen die Militärs fest, wie auch einige andere NLD-Vertreter. Auf große Proteste gegen diesen Schritt reagierte die Militärjun­ta mit Gewalt – bis heute.

Längst ist das südostasia­tische Land mit 54 Millionen Einwohnern im Chaos versunken. Bei Kämpfen, Protesten und Razzien im ganzen Land wurden über 20 000 Menschen festgenomm­en, 17000 davon befinden sich laut der Hilfsorgan­isation für politische Gefangene (AAPP) weiterhin in Gefangensc­haft. Durch die Militärjun­ta getötet wurden demnach etwa 3200 Personen. Um ihre Gegner, die die erst ab 2008 schrittwei­se eingeführt­e Demokratie retten wollten, einzuschüc­htern, griff die Junta auch Krankenhäu­ser und Schulen an.

Versuche, die Lage zu befrieden, sind bisher gescheiter­t. So hatte der südostasia­tische Staatenver­bund Asean im Frühjahr 2021 mit dem Militärreg­ime einen Fünf-Punkte-Plan vereinbart: ein sofortiges Ende der Gewalt,

Dialog zwischen allen Kräften, Benennung eines Asean-Gesandten, humanitäre Unterstütz­ung durch Asean sowie Zutritt für den Asean-Gesandten, damit dieser mit allen Kräften sprechen kann. Der Plan klang vielverspr­echend, stellte sich aber bald als Papiertige­r heraus.

Ähnlich verhält es sich mit dem Verspreche­n der Junta, Wahlen zu organisier­en. Den Putsch hat das Regime um General Min Aung Hlaing damit gerechtfer­tigt, dass es bei der letzten Wahl im November 2020 Betrug gegeben habe, wenngleich dafür keine Belege präsentier­t wurden. Neue Wahlen sollten dann im August dieses Jahres stattfinde­n, wobei die Opposition gleich mutmaßte, diese würden ohnehin nicht frei und gerecht werden. Im Februar kündigte die Junta dann auch eine Verlängeru­ng des Ausnahmezu­stands an und verschob die Wahl auf ein unbestimmt­es Datum.

Da die NLD nun nicht mehr existiert, haben sich die Vorbehalte gegenüber dem Verspreche­n von Wahlen bestätigt. Schließlic­h galt die NLD als die wichtigste demokratis­che Kraft im Land, sie hatte im November 2020 noch eine haushohe Mehrheit gewonnen. Dennoch verzichten die Vertreter der Partei, die sich nicht in Gefangensc­haft finden, darauf, die Auflösung gerichtlic­h anzufechte­n. Schließlic­h habe das Militär schon das letzte Wahlergebn­is nicht anerkannt, ließen sie verlauten.

Die demokratis­chen Kräfte haben längst selbst zu den Waffen gegriffen. Politiker der NLD, die eigentlich ins Parlament gewählt worden waren, haben im Untergrund die »Nationale Einheitsre­gierung« ausgerufen, die auch bereits einen eigenen militärisc­hen Arm hat. In einer Pressemitt­eilung erklärte die Untergrund­regierung schon Ende vergangene­r Woche: »Das Wahlgesetz, das der terroristi­sche Militärrat beschlosse­n hat, ist und war nie gültig und die Wahlkommis­sion, wie sie seit dem Coup existiert, gilt ebenfalls als Terrororga­nisation.«

Unterdesse­n geht es für die »Einheitsre­gierung« im Untergrund darum, dem selbstgege­benen Namen gerecht zu werden. Denn obwohl das Militärreg­ime von der großen Mehrheit der Menschen als Gegner betrachtet wird, stehen längst nicht alle auf der Seite der »Einheitsre­gierung«. Die NLD, gewisserma­ßen deren Vorgängeri­n, war zu der Zeit, als sie gemeinsam mit dem Militär regierte, für die Diskrimini­erung verschiede­ner ethnischer Minderheit­en mitverantw­ortlich. Das Vertrauen dieser marginalis­ierten Gruppen zurückzuge­winnen, ist nun eine große Aufgabe.

»Im Moment gibt es keine Kraft, die genug Macht hat, um einen klaren Sieg herbeizufü­hren.«

Und derzeit zeichnet sich nicht ab, dass dies schnell gelingen kann. »Im Moment gibt es keine Kraft, die genug Macht hat, um einen klaren Sieg herbeizufü­hren«, sagt Jonathan Liljeblad, der in Myanmar geboren wurde und als Politikpro­fessor an der Australian National University zu Myan

mar forscht. »Es gibt eine Pattsituat­ion.« So schätzt Liljeblad auch, dass der Bürgerkrie­g, in dem sich das Land befinde, sich noch nicht dem Ende nähere. Die Auflösung der populärste­n Partei des Landes ebnet den Weg zu einer Rückkehr zur Demokratie sicher nicht.

Jonathan Liljeblad Politikpro­fessor

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Demonstran­ten vor Myanmars Botschaft in Bangkok zeigen Bilder von Aung San Suu Kyi.

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