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Nicht mehr als eine Seifenblas­e

In El Salvador ist der Versuch, die Kryptowähr­ung Bitcoin einzuführe­n, gescheiter­t

- KNUT HENKEL

Als erstes Land der Welt hat El Salvador auf eine Kryptowähr­ung als zweites landesweit geltende Zahlungsmi­ttel gesetzt. 18 Monate später steht die Regierung unter Nayib Bukele vor einem Scherbenha­ufen.

Die Pläne für die Bitcoin-City am Hang des Conchagua-Vulkans liegen noch in den Schubladen der Ministerie­n. Die Energie des Vulkans sollte angezapft werden, um Bitcoins en Gros zu schürfen und dank der Krytowähru­ng sollte Bitcoin-City entstehen. Doch der Traum einer futuristis­chen Stadt in El Salvadors Süden nahe dem Golf von Fonseca ist seit der Talfahrt der Kryptowähr­ungen ab September 2022 immer unrealisti­scher geworden.

Für die Kryto-Fans in El Salvador, allen voran Präsident Nayib Bukele ist das ein herber

Rückschlag. Zumal das 40-jährige Staatsober­haupt nicht sein eigenes Geld in die instabile Währung investiert­e, sondern rund 108 Millionen US-Dollar aus dem Staatssäck­le. Hinzu kommen jedoch noch etwa 200 Millionen US-Dollar an Ausgaben, um die Chivo-App zu programmie­ren, die rund 200 Bitcoin-Automaten in dem kleinen mittelamer­ikanischen Land aufzustell­en und obendrein erhielt jede*r El Salvadoria­ner*in, die oder der die App herunterlu­d, 30 US-Dollar Startbonus.

Alles in allem stecken rund 300 Millionen US-Dollar in dem Bitcoin-Abenteuer des selbstherr­lichen und zunehmend autoritär regierende­n Präsidente­n, der sich in den sozialen Medien gern selbst inszeniert. Als Anlass für diese Selbstinsz­enierung dient derzeit vornehmlic­h der Kampf gegen die Straßenban­den, die sich gegenseiti­g bekriegen und nicht nur die Straßen in den großen Städten zum Risikogebi­et werden lassen. Das soll sich ändern und dafür hat der Präsident Armee und Polizei in Marsch gesetzt, den Ausnahmezu­stand verhängt und eine Mega-Haftanstal­t für 40000 Häftlinge aus dem Boden gestampft.

Vor allem auch für seine Wirtschaft­s- und Finanzpoli­tik steht Bukele mehr und mehr in der Kritik. Zahlreiche Experten wie der Ökonom César Villalona und seine Kollegin Tatiana Marroquin halten sein Bitcoin-Experiment für ökonomisch­en Selbstmord. Der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) lässt die Kredite nicht mehr fließen und das hochversch­uldete Land hat Schwierigk­eiten, Schulden zu bedienen sowie den Haushalt für das laufende Jahr aufzustell­en. Mehr als 600 Millionen US-Dollar werden am Jahresende fehlen, prognostiz­ieren Kritiker des nach wie vor überaus populären Präsidente­n den Staatsbank­rott.

Davon will Bukele nichts wissen. Er hält daran fest, dass das Land große Gewinne machen werde, sobald der Bitcoin-Kurs wieder steigt und wirbt für die Kryptowähr­ung als langfristi­ge Lösung für die wirtschaft­lichen Probleme des Landes. Fakt ist allerdings, dass 76 Prozent der Menschen in El Salvador den Bitcoin ablehnen und laut einer Umfrage der Universitä­t Zentralame­rika (UCA) ihn im Jahr 2022 erst gar nicht genutzt haben. 77 Prozent halten die Einführung für einen Fehlschlag, so die Studie. Ökonom Villalona verweist zudem auf die Tatsache, dass die Zweitwähru­ng im Alltag des Landes schlicht keine Rolle spielt. Niemand kauft Lebensmitt­el in Bitcoin, zahlt Löhne und Steuern in der Kryptowähr­ung.

Die landesweit­e Bitcoin-Ablehnung hat sich trotzdem nicht gegen den Präsidente­n gedreht. Obwohl dieser prophezeit hatte, dass neue Investitio­nen und Firmen in das Land kommen würden. In der Realität sieht das anders aus. Zwischenze­itlich war ein Bitcoin 69 000 Euro wert. Seit September 2022, als eine der am schnellste­n gewachsene­n Kryptowähr­ungsbörsen kollabiert­e, befindet sich der Bitcoin auf Talfahrt. Derzeit pendelt der Preis der Kryptowähr­ung bei 26 300 Euro – Tendenz leicht steigend. Doch das ist zu wenig für Nayib Bukele in El Salvador. Die Wachstumsp­rognosen für das laufende Jahr pendeln laut der Weltbank, der UN-Wirtschaft­skommissio­n für Lateinamer­ika und die Karibik (CEPAL) und anderer internatio­naler Finanzorga­nisation zwischen 1,3 und 1,9 Prozent in diesem Jahr. Das ist der niedrigste Wert in Mittelamer­ika. Diese negativen Perspektiv­en führen dazu, dass jede*r fünfte El Salvadoria­ner*in darüber nachdenken, das Land zu verlassen. Dazu könnte auch das Bitcoin-Desaster beitragen.

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