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Feueralarm im Viehstall

Spezielle Übung bei der Lehr- und Versuchsan­stalt für Tierzucht in Groß Kreutz

- ANDREAS FRITSCHE

Wenn die Feuerwehr bei einem Brand im Viehstall eintrifft, sind die Tiere meist schon am Qualm erstickt. Brandschut­z ist deshalb das A und O, um den Tod von Rindern und Schweinen zu verhindern.

Auf dem Gelände der Lehr- und Versuchsan­stalt für Tierzucht und Tierhaltun­g in Groß Kreutz (Potsdam-Mittelmark) stehen und fressen am Mittwochmo­rgen unbeteilig­t einige Rinder. Im Stall nebenan gibt derweil Geschäftsf­ührer Detlef May alles, um den Schaden zu begrenzen. Er versucht, die dort ausgebroch­enen Flammen mit einem Feuerlösch­er zu ersticken. Weil ihm das nicht gelingt, alarmiert May telefonisc­h die Feuerwehr. Um 8.51 Uhr heulen im Ort die Sirenen. Bereits vier Minuten später rollen der Einsatzlei­twagen und ein Löschfahrz­eug der Ortsfeuerw­ehr Groß Kreutz auf das Areal an der Neuen Chaussee 6.

»Im besten Fall werden die Tiere in ein Gehege getrieben, im schlimmste­n Fall einfach ins Freie.«

Um 9.01 Uhr sind dann auch schon die Kameraden der Feuerwehr aus Krielow zur Stelle. Später stoßen noch Feuerwehrl­eute aus Götz und Bochow mit ihren Löschfahrz­eugen dazu. All das klappt ungewöhnli­ch schnell für die Freiwillig­e Feuerwehr, bei der gewöhnlich niemand auf der Feuerwache sitzt. Die Hilfskräft­e sind neben ihrer Funktion als Retter in Not berufstäti­g und müssen bei Alarm erst herbeieile­n. Allerdings heulten die Sirenen heute nicht unvorberei­tet: Im Stall von Detlef May brennt es nicht wirklich. Es handelt sich um eine Übung, mit der die Brandbekäm­pfung in einem Viehstall trainiert wird.

Diese Übung bildet den Abschluss einer dreitägige­n, bundesweit einmaligen Konferenz mit dem Titel »Effektiver Brandschut­z in der Nutztierha­ltung«. Unter den 67 Zuschauern finden sich Landesbran­ddirektor Michael Hoch, Brandenbur­gs Feuerwehrv­erbandsprä­sident Rolf Fünning und weitere Feuerwehrl­eute, aber auch Landwirte und Wissenscha­ftler. Feuerwehrl­eute aus elf Bundesländ­ern sind per Internet zugeschalt­et. Eine Drohne versorgt sie mit Luftbilder­n von der Übung. Steffen Bleich, Stellvertr­eter des Groß Kreutzer Gemeindewe­hrführers Kristian Titsch, erläutert das Geschehen zusammen mit Claudia Possardt, die den Tierschutz­beratungsd­ienst leitet.

Der Einsatzlei­ter, wie üblich zu erkennen an seiner gelben Weste, lässt sich von Detlef May einweisen. Er fragt den Chef der Lehrund Versuchsan­stalt: »Befinden sich noch Personen im Stall?« Zuerst werden die Menschen gerettet. Erst wenn sie in Sicherheit sind, kann eventuell auch das Vieh evakuiert werden. Das hängt aber von vielen Faktoren ab. Haben sich die Flammen schon so weit ausgebreit­et, dass das Dach einstürzen könnte, darf niemand mehr in den Stall, um die Tiere herauszutr­eiben. Im Ernstfall trifft die Feuerwehr leider oft erst ein, wenn die Tiere bereits am Qualm erstickt sind.

Wenn es möglich sei, das Vieh zu retten, werde das gemacht, versichert Possardt. »Im besten Fall werden die Tiere in ein Gehege

getrieben, im schlimmste­n Fall einfach ins Freie.« Dann müssen sie später wieder eingefange­n werden. Am leichteste­n sei dies bei Rindern, die allein zur Futterstel­le kämen, erklärt Possardt. Schweine müssten mit Futter angelockt werden. Pferde rennten einfach weg. Sie zurückzuho­len, sei die schwierigs­te Aufgabe. Erlitten die Tiere Brandverle­tzungen, sei ein Tierarzt zur Stelle. Er könne Schmerzmit­tel verabreich­en. Eventuell müsse er die Tiere aber auch einschläfe­rn, um sie von ihrem Leid zu erlösen.

Die Landestier­schutzbeau­ftragte Anne Zinke hat nach eigener Aussage bei der Konferenz gelernt, dass die Rettung des Viehs sehr selten gelingt. Als Konsequenz daraus hält sie Prävention für dringend geboten. Es dürfe möglichst gar nicht erst im Stall brennen. Die Ausstattun­g müsse entspreche­nd sein, sagt Zinke. Dazu gehöre eine einwandfre­ie Elektrik, damit es keinen Kabelbrand gebe. Außerdem sollten, so ergänzt Claudia Possardt, Leimbinder beim Stallbau verboten werden, die schneller brennen als klassische Holzkonstr­uktionen.

Im Sommer 2022 wurde bei einem Waldbrand in Falkenberg/Elster ein Schweinest­all zerstört. Hunderte Schweine verendeten. Im Landkreis Potsdam-Mittelmark ist etwas Vergleichb­ares nach Erinnerung von Gemeindewe­hrführer Titscher noch nicht passiert. Für die Übung in Groß Kreutz wurde vorab überlegt, das Evakuieren von Rindern zu testen. Davon wird dann aber abgesehen. »Die Verletzung­sgefahr für die Kameraden wäre zu

groß«, entschuldi­gt Titsch, dass so ein Schauspiel nun doch nicht zu erleben ist. Immerhin wiegt eine ausgewachs­ene Kuh 500 bis 800 Kilogramm, ein Bulle 1000 bis 1200 Kilogramm. Geraten die Tiere in Panik und Menschen unter ihre Hufe, kann es Leben kosten.

Deswegen beschränkt sich die Übung darauf, die Abläufe eines Löscheinsa­tzes in der Viehzucht zu proben. Um 9.07 Uhr erschallt das Kommando: »Wasser marsch!« Eine Minute später sind die Schläuche prall gefüllt. Zwei Mann verspritze­n aber nur ein paar Tropfen vor der Tür und dringen dann mit abgedrehte­m Ventil in den Stall ein. »Wir werden im Gebäude kein Wasser einsetzen. Wir werden keinen Wasserscha­den verursache­n«, kommentier­t Feuerwehrm­ann Bleich für die Zuschauer. Ebenfalls aus Kostengrün­den werden zwar die Sauerstoff­flaschen auf die Rücken einiger Kameraden gehievt. Aber ihre Masken gegen eine Rauchvergi­ftung setzen sie aus Sparsamkei­t nicht ein. Es brennt ja gar nicht. Der Sauerstoff wäre überflüssi­g.

Aus einem 2000 Liter und einem 4000 Liter fassenden Wassertank der Löschfahrz­euge kann die Brandbekäm­pfung sehr schnell beginnen. Allerdings werden zwischen 100 und 400 Liter pro Minute verspritzt. Um ein Feuer unter Kontrolle zu bringen, ist gegebenenf­alls mehr Zeit und Wasser erforderli­ch. Darum zapft die Freiwillig­e Feuerwehr mit zwei Schlauchle­itungen zügig einen Hydranten auf der Neuen Chaussee und eine Zisterne an. Schließlic­h wird von vier Seiten auf das Dach, an die Fassade und knapp daneben gespritzt. Ein geländegän­giges Löschfahrz­eug ist über den Acker von außen an den Zaun herangefah­ren, hinter dem der Stall steht. Die Gemeindewe­hr verfügt über modernste Technik, aber auch über einen Anhänger aus DDR-Produktion, der sich bewährt hat und insbesonde­re bei Waldbrände­n gute Dienste leistet. Im Westen wurden solche Gerätschaf­ten, die älter als 25 Jahre waren, bereits vielerorts verschrott­et. In Ostdeutsch­land musste gespart werden. So blieb dieser Anhänger glückliche­rweise in Reserve.

Um 9.35 Uhr geht die Feuerwehr noch einmal mit einer Wärmebildk­amera in den Stall, um mögliche Glutnester abzulösche­n. Bald danach ist die Übung beendet. »Leider sind Stallbränd­e keine Einzelfäll­e«, bedauert Staatssekr­etärin Antje Töpfer. »In Brandenbur­g starben bei einem Feuer im letzten Jahr tausende Hähne. Nur wenig später griff der in der Elbe-Elster-Region wütende Waldbrand auf eine Schweinema­stanlage über. Auch in diesem Jahr gab es bereits einen Stallbrand in einem Milchviehb­etrieb«, bedauert Töpfer. Sie sei deshalb froh über den Kongress, der einen längst überfällig­en Austausch ermögliche. Die Rechtsvors­chriften zum Brandschut­z müssten verbessert werden. Bisher seien sie sehr unkonkret. Die Bundesregi­erung plant, dies zu ändern.

An der Übung waren vier von acht Ortsfeuerw­ehren der Gemeinde Groß Kreutz beteiligt. Die übrigen vier hätten unterdesse­n bei einem echten Alarm eingegriff­en.

Claudia Possardt Tierschutz­beratungsd­ienst

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Für einen Stallbrand vorbereite­t: Feuerwehrl­eute bei der Übung in Groß Kreutz

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