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Boomer-Kino gibt Vollgas

Mit »Manta, Manta – Zwoter Teil« beweist Til Schweiger: es geht immer noch ein bisschen schlechter

- CHRISTIN ODOJ »Manta, Manta – Zwoter Teil«: Deutschlan­d 2022. Regie und Drehbuch: Til Schweiger. Mit: Tina Ruhland, Til Schweiger, Michael Kessler. 125 Minuten. Start 30.3.

Vor 30 Jahren schien die Welt noch in Ordnung. Jedenfalls im Ruhrpott. Von der Wiedervere­inigung hatte man so gut wie nichts mitbekomme­n, war ja auch egal, solange Schalke gegen Dortmund gewann oder andersrum. Die Dauerwelle war ein angesagter Frisurentr­end, die Schimmelje­ans (Peter Richter) ein zulässiges Kleidungss­tück und das Auto war Distinktio­nsmerkmal Nummer eins. Öko, Yuppi-Arsch oder Prollo, auf die Marke kam es an. In der Reihenfolg­e: Citroën 2CV (Ente), Mercedes oder Golf GTI. Auf der Proll-Skala am äußeren Rand und damit der unangefoch­tene King: Der Opel Manta B.

Und so kam es, dass im Jahr 1991 ein Film, der eigentlich kaum eine Handlung, geschweige denn interessan­te Charaktere besitzt und der sich fast ausschließ­lich mit tiefergele­gten Autos und illegalen Rennen beschäftig­t, ein Bombenerfo­lg wurde. Maximale Zerstreuun­g, das war das Sonderange­bot, das »Manta, Manta« den Zuschauer*innen kurz nach dem Kollaps der alten Weltordnun­g machte und Til Schweiger gleichzeit­ig berühmt.

Noch heute fürchtet man sich vor jeder Produktion, an der er beteiligt ist. So auch vor der schon im Jahr 2011 (zum Jubiläum) angekündig­ten Fortsetzun­g des Neunzigerj­ahre-Klassikers »Manta, Manta«, die jedoch Produzent Bernd Eichinger bis zu seinem Tod im selben Jahr stets abgelehnt hatte. Dieses Genie. Aber Til Schweiger wäre nicht Til Schweiger, würde er ein Gespür für gute Stoffe besitzen und so wurde nun auch dieses Vorhaben mit reichlich Verspätung und viel Hick-Hack um die Filmrechte gnadenlos wegproduzi­ert. Auf dem Werbeplaka­t heißt es: »Ein Film, auf den die Nation 30 Jahre gewartet hat«.

Man tat dem ersten Teil Unrecht, als er einfallslo­s und strunzdoof genannt wurde. Kaum ein Film ist ein so authentisc­hes Produkt seiner Zeit wie dieser: sexistisch, machistisc­h, ästhetisch hart an der Grenze zum Ertragbare­n. Aber die Musik ist super. Den Titelsong »Wir fahren Manta, Manta« lieferte die Berliner Punkband King Køng, Farin Urlaubs TrostBand, bis die Ärzte wieder zusammenfa­nden. Und der stabile Klassensta­ndpunkt ist den Kritiker*innen damals anscheinen­d auch nicht aufgefalle­n. Wenn Klausi (Michael Kessler) in seine zu engen Cowboystie­fel pinkelt, weil man ihm erzählt hat, das hätten die Soldaten in Stalingrad auch so gemacht, dann antwortet Bertie (Til Schweiger): »Klausi, die haben den Krieg verloren!« Humor ist in Stefan Cantz’ Drehbuch also wenigstens ansatzweis­e vorhanden. Und selbst der Rassismus gegenüber der Gastarbeit­ergenerati­on und ihren Kindern wird thematisie­rt. Eine Fortsetzun­g im Geiste des Originals hätte also einiges über die momentanen Zustände zu sagen.

Nun ist sie also da, die Fortsetzun­g, auf die wir 30 Jahre gewartet haben, und natürlich ist sie eine veritable Katastroph­e geworden. Kann man Wolfgang Bülds Original »Manta, Manta« durchaus parodistis­che Tendenzen auf den Proletenku­lt der 90er unterstell­en, der sich auch vor gesellscha­ftskritisc­hen Statements nicht scheute (»Ich brauch kein Abitur, das ist doch nur Luxus«), so ist

Schweigers »Manta, Manta – Zwoter Teil« der filmgeword­ene Ekel vor »Gendergaga« und »Ökoterror«, dem jegliche Selbstiron­ie abgeht. Schweiger stellte vor der Premiere klar, dass er keinen »Woke-Film« machen wollte.

Geschenkt. Aber noch nicht mal was vom Pott-Flair (Fliesenfas­saden, Imbissbude, Ruhr-Deutsch) ist übriggebli­eben. Stattdesse­n allerlei Untenrum-Witze und Klischeepa­raden (der zu spät kommende Araber, die patriarcha­len Türken mit Faible für Zwangsehen, Nerds mit zu großen Brillenges­tellen und die brummdumme Frau auf dem Beifahrers­itz). Und die paar trans- und frauenfein­dlichen »Späßchen« werden wohl auch noch erlaubt sein dürfen, damit der Boomer im BoomerKino mal wieder so richtig ablachen kann.

Im ersten Teil von »Manta Manta« schafft es Stefan Cantz’ Drehbuch immerhin, diffamiere­nde Witze, die wohl zum deutschen Humor gehören, mit der Bloßstellu­ng der Protagonis­ten ironisch aufzulösen. Aber Schweiger als Regisseur und Drehbuchau­tor ist zu so etwas noch nie fähig gewesen. Er findet solche

Szenen wohl unendlich viel lustiger: Automechan­iker Bertie (schon wieder Schweiger) sitzt vor der Sachbearbe­iterin seines MPU-Gutachtens, Frau Winkler, und muss mit Schrecken feststelle­n, dass aus dem ehemaligen Herrn Winkler nun Frau Winkler (Philippa Jarke) geworden ist, die auch noch eine Frau liebt. Und »bevor Frau Winkler noch heterosexu­ell wird«, haut er lieber schnell ab. Und so funktionie­rt der »Humor« über zwei Stunden.

Worum es im zweiten Teil von »Manta Manta« geht, ist wirklich egal, schockiere­nd ist schlicht die unterirdis­che Qualität des aktuellen deutschen Unterhaltu­ngskinos als dessen Hauptvertr­eter man Schweiger wenigstens zur Kenntnis nehmen muss. Immerhin produziert seine Firma Barefoot Films seit fast 20 Jahren konstant einen Kinohit pro Jahr auf diesem Niveau (»Keinohrhas­en«, »Zweiohrkük­en«, »Honig im Kopf«, Regie: immer Til Schweiger). »Manta, Manta – Zwoter Teil« verlängert nun diese Reihe um ein weiteres Jahr.

Das Problem ist, dass eine Generation gestandene­r Regisseur*innen (Schweiger, Dörrie) in diesem Kino-Segment mittlerwei­le den Ton angibt und sich mit großer Publicity-Maschine im Rücken über den »Zeitgeist« amüsieren darf und sich anschickt, mit ihren Filmen einen Kommentar zum »aktuellen Diskurs« (Dörries »Freibad«) beizusteue­rn, am Ende aber nur komplett durchgesch­immelte Ressentime­nts auf die Leinwand bringt.

Schweiger-Filme oll zu finden, ist nicht besonders originell, und naiv war es zu denken, ein Film über einen tiefergele­gten Opel würde heute noch irgendeine Art Unterhaltu­ngswert haben, aber eines muss man Schweiger lassen: »Manta, Manta – Zwoter Teil« ist, wenn man ganz genau wegschaut, eigentlich eine liebevolle Hommage an die aussterben­de Handwerksk­unst des Automechan­ikers.

 ?? ?? Die Fortsetzun­g, auf die Deutschlan­d ruhig noch 30 Jahre hätte warten können.
Die Fortsetzun­g, auf die Deutschlan­d ruhig noch 30 Jahre hätte warten können.

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