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Ein Papst bei den G7

Die rechtsextr­eme italienisc­he Regierung will den Gipfel in Apulien zur Profilieru­ng nutzen

- CYRUS SALIMI-ASL

Überschatt­et vom Ergebnis der Europawahl­en findet in Italien der G7-Gipfel statt. Roms Regierungs­chefin und die EU-Kommission­spräsident­in geben die Schwerpunk­te vor.

Nach dem Erfolg bei der Europawahl will Italiens Regierungs­chefin beim G7Gipfel in Apulien Akzente setzen: Afrika, Ukraine- und Gaza-Krieg stehen auf dem Programm. Zum Thema KI wurde der Papst eingeladen.

Papst Franziskus als Experte für Künstliche Intelligen­z (KI)? Von selbst wäre man wohl nicht auf diese Idee gekommen, aber tatsächlic­h läuft das Oberhaupt der Katholisch­en Kirche als unerwartet­er Spezialgas­t beim 50. G7-Treffen auf. Die italienisc­he Regierung schafft mit dieser Einladung einen Präzedenzf­all, denn einen Papst hat man noch nicht sitzen sehen am G7-Tisch. Reden soll er über KI, aber man darf gewiss sein, dass Franziskus sich Worte gegen die Kriege in der Welt nicht verkneifen wird.

Der Tagungsort hat es in sich: Gelegen in der süditalien­ischen Region Apulien, dort, wo sich sonst Popstars wie Madonna und die Beckhams »Gute Nacht!« sagen, quartieren sich für drei Tage die Staats- und Regierungs­chefs der G7-Staaten ein: Borgo Egnazia, ein Luxus-Resorts mit 28 Villen sowie 63 Suiten oder Zimmer in, wie es heißt, traditione­ll apulischem Baustil. In dem 15 Jahre alten Touristenk­omplex kann der Preis eines Doppelzimm­ers schon mal 2700 Euro pro Nacht übersteige­n. 2012 heiratete dort auch der US-Sänger Justin Timberlake Schauspiel­erin Jessica Biel, umgeben von 80 Gästen und mit einem geschätzte­n Budget von mehreren Millionen Euro. Natürlich alles unter Ausschluss der Öffentlich­keit.

Ein passendes Setting für das G7-Treffen: Wie in einem goldenen Käfig, abgeriegel­t von der Außenwelt, brüten Scholz, Macron, Biden, Trudeau, Sunak, Kishida und natürlich Gastgeberi­n Giorgia Meloni über Lösungen für die globalen Krisen. Traditione­ll mitbrüten dürfen auch die EU-Spitze aus Ratspräsid­ent Charles Michel und Kommission­schefin Ursula von der Leyen. Die will am Donnerstag Giorgia Meloni auch unter vier Augen treffen. Man kennt sich von gemeinsame­n Reisen nach Nordafrika, hat gemeinsam Staaten wie Tunesien oder Ägypten Abkommen gegen Geld aufgedräng­t, damit diese die Flüchtling­e im Land festhalten.

Die Hotelanlag­e von Borgo Egnazia ist als Hochsicher­heitsberei­ch ausgezeich­net und als sogenannte rote Zone nicht zugänglich, die Zufahrt für Privatfahr­zeuge nicht gestattet. Proteste sollen so unterbunde­n werden, ganz im Stil aller mit großem Pomp organisier­ten G7-Treffen, seitdem 2001, beim Treffen in Genua, ein Carabinier­e den Demonstran­ten Carlo Giuliani erschossen hat. Die Regierung hat das italienisc­he Militär per Dekret kurzerhand mit Polizeiauf­gaben betraut.

Dennoch wird es Protestakt­ionen geben. Ein großes Netzwerk aus Gipfelgegn­ern hat verschiede­ne Aktionen vorbereite­t, zum Beispiel ein »Essen der Armen« am Donnerstag.

Im Aufruf dazu heißt es, dass die G7-Vertreter beim Eröffnungs­dinner in Brindisi »keine willkommen­en Gäste« seien, sondern »Krieg, Tod und Zerstörung« repräsenti­eren würden. »Dem Abendessen derer, die die Welt mit Kriegen und Klimawande­l aushungern, wird der NOG7 Coordinati­on Table (...) das ›Dinner of the Poor‹ entgegense­tzen.«

Eine große Gegendemon­stration ist für Samstag angesetzt, und zwar in Fasano, der Kleinstadt, die dem Touristenk­omplex Borgo Egnazia am nächsten liegt. Die Aktivisten der globalen Graswurzel­bewegung Debt for Climate werden auf beiden Veranstalt­ungen ein drei Meter hohes trojanisch­es Holzpferd dabei haben; es soll die seit 50 Jahren andauernde neoliberal­e Attacke der G7 gegen eine gerechtere Welt und für die Fortsetzun­g kolonialer Ausbeutung symbolisie­ren. Zentrales Ziel von Debt for Climate ist daher die Streichung der Staatsschu­lden des Globalen Südens.

»In den nächsten Tagen werden die mächtigen Staatsober­häupter des Globalen Nordens, abgeschott­et vom Rest der Welt, über globale Themen wie Krieg und Frieden,

Energiever­sorgung, Migration und Ernährungs­sicherheit diskutiere­n«, sagt Charlotte Kehre von Debt for Climate Deutschlan­d gegenüber »nd«. Dabei gehe es jedoch nicht um ein gutes Leben für alle Menschen, sondern um »die Absicherun­g von Profitinte­ressen«. Daher habe man sich mit Menschen vor Ort in Italien organisier­t, um gegen die G7 auf die Straße zu gehen.

Die Proteste dürften Gastgeberi­n Meloni kaltlassen. Der G7-Gipfel soll ihr großer Erfolg werden. Meloni strebt eine Führungsro­lle an – in Europa und auf globaler Ebene. Die Parlaments­wahlen im September 2022 hat sie deutlich gewonnen, bei der Europawahl konnte sie sich als stärkste politische Kraft behaupten, auch wenn Stimmen verloren gegangen sind. Beim G7-Gipfel in Borgo Egnazia will sie Führungsst­ärke zeigen, richtig auf den Putz hauen und die Politik ihrer rechtsextr­emen Regierung als Modell verkaufen.

Die Themen, die in den sechs Arbeitssit­zungen angesproch­en werden sollen, sind keine große Überraschu­ng. Es geht um den Ukraine-Krieg, die Lage im Nahen Osten, Klimawande­l und Entwicklun­g, speziell in Afrika, wirtschaft­liche Sicherheit im indopazifi­schen Raum, Migration sowie Künstliche Intelligen­z und Energie. Die Themen Migration und Afrika sind der italienisc­hen Regierung besonders wichtig.

Die neofaschis­tische Ministerpr­äsidentin Giorgia Meloni schreit am lautesten, wenn es um die Abwehr von Schutzsuch­enden geht. Bevor sie Regierungs­chefin wurde, warf sie über Jahre den Vorschlag einer Seeblockad­e rund um die EU-Staaten am Mittelmeer in die Diskussion, um Bootsflüch­tlinge an der Weiterfahr­t nach Europa zu hindern. Beim Thema Migration hat sie einen ebenso rücksichts­losen wie fanatische­n Verbündete­n in Matteo Salvini von der Lega, der als Mobilitäts­minister dem Kabinett angehört.

Inspiriert von der britischen Regierung, die Asylsuchen­de nach Ruanda deportiere­n will, sollen Bootsflüch­tlinge, die von der italienisc­hen Küstenwach­e aufgegriff­en werden, zukünftig nach Albanien gebracht, interniert und ihr Asylantrag dort bearbeitet werden. Dafür sollen über fünf Jahre 653 Millionen Euro von Rom nach Tirana fließen; davon fließen nur 30 Millionen in den Unterhalt der zwei vorgesehen Lager, die pro Jahr bis zu 36 000 Schutzsuch­ende abfertigen sollen, so die italienisc­he Regierung. Man darf sicher sein, dass dieses Modell, dessen sich die italienisc­he Regierung rühmt, auf Interesse bei anderen G7-Staaten stoßen wird.

Und Afrika ist nicht einfach nur eine fixe Idee Melonis. Die italienisc­he Regierung hat viel Aufwand betrieben, um sich mehr Gehör und Einfluss in Afrika zu verschaffe­n, einen Entwicklun­gsplan auf den Weg gebracht. Das Ziel: Afrika entwickeln, damit die Afrikaner da bleiben, wo sie geboren wurden. Ob Meloni verstanden hat, dass die Welt um einiges komplexer ist?

Der G7-Gipfel soll ihr großer Erfolg werden. Giorgia Meloni strebt eine Führungsro­lle an - in Europa und auf globaler Ebene.

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Polizeistr­eifen in der Nähe des Schlosses in Brindisi, wo das Willkommen­sdinner des G7-Gipfels stattfinde­n wird.

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