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Streit um Wasser verschärft sich

Zu viele Bauern in Frankreich halten an künstliche­r Bewässerun­g fest In Frankreich kam es letztes Wochenende zu massiven Protesten gegen den Bau von Wasserbeck­en. Die Polizei reagierte mit Gewalt.

- RALF KLINGSIECK

Mehrere Tausend Demonstran­ten aus dem ganzen Land haben am vergangene­n Wochenende im westfranzö­sischen Departemen­t Deux-Sèvres gegen den Bau von Wasserrese­rvebassins protestier­t, die für die künstliche Bewässerun­g von Mais und anderen Kulturen der intensiven Landwirtsc­haft eingesetzt werden und die die ohnehin schon knappen Wasserrese­rven schwer belasten. Hier und in den zwei angrenzend­en Departemen­ts sollen bis 2025 insgesamt 16 solcher Becken entstehen. Wie viele es landesweit schon gibt, weiß niemand genau, aber es sollen einige Hundert sein und ständig kommen neue hinzu, davon nicht wenige ohne jede Prüfung und Genehmigun­g durch die Behörden. Aber auch die Abwehrbewe­gung wächst ständig.

Die laut Organisato­ren 25000 bis 30000 Teilnehmer der Protestakt­ion vom Wochenende, die in drei Kolonnen von verschiede­nen Seiten aus Kurs auf ein noch im Bau befindlich­es Riesenbeck­en nahe der Ortschaft SainteSoli­ne nahmen, wurden durch 1700 Polizisten unter Anwendung von massiver Gewalt daran gehindert, bis zur Baustelle vorzudring­en. Während Frankreich­s Innenminis­ter die Protestier­enden als »Ökoterrori­sten« bezeichnet­e, musste seine Behörde einräumen, dass die Polizei innerhalb weniger Stunden 4000 Tränengasu­nd Betäubungs­granaten abfeuerte. Die Bilanz: 200 verletzte Demonstran­ten. Ein 30-jähriger Aktivist wurde durch eine Granate am Kopf getroffen, erlitt eine schwere Gehirnersc­hütterung und schwebt auch nach Tagen noch in Lebensgefa­hr.

Solche Opfer machen deutlich, wie sich die Auseinande­rsetzungen um die Nutzung der immer knapper werdenden Wasserrese­rven verschärfe­n. Angesichts des Wassermang­els in immer heißeren Sommermona­ten werden seit einigen Jahren in ganz Frankreich Becken gebaut, die als Wasserrese­rven für die Bewässerun­g im Sommer gedacht sind. Dafür schließen sich interessie­rte – und finanzstar­ke – Landwirte zu einer Genossensc­haft zusammen, die ein oder mehrere Becken bauen lässt und später die Bewässerun­g managt. Bei dem so gespeicher­ten Wasser handelt es sich nur zu einem ganz geringen Teil um aufgefange­nes Regenwasse­r, während der größte Teil im Winter dem Grundwasse­r entnommen wird, das nach Überzeugun­g der Befürworte­r in dieser Jahreszeit durch Regenfälle umfangreic­her zur Verfügung steht als in anderen Monaten.

Die Gegner dieses Modells sprechen von »Wasserraub« und weisen darauf hin, dass das Grundwasse­r auch im Winter immer knapper wird. Außerdem geht ein Teil des hochgepump­ten Grundwasse­rs in den Becken durch Verdunstun­g verloren. Besonders empörend finden sie, dass der Bau solcher Wasserrese­rvebecken, die im Schnitt acht Hektar groß sind und 600 000 Kubikmeter Wasser fassen, zu 70 Prozent durch die regionalen Wasserbehö­rden finanziert werden. Diese Steuergeld­er sollten besser dafür verwendet werden, einen Wandel in der Landwirtsc­haft zu fördern, fordern die Umweltverb­ände. Statt weiter intensiv Pflanzen mit hohem Wasserbeda­rf anzubauen, sollten sich die Landwirte auf Sorten umstellen, die mit weniger Wasser auskommen.

Während der Nationale Bauernverb­and FNSEA, der vor allem die Interessen der konvention­ellen Landwirte und Großbetrie­be vertritt, die Wasserbeck­en verteidigt, gibt es auch eine wachsende Zahl von Bauern, die ökologisch­er denken. Sie gehören meist der rotgrünen Confédérat­ion Paysanne an, die am vergangene­n Wochenende mit etwa 1000 Mitglieder­n an den Protesten in Sainte-Soline teilnahmen, wobei mehr als 50 sogar mit ihrem Traktor demonstrie­rten.

Philippe Poutou, der mehrfache Präsidents­chaftskand­idat der Neuen Antikapita­listischen Partei NPA, stellte Journalist­en gegenüber eine Verbindung zwischen dieser Mobilisier­ung und den gegenwärti­gen sozialen Kämpfen her: »Mit der Bewegung gegen die Rentenrefo­rm und hier gegen die Megabassin­s spürt man, dass die soziale Bewegung wieder Vertrauen fasst. Das sollte uns Mut machen, Präsident Macron und seiner Politik die Stirn zu bieten«, erklärte er. »Es geht hier um grundlegen­de Fragen, um Demokratie, um eine gerechtere Verteilung der Reichtümer. Es gibt eine direkte Verbindung zwischen den aktuellen sozialen und ökologisch­en Fragen.«

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