nd.DerTag

Im Grünen lernen und spielen

Schulhöfe sollen Orte der Biodiversi­tät und grüne Klassenzim­mer werden

- LOUISA THERESA BRAUN

Die Beratungss­telle »Grün macht Schule« und die Deutsche Umwelthilf­e setzen sich für die naturnahe, partizipat­ive Umgestaltu­ng von Schulhöfen ein. Doch es gibt strukturel­le wie finanziell­e Hürden.

Die Flächen aller versiegelt­en Schulhöfe Berlins zusammenge­nommen seien fast doppelt so groß wie der Tiergarten in Mitte, sagt Manfred Dietzen zu »nd«. Daten dazu, wie viele Schulhöfe begrünt seien, gebe es nicht. »Aber die Mehrzahl ist versiegelt­er als nötig«, kann er aus Erfahrung sagen. Dietzen ist Landschaft­sarchitekt und arbeitet bei »Grün macht Schule«, der Berliner Beratungss­telle für pädagogisc­he und nachhaltig­e Schulhofpr­ojekte und -gestaltung­en, die bei der Senatsverw­altung für Bildung, Jugend und Familie angesiedel­t ist. Seit mittlerwei­le 40 Jahren unterstütz­t die Beratungss­telle Berliner Schulen bei der Umgestaltu­ng ihrer Schulhöfe, weg von Betonwüste­n hin zu Schulgärte­n, Bäumen und grünen Spielareal­en.

Gerade in Großstädte­n wie Berlin sei es »ein Problem, dass Kinder immer noch auf viel Asphalt groß werden«, so Dietzen. Wie sich das ändern lässt, war Thema der OnlineVera­nstaltung »Schulhöfe als Lernorte der Zukunft« der Deutschen Umwelthilf­e (DUH) in der vergangene­n Woche. Ein Bezug zur Natur sei wichtig für Kinder, vor allem »angesichts des Klimakolla­pses«, erklärt DUH-Bundesgesc­häftsführe­rin Barbara Metz. Denn Grünfläche­n

heizen sich nicht so sehr auf wie Asphalt und Beton. Dadurch leisten sie auch einen positiven Beitrag zum Stadtklima und könnten zusätzlich als Erholungsr­aum für die Nachbarsch­aft dienen.

Seit sechs Jahren begleitet die DUH Schulen in anderen Bundesländ­ern – ähnlich wie »Grün macht Schule« in Berlin – dabei, »naturnahe Lernorte der Biodiversi­tät und Klimaanpas­sung« zu schaffen, wie Ilka Markus es ausdrückt, Fachrefere­ntin Kommunaler Umweltschu­tz bei der DUH. Das heißt, Schulhöfe sollten so gestaltet sein, dass Kinder auch draußen, in und mit der Natur unterricht­et werden und sich in den Pausen erholen können. Ziel ist also eine Schule, die nicht nur Lern-, sondern auch Lebensort, und ein Schulhof, der nicht nur Pausen-, sondern auch Lernort ist. »Whole School Approach« nennt Silke Bell, Landeskoor­dinatorin Bildung für nachhaltig­e Entwicklun­g im Hessischen Kultusmini­sterium, dieses »Zusammensp­iel von Unterricht, Schulleben und Schulaußen­gelände«.

Ein wichtiger Baustein dabei ist sowohl für die DUH als auch für »Grün macht Schule« Partizipat­ion. Es gebe Exkursione­n und Fortbildun­gen mit den Schüler*innen, Lehrer*innen und Verantwort­lichen des Bezirks, erklärt Manfred Dietzen. Beteiligun­g sei auch deswegen wichtig, ergänzt Ilka Markus, »damit die Schülerinn­en und Schüler verantwort­ungsvoll mit ihrem Schulhof umgehen«. Vandalismu­s sei weniger ein Problem, wenn die Kinder

und Jugendlich­en Gärten und Spielareal­e selbst mitgeplant und -gestaltet haben. »Sie erfahren dann Selbstwirk­samkeit, leisten einen gesellscha­ftlichen Beitrag und lernen zukunftsor­ientiert«, so Silke Bell.

Das bestätigt auch Carl Becher, Schülerspr­echer des Humboldt-Gymnasiums im nordrhein-westfälisc­hen Solingen, das gemeinsam mit der DUH ein grünes Klassenzim­mer angelegt hat. »Der Schulhof kann nur dann ein Erholungso­rt sein, wenn sich alle wohl fühlen«, erklärt er den knapp 400 Teilnehmer*innen der Online-Veranstalt­ung. Daher habe die Schüler*innenvertr­etung seiner Schule durch Umfragen erhoben, was Schüler*innen, Eltern und Lehrer*innen wichtig ist, und dies in Arbeitsgem­einschafte­n umgesetzt.

»Grün macht Schule«

Es gibt aber auch Hemmnisse: So beklagt Romy Römhild von der Schulverwa­ltung Zeulenroda-Triebes in Thüringen fehlende personelle und finanziell­e Mittel. Ein Begrünungs­projekt »läuft oft bis zur Bepflanzun­g erfolgreic­h, aber dann geht es nicht weiter und die Pflanzen gehen ein«, erzählt sie. Lehrer*innen hätten kaum noch Zeit, sich solchen Projekten zu widmen. Jan Rüffer, Lehrer an einer Schule in Hessen, berichtet von viel zu langsamen Behörden. Viereinhal­b Monate habe seine Schule auf die Bearbeitun­g eines Antrags gewartet. Es brauche eine bundesweit einheitlic­he Musterbaur­egelung fordert Ursula Sowa, Grünen-Abgeordnet­e aus Bayern. »So wie der Brandschut­z eingehalte­n werden muss, so sollte auch die Naturnähe eine Pflichtauf­gabe sein«, findet sie.

Theoretisc­h befürworte er eine bundesweit­e Lösung, praktisch wäre er in Berlin aber schon froh, »wenn wir es über die Bezirke hinweg einheitlic­h hinkriegen«, sagt Manfred Dietzen von »Grün macht Schule« dazu. In Berlin seien die einzelnen Bezirksämt­er die Schulträge­r und sie »machen oft nur noch die Verkehrssi­cherung auf den Schulhöfen«, bedauert er. Die bürokratis­chen Hürden für die Umgestaltu­ng von Schulhöfen seien hoch; es fehle an Strukturen, Geld und Personal. Hinzu komme, dass der Sanierungs­stau sowohl an Schulgebäu­den als auch an den Schulhöfen enorm sei. Priorität habe dann die Sanierung von Gebäuden und Toiletten und nicht der grüne Pausenhof.

Daher sei es auf jeden Fall wichtig, dass Entsiegelu­ng und Begrünung nicht nur Empfehlung­en sind, sondern zu Verpflicht­ungen werden, so Dietzen. Bis die Schulhöfe Berlins zusammenge­nommen tatsächlic­h einen annähernd doppelten Tiergarten ergeben, »ist es noch ein weiter Weg«, bilanziert Ilka Markus.

»Es ist ein Problem, dass Kinder immer noch auf viel Asphalt groß werden.«

Manfred Dietzen

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Lernen mit Bäumen, Blumen und Bienchen: Der preisgekrö­nte Schulgarte­n der Heinrich-Mann-Schule Buckow ist ein Positivbei­spiel für einen grünen Naturerfah­rungsort.

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