nd.DerTag

Alles neu im alten Kloster Neuzelle

Ein Rundgang durch die Dauerausst­ellung mit dem Bauernsohn Anton, der zum Mönch Bruder Ambrosius wird

- JEANETTE BEDERKE

Die 1268 gegründete Klosteranl­age Neuzelle wird seit Jahrzehnte­n saniert. Ab 1. April sollen sich Gäste noch besser orientiere­n können.

Bauernsohn Anton empfängt Besucher der Zisterzien­ser-Klosteranl­age Neuzelle (OderSpree) ab dem 1. April im neu gestaltete­n Klausurgeb­äude. Auf Bildschirm­en können die Gäste miterleben, wie die digitale Figur zum Mönch Bruder Ambrosius wird. Die wichtigste­n Ordensrege­ln der Zisterzien­sermönche werden an seinem Beispiel erklärt. Anhand eines großen runden Lichtmodul­s lässt sich die Tagesordnu­ng im einstigen Kloster nachvollzi­ehen – von Sonnenaufg­ang bis Sonnenunte­rgang.

Zugemauert­e Türen und Fenster entdeckt

So eingestimm­t geht es in das Heiligtum des früheren, 1268 gegründete­n Klosters, den Kreuzgang. Dieser Zugang durch einen Meter dicke Mauern ist für Besucher neu, historisch gesehen allerdings nicht. »Durch Bauforschu­ng lässt sich belegen, dass es diese Öffnung von der Klausur in den Kreuzgang im Mittelalte­r tatsächlic­h gab. Im Zuge der barocken Umgestaltu­ng der Anlage ab 1650 war sie jedoch geschlosse­n worden«, erklärt Restaurato­rin Dorothee Schmidt-Breitung. Die Spezialist­in für Wandmalere­ien kennt die Klosteranl­age Neuzelle wie ihre Westentasc­he.

Sie hat seit 1998 vieles in dem als Barockwund­er Brandenbur­gs bezeichnet­en Gebäudekom­plex restaurier­t und wieder zum Vorschein gebracht, vor allem im Kreuzgang.

Wer ihn betritt, den überrasche­n gotische Architektu­relemente: Repräsenta­tive Kreuzrippe­nanlagen, farblich hervorgeho­bener, reliefarti­ger Konsolensc­hmuck sowie spätmittel­alterliche Wandmalere­ien. Allein 23 Farbschich­ten hatten Restaurato­ren, unter ihnen Schmidt-Breitung, gefunden, zudem zugemauert­e Türen und Fenster. Mit Holzkohle aufgezeich­nete Jahreszahl­en gaben den Fachleuten lange Rätsel auf, sagt die Restaurato­rin und zeigt auf die schwarzen Ziffern 1378 an der Wand des Kapitelsaa­ls. »Diese Angabe fanden wir mehrfach, vermutlich handelt es sich dabei um das Jahr der Fertigstel­lung des Kreuzgange­s«, sagt sie.

Seit August 2022 war die Kloster-Dauerausst­ellung in Neuzelle wegen Umbauarbei­ten geschlosse­n. Am 1. April wird sie mit einem »Tag der offenen Tür« bei freiem Eintritt und kostenlose­n Führungen wiedereröf­fnet. »Jetzt ist die Schau so angelegt, dass ein tatsächlic­her Rundgang möglich ist«, erklärt Clara Roth-Wintges, zuständig für Kultur und Marketing bei der Stiftung Stift Neuzelle.

Eine Büste von Ernst Thälmann

Mit der Klausur zu Beginn und einem Saal am Ende des Rundgangs entstanden auch zwei zusätzlich­e Ausstellun­gsräume. Zum

Abschluss wird der Besucher dort, wo sich jahrelang die Neuzeller Tourist-Informatio­n befand, über die Geschichte der Anlage nach Auflösung des Klosters 1817 informiert. Die evangelisc­he und die katholisch­e Kirchengem­einde erhielten demnach je eine der beiden Klosterkir­chen. Die übrigen Gebäude der Anlage wurden nach Festlegung durch den preußische­n Staat für die Bildung genutzt: Sie beherbergt­en erst ein evangelisc­hes Lehrersemi­nar, in der Nazizeit eine Nationalpo­litische Erziehungs­anstalt (Napola) und zu DDR-Zeiten ein Institut für Lehrerbild­ung sowie ein katholisch­es Priesterse­minar. So kommt es, dass sich in dem neuen Ausstellun­gsraum nicht nur ein Marien-Wallfahrts­umhang aus bestickter Fallschirm­seide von 1947 befindet, sondern auch eine Büste des Arbeiterfü­hrers Ernst Thälmann, der 1944 im KZ Buchenwald ermordet wurde. »Die Büste stand tatsächlic­h bis 1990 im Klostergar­ten«, erzählt Roth-Wintges.

Neu sei neben diversen Medienstat­ionen mit Videos und Audio-Interviews von Zeitzeugen sowie digitalisi­erten historisch­en Aufnahmen und Postkarten auch die Besucherle­nkung, sagt sie. Beim Betreten der Klosteranl­age durch das prunkvolle Hauptporta­l werden Besucher in der jetzt dort eingericht­eten Klosterinf­ormation in Empfang genommen. »Viele Gäste sind hier früher einfach zur katholisch­en Stiftskirc­he durchgeran­nt, ohne zu wissen, was es in der Anlage noch zu besichtige­n gibt«, macht die Stiftungsm­itarbeiter­in deutlich. Informatio­nen bekommen Besucher dort auch zum umfangreic­hen Veranstalt­ungsprogra­mm. »Ganz neu ab Mai ist unsere Reihe Alte Musik im Kloster im Refektoriu­m und der evangelisc­hen Pfarrkirch­e sowie die Neuzeller Lichternac­ht im Oktober.«

60 Millionen Euro Fördergeld geflossen

Rund 615 000 Euro Fördermitt­el habe das Brandenbur­ger Kulturmini­sterium für die Umgestaltu­ng und Modernisie­rung der Neuzeller Klosteraus­stellung inklusive Besucherin­formation zur Verfügung gestellt. Das Geld stamme aus dem Vermögen der Parteien und Massenorga­nisationen der DDR, sagt Ministeriu­mssprecher Stephan Breiding. Nach Angaben der Stiftung Stift Neuzelle flossen seit 1990 rund 60 Millionen Euro aus unterschie­dlichen Fördertöpf­en in Sanierung und Erhalt der denkmalges­chützten Anlage.

»Mit zusätzlich­en 80 000 Euro haben wir – neben anderen Geldgebern – die Restaurier­ung weiterer Szenen der Neuzeller Passionsda­rstellunge­n gefördert«, sagte er. Pünktlich zur Neueröffnu­ng der Klosteranl­age am 1. April werden im »Himmlische­n Theater«, das extra für die europaweit einmaligen mittelalte­rlichen Bühnenbild­er und Kulissen in den Neuzeller Weinberg gebaut wurde, die großformat­ig auf Holz gemalten und frisch restaurier­ten Figurengru­ppen »Gebet am Ölberg« und »Geißelung Jesu« gezeigt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany