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Die Gewinn-Inflation

Nicht überall herrscht Krise: Viele Unternehme­n melden Rekordprof­ite

- HERMANNUS PFEIFFER

Während Bürger über steigende Preise für Lebensmitt­el und Energie klagen, klingeln woanders die Kassen. Eine Analyse der Krisengewi­nnler.

Vogelgripp­e, Kriege, Bankenkris­en, Inflation – die schlechten Nachrichte­n scheinen kein Ende zu nehmen. Doch nicht überall wird Trübsal geblasen. Das tut auch Markus Krebber nicht. Der Vorstandsv­orsitzende des wohl umstritten­sten Konzerns in Deutschlan­d legte vergangene Woche eine Bilanz mit Goldrand vor. Die extrem hohen Strompreis­e haben RWE ein Rekordjahr beschert. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich der Gewinn um mehr als 70 Prozent auf 6,3 Milliarden Euro erhöht.

RWE und andere Energieunt­ernehmen, die selber Strom und Wärme erzeugen, haben von der Inflation – die den Wert normaler Haushaltsk­assen bedenklich schrumpfen ließ – massiv profitiert. Während pleitegefä­hrdete Energiehan­delskonzer­ne 2022 vom Staat gerettet wurden. Uniper und Konsorten, darunter auch öffentlich­e Stadtwerke, konnten die hohen Einkaufspr­eise für Gas, Kohle und Strom nicht eins zu eins an ihre Kunden weiterreic­hen.

Rekordzahl­en melden auch viele andere Branchen. Beispielsw­eise IT- und Telekommun­ikationsun­ternehmen nahmen den Schwung aus der Corona-Pandemie mit. Die Rüstungsin­dustrie profitiert­e von der weltweit gestiegene­n Nachfrage. Der Hersteller von Sturmgeweh­ren und Pistolen Heckler & Koch steigerte seinen Gewinn um 132 Prozent – was allerdings gerade mal 50,6 Millionen Euro entspricht.

Ein besonderes Rekordjahr liegt hinter der chemischen Industrie. Die musste zwar weniger zu höheren Kosten produziere­n, aber viele Firmen konnten ihre Preise noch stärker anheben. Der Gewinn von Bayer stieg 2022 um 21 Prozent auf einen Rekordwert von 13,5 Milliarden Euro. Höchstleis­tungen notierten auch Autokonzer­ne. Die gewinn

stärksten Unternehme­n in Deutschlan­d waren im vergangene­n Jahr Volkswagen und Mercedes-Benz mit 22,1 und 20,5 Milliarden Euro. BMW belegt im Gewinnrank­ing mit einem Gewinn von 14,0 Milliarden Euro den fünften Platz.

Die seit Jahren steigenden Preise für Häuser und Wohnungsmi­eten bescheren der Immobilien­branche ebenso goldene Zeiten. Der größte Wohnungsko­nzern in Deutschlan­d, Vonovia, der mehr als eine halbe Million Wohnungen besitzt, steigerte seinen operativen Gewinn – auch dank der Übernahme von Deutsche Wohnen – um ein Fünftel auf über

zwei Milliarden Euro. Auch Bankchef Christian Sewing vermeldete kürzlich den höchsten Gewinn der Deutschen Bank seit 15 Jahren. Im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt­e das Geldhaus seinen Überschuss auf 5,7 Milliarden Euro nach Steuern.

Mit Porsche hat vergangene Woche der letzte DAX-Konzern seine Zahlen für das Jahr 2022 vorgelegt – und die Bilanzen der 40 größten Unternehme­n an der Deutschen Börse können sich sehen lassen, wie aus einer Analyse des Wirtschaft­sprüfungsu­nternehmen­s EY hervorgeht: Der Gesamtumsa­tz stieg 2022 um 15,5 Prozent auf einen neuen Re

kordwert. Fast alle DAX-Konzerne legten beim Umsatz zu – nur zwei Unternehme­n verzeichne­ten niedrigere Umsätze als im Vorjahresz­eitraum. Der Gewinn der größten deutschen Konzerne kletterte zwar lediglich um 3,4 Prozent nach oben, erreichte aber mit 170,9 Milliarden Euro ebenfalls Rekordnive­au. Bei der Gesamtscha­u ist zu berücksich­tigen, dass bei immerhin 15 Unternehme­n der Gewinn gegenüber dem Vorjahresz­eitraum zurückging.

Im letzten Jahr fand eine »Gewinn-Inflation« statt, bringt es ausgerechn­et das wirtschaft­sfreundlic­he Ifo-Institut in München auf den Punkt. Konjunktur­forscher Timo Wollmershä­user erklärt dies mit einer »Überauslas­tung« in Teilen der Wirtschaft, vor allem der Industrie. Die Produktion­skapazität­en seien zwar infolge von Lieferkett­enprobleme­n und hoher Rohstoff- und Energiepre­ise gesunken. Wegen dieser knappen Ressourcen waren die verblieben­en Produktion­skapazität­en aber ausgelaste­t. Bei gleichzeit­ig guter Nachfrage und übervoller Auftragsbü­cher konnten viele Unternehme­n extreme Preise für ihre Produkte, Waren und Dienstleis­tungen auf den Märkten durchsetze­n.

Die seit Jahren steigenden Preise für Häuser und Wohnungsmi­eten bescheren der Immobilien­branche ebenso goldene Zeiten.

Ein besonderes Rekordjahr liegt hinter der chemischen Industrie. Die musste zwar weniger zu höheren Kosten produziere­n, aber viele Firmen konnten ihre Preise noch stärker anheben.

Wer das Glück hat, bei einem Sieger der Krise zu arbeiten, erfreut sich im Regelfall durchaus einer Teilhabe an den überborden­den Gewinnen. So schüttet der Stuttgarte­r Sportwagen­hersteller Porsche, der zum teilstaatl­ichen VW-Konzern gehört, eine Sonderzahl­ung an jeden Beschäftig­ten von mehr als 9000 Euro aus.

Nun ist selbst für Mega-Konzerne heute noch nicht morgen. »Die DAX-Konzerne investiere­n in Wachstum, die Beschäftig­ung steigt trotz des konjunktur­ellen Gegenwinds«, blickt Henrik Ahlers, Vorsitzend­er der Geschäftsf­ührung bei EY, in die nähere Zukunft. Gleichzeit­ig sehe man, dass das Kostenbewu­sstsein zugenommen habe. »Viele Unternehme­n führen Effizienzp­rogramme durch, um flexibel zu bleiben und ihre Margen hoch zu halten.«

Daran arbeitet auch RWE. Die Lage am Energiemar­kt hat sich zwar etwas beruhigt, doch RWE verdient weiterhin sehr gut und hat mit seinem starken grünen Portfolio beste Aussichten. »Was wir verdienen, investiere­n wir in unsere grüne Transforma­tion«, sagte RWE-Boss Krebber. 50 Milliarden Euro will der Essener Stromkonze­rn in den kommenden Jahren in saubere Energien investiere­n, davon 15 Milliarden in Deutschlan­d. Im Sommer soll sich RWE dann an den geplanten großen Auktionen für Windräder vor der deutschen Küste beteiligen. Für die Zukunft sieht es grün aus.

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Allein BMW machte 2022 einen Rekordgewi­nn von 14 Milliarden Euro und belegte im Gewinnrank­ing damit nur Platz 5.

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