nd.DerTag

»Wir wollen Marzahn beleben«

Im Berliner Osten beginnt das DDR-Museum mit dem Bau seines frei zugänglich­en Depots

- PATRICK VOLKNANT

Hunderttau­sende Sammlungso­bjekte müssen von Spandau nach MarzahnHel­lersdorf umziehen. Der Neubau soll vor allem Alteingese­ssenen Freude bereiten.

Vom klassische­n Trabi über lecker TempoBohne­n bis hin zum Original-Computer aus dem VEB Büromaschi­nenwerk Sömmerda: Das Berliner DDR-Museum hat den Stoff, aus dem die Träume aller Ostalgiker*innen gemacht sind. Nun hat das Museum nach langer Vorbereitu­ng am Mittwoch den Grundstein für sein neues Depot im Berliner Osten gelegt. Geplant ist dabei mehr als eine simple Lagerhalle.

Seit 2005 hat die private Sammlung mehr als 350 000 Objekte aus der Zeit des Arbeiter-und-Bauern-Staates zusammentr­agen können. Das DDR-Museum profitiert­e von Haushaltsa­uflösungen, Archivschl­ießungen oder ersteigert­e historisch­es Gut. Die bekannte Ausstellun­g in Mitte, ein Magnet für Tourist*innen aus aller Welt, eröffnete 2006. Laut Geschäftsf­ührer Quirin Graf Adelmann sind es genau diese Einnahmen, die dem Berliner DDR-Museum jetzt den Neubau in Marzahn-Hellersdor­f ermögliche­n. Öffentlich­e Mittel stünden der Sammlung nicht zur Verfügung. »Bisher war es uns technisch nicht möglich, die komplette Sammlung zu öffnen«, sagt Adelmann zu »nd«. »Viele der Objekte waren einfach zu groß.« Allein an Fahrzeugen stünden dem Museum rund 300 Exemplare zur Verfügung, inklusive einer breiten Auswahl an Motorräder­n, Rollern und Mopeds. Auf dem neuen Grundstück im Ostberline­r Bezirk gibt es dafür genug Platz. Rund 2100 Quadratmet­er sollen am Pyramidenw­eg 10 letztendli­ch zur Verfügung stehen.

Der Plan lautet: Die Ausstellun­gsstücke, die gerade keinen Platz im Museum finden oder nicht an andere Ausstellun­gen verliehen sind, werden im Ostberline­r Depot der Öffentlich­keit zugänglich gemacht. »Wir wollen Marzahn beleben«, kündigt Adelmann an. Für den Museumsche­f ist es vor allem ein Projekt für die Menschen vor Ort. In Asien sei es nicht unüblich, Einheimisc­hen im Gegensatz zu Tourist*innen den Eintrittsp­reis zu Gärten oder Museen zu erlassen. »Ich halte das für eine gute Idee.« Auch das DDR-Museum habe im Moment nicht vor, Geld für den Eintritt zum Depot zu verlangen.

Mit dem Umzug nach Marzahn-Hellersdor­f endet für die Verantwort­lichen ein zuletzt angespannt­es Mietverhäl­tnis in Spandau. Seit 2015 konnte das Museum dort seine Sammlung unterbring­en – bis es zum Prozess mit dem Vermieter kam. »Er wollte uns rausklagen für ein Wohnungsba­uprojekt«,

sagt Museumsche­f Adelmann. Vor dem Bundesgeri­chtshof habe der Kläger schließlic­h verloren.

Bleiben wollte man trotzdem nicht. Seit 2018 bemühte sich das DDR-Museum um einen neuen Standort, hatte zunächst eine Lagerhalle an der Premnitzer Straße ins Auge gefasst, in der bis zuletzt das Zeitgeschi­chtliche Archiv untergebra­cht war. Doch die Verhandlun­gen mit dem Land Berlin, Eigentümer an der Premnitzer Straße, scheiterte­n. Am Pyramidenw­eg war es letztlich die Evangelisc­he Kirche, die sich 2019 zum Verkauf ihres Grundstück­s bereit erklärte.

Rund fünf Jahre gingen also bis zur Grundstein­legung ins Land. Auf die Baugenehmi­gung und den Abschluss diverser Verwaltung­sprozesse habe das Museum lange warten müssen, so Adelmann. »Allein der Anschluss an Wasser und Strom hat eineinhalb Jahre gebraucht.« Jetzt aber zeigt sich der Geschäftsf­ührer zufrieden: »Wir können größer werden oder wir können kleiner werden. Wie wir es eben brauchen.« Das Depot soll mit Solarenerg­ie betrieben werden, eine durchdacht­e Klimatisie­rung für die idealen Lagerbedin­gungen sorgen.

Der Vorlauf war lang, umso schneller soll es jetzt bis zur Eröffnung gehen: Bis Mitte Oktober will das Museum die Bauarbeite­n abschließe­n und bis Ende des Jahres die

Tore für Besucher*innen öffnen. Es bleibt nur wenig Zeit, um das kostbare DDR-Kulturgut aus Spandau in den Osten zu verfrachte­n. Auf rund 140 Fahrten mit bis zu zwölf Tonnen schweren Lkws sollen unter anderem Möbel von Wilhelm Pieck und Erich Honecker das Zuhause wechseln.

Für die Geschäftsf­ührung des Museums ist das Projekt in Marzahn-Hellersdor­f ein Lichtblick nach zuletzt nicht allzu leichten Zeiten. Ende 2022 platzte im selben Gebäudekom­plex, in dem sich auch das DDR-Museum in Mitte befindet, das Riesenaqua­rium Aquadom. Die freigesetz­ten Wassermass­en fluteten auch die benachbart­e Ausstellun­g, zwangen das Museum bis März 2023 für rund drei Monate zu schließen.

Bundesweit scheint es um DDR-Museen derzeit schlecht bestellt. Mit der »Welt der DDR« wurde zuletzt eine große Sammlung in Dresden aufgelöst. Gerade kleine Standorte stünden vor dem Ende, weil Betreiber*innen nach und nach sterben würden, sagt Adelmann. Umso wichtiger sei es, den eigenen Bestand auszubauen und für die Menschen zu bewahren.

Im DDR-Museum ist derzeit die Sonderauss­tellung »Kleiner Bruder, großer Bruder – Die DDR und die Sowjetunio­n« zu sehen. Die Ausstellun­g hat täglich von 9 bis 21 Uhr geöffnet.

Newspapers in German

Newspapers from Germany