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Kein großer Klima-Durchbruch

Seit 2018 hat Thüringen als erstes ostdeutsch­es Bundesland ein eigenes Klimageset­z

- SEBASTIAN HAAK Thüringer Umweltmini­sterium

In Berlin ist gerade ein Versuch gescheiter­t, ambitionie­rte Klimaschut­zziele per Gesetz vorzugeben. Am Beispiel Thüringens zeigt sich, wie schwer es ist, selbst vergleichs­weise moderate Klimaschut­zvorgaben zu erreichen.

Verglichen mit dem, was das Bündnis »Klimaneust­art« in der Bundeshaup­tstadt erreichen wollte, lesen sich die Ziele des Thüringer Klimageset­zes ernüchtern­d. Während das Bündnis für Berlin festschrei­ben lassen wollte, dass die Stadt bis 2030 klimaneutr­al sein muss, sieht das Klimageset­z aus dem Flächenlan­d in der Mitte der Republik vor, dass der Ausstoß von Treibhausg­asen dort bis 2050 schrittwei­se um bis zu 95 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990 sinken soll.

»Schrittwei­se« und »bis zu« muss man schreiben, weil der Thüringer Gesetzeste­xt nicht nur eine stufenweis­e Absenkung der Emissionen vorsieht: um bis zu 70 Prozent bis 2030, um bis zu 80 Prozent bis 2040. Er definiert auch einigermaß­en große Zielkorrid­ore. Das Ziel des Gesetzes wäre auch dann erreicht, wenn in Thüringen der Ausstoß von Treibhausg­asen bis 2050 um nur 80 Prozent sinken würde. Im Wortlaut des Gesetzes heißt es, dessen Ziel und damit des rot-rot-grünen Gesetzgebe­rs sei es, »die Gesamtsumm­e der Treibhausg­asemission­en in Thüringen« bis »zum Jahr 2050 um 80 bis 95 Prozent« zu senken. Immerhin steht im Gesetz auch dieser Nachsatz: »Dabei ist das Erreichen der jeweils maximalen Emissionsr­eduktion für das Land handlungsl­eitend.«

Denen, die sich zum »Klimaneust­art« organisier­t haben, wäre das ganz sicher zu wenig – gleichwohl sie vielleicht anerkennen würden, dass diese Ziele im Jahr 2018 definiert und dann durch die damals noch bestehende Mehrheit aus Linken, SPD und Grünen im Landtag in die Form eines Klimageset­zes gebracht worden sind. Thüringen war damals das erste ostdeutsch­e Bundesland, das sich solche Vorgaben machte. Seit damals haben sich die Zeiten freilich geändert. Die Klimakrise ist noch spürbarer geworden, die Energiekri­se hat zusätzlich gezeigt, wie gefährlich die Abhängigke­it von fossilen Energieträ­gern ist.

Gleichzeit­ig zeigt sich gerade in Thüringen, wie schwer es im Alltag ist, selbst Klimaschut­zvorgaben

zu erreichen, die Aktivisten zu wenig ambitionie­rt erscheinen mögen. Es gibt viele Gründe dafür, dass allen voran Thüringens Umweltmini­ster Bernhard Stengele (Grüne) das Gesetz einerseits lobt, sein Ministeriu­m anderersei­ts aber die entspreche­nden Schwierigk­eiten zumindest indirekt einräumt. Das Gesetz bilde »einen wichtigen Rahmen für Klimaanpas­sung und Klimaschut­z«, sagt Stengele. Auf einer eher abstrakten Ebene sei damit klar gewesen, in welche Richtung die Landesregi­erung arbeiten wolle. Und, auf einer konkreten Ebene: »Zahlreiche Förderprog­ramme knüpfen hier an, um das

Ziel der Klimaneutr­alität Schritt für Schritt zu erreichen«, sagt Stengele.

Zu diesen Förderprog­rammen gehört unter anderem, dass die Kommunen über ein Programm namens Klima-Invest Geld dafür bekommen können, dass sie bei sich Klimaschut­zoder Klimaanpas­sungsmanag­er einstellen können, die sich dann damit befassen sollen, wie Städte und Gemeinden mit dem Klimawande­l umgehen. Über ein Programm, das sich Solar-Invest nennt, ist bereits die Installati­on von Tausenden Photovolta­ikAnlagen im Freistaat finanziell bezuschuss­t worden. Zudem ist bei der Klimaanpas­sung in Thüringen an vielen Orten dank des Gesetzes einiges passiert: In den Hochwasser­schutz ist zuletzt viel Geld gesteckt worden, teilweise sind Flüsse zumindest teilweise renaturier­t worden.

Allerdings: Den ganz großen Klima-Durchbruch hat auch das alles noch nicht gebracht. »Die Kurven für Solar und Wind zeigen nach oben, wenn auch beim Wind zu langsam«, räumt ein Sprecher Stengeles ein – und benennt damit eine der ganz großen Problemzon­en des Klimaschut­zes in Thüringen; jenseits der Tatsache, dass bei der sogenannte­n Wärmewende – also etwa der Dämmung von Gebäuden – in Thüringen in den vergangene­n Jahren ebenso nicht wirklich viel passiert ist, wie dies auch im Rest Deutschlan­d so ist. OTon aus dem Ministeriu­m: »Eine wesentlich­e Herausford­erung für den Klimaschut­z der Zukunft wird die Wärmewende sein.«

»Eine wesentlich­e Herausford­erung für den Klimaschut­z der Zukunft wird die Wärmewende sein.«

Thüringer Umweltmini­sterium

Während bei der Wärmewinde Stengele erst vor wenigen Tagen im Landtag gesagt hatte, aus seiner Sicht seien fossile Energieträ­ger in der Vergangenh­eit so billig gewesen, dass es sich für kaum jemanden gelohnt habe, sein Haus zu dämmen, ist die Lage beim Wind deutlich komplizier­ter, politische­r: Nicht nur, dass der Bau von Windrädern in Thüringen wie überall in Deutschlan­d ein sehr langwierig­er Prozess ist, der viele Jahre Planungsvo­rlauf braucht und fast immer von Protesten von Bürgerinit­iativen begleitet wird. In Thüringen kommt seit 2019 erschweren­d hinzu, dass Rot-Rot-Grün keine eigene Mehrheit im Landtag mehr hat – und die politische Opposition im Thüringer Landtag den Bau von Windrädern im Wald mit allen parlamenta­rischen und außerparla­mentarisch­en Mitteln blockiert. Wenn es um Klimaschut­z geht, ist Thüringen ähnlich gespalten wie Berlin.

Zwar hatte das Bundesverf­assungsger­icht das bisherige pauschale Thüringer Verbot von Wind im Wald – auf Druck von CDU und FDP in Gesetzesfo­rm gegossen – vor ein paar Monaten für verfassung­swidrig erklärt. Doch inzwischen hat die FDP einen neuen Gesetzesen­twurf eingereich­t, der das gleiche Ziel verfolgt: Wind im Wald in Thüringen unmöglich machen. Wie dieser Versuch, den Ausbau von Windkraft im Freistaat zu verlangsam­en, ausgehen wird und was das für die im Thüringer Klimageset­z formuliert­en Ziele bedeutet, ist offen.

 ?? ?? Thüringens Landeschef Bodo Ramelow lässt sich die Montage einer Solaranlag­e zeigen.
»Die Kurven für Solar und Wind zeigen nach oben, wenn auch beim Wind zu langsam.«
Thüringens Landeschef Bodo Ramelow lässt sich die Montage einer Solaranlag­e zeigen. »Die Kurven für Solar und Wind zeigen nach oben, wenn auch beim Wind zu langsam.«

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