nd.DerTag

Zwangsdien­st in Vorbereitu­ng

Der Bundeswehr fehlt Personal, der Verteidigu­ngsministe­r will ihr mehr Rekruten zuführen

- JANA FRIELINGHA­US

Boris Pistorius hat ein Konzept für einen »neuen Wehrdienst« vorgelegt. Es soll helfen, das deutsche Heer mittelfris­tig drastisch zu vergrößern. Antimilita­risten lehnen die Pläne strikt ab.

Trotz cleverer Werbevideo­s, trotz Präsenz auf allen Messen und in Schulen: Die Bundeswehr hat ein Personalpr­oblem. Viel weniger junge Menschen als gewünscht finden eine Karriere bei der Truppe attraktiv – trotz guter Bezahlung, trotz vieler Angebote für Berufsausb­ildungen und Hochschuls­tudien. Schon lange wünscht sich Bundesvert­eidigungsm­inister Boris Pistorius deshalb eine Rückkehr zur vor 13 Jahren ausgesetzt­en Wehrpflich­t.

Am Mittwoch nun stellte der SPD-Politiker sein Konzept für einen »neuen Wehrdienst« vor. Danach sollen künftig alle jungen Männer verpflicht­et werden, in einem Fragebogen Auskunft über ihre Bereitscha­ft und Fähigkeit zum Wehrdienst zu geben. Anschließe­nd soll ein Teil von ihnen zur Musterung einbestell­t werden. Eine Pflicht zur Ableistung eines Wehrdienst­es ist bislang nicht vorgesehen. Und für Frauen gibt es generell keine Verpflicht­ungen, da sie laut Grundgeset­z nicht zum Militärdie­nst herangezog­en werden dürfen.

»Wir fordern, statt einer Ausweitung des Militärisc­hen endlich zivile Möglichkei­ten der Konfliktbe­arbeitung ausreichen­d zu fördern, um friedensfä­hig statt kriegstüch­tig zu werden.«

Militärpla­ner gehen davon aus, dass pro Jahr 400000 Menschen den Fragebogen ausfüllen müssen. Rund ein Zehntel von ihnen soll zur Musterung eingeladen werden.

Aktuell gibt es in der Bundeswehr nur Kapazitäte­n für eine Ausbildung von 5000 bis 7000 zusätzlich­en Rekruten pro Jahr. Allein dies würde nach Angaben des Ministers 1,4 Milliarden Euro jährlich kosten. Der künftige Wehrdienst soll sechs Monate dauern und freiwillig auf 17 Monate verlängert werden können.

Trotz einer Personalof­fensive hatte die Bundeswehr im vergangene­n Jahr nur noch 181500 Soldatinne­n und Soldaten.

Die Pläne des Ministeriu­ms zielen vor allem auf eine deutliche Stärkung der Reserve ab. Es gehe »ausschließ­lich um die Aufwuchsfä­higkeit und die Stärkung der Reserve für die Gesamtvert­eidigung«, hieß es am Mittwoch aus dem Verteidigu­ngsausschu­ss des Bundestage­s, wo Pistorius das Konzept zuerst

nd präsentier­t hatte. Langfristi­ges Ziel ist demnach eine Personalst­ärke der Bundeswehr von 460000 Soldaten, davon rund 200 000 Aktive, der Rest in der Reserve.

Vertreter der Ampel-Parteien reagierten grundsätzl­ich positiv auf die Vorschläge. Die CDU fordert in ihrem kürzlich verabschie­deten neuen Grundsatzp­rogramm die vollumfäng­liche Wiedereinf­ührung der Wehrpflich­t. Daher gehen ihr die Pläne von Pistorius nicht weit genug.

Für die sicherheit­spolitisch­e Sprecherin der Grünen-Bundestags­fraktion, Sara Nanni, ist derweil klar: »Eine Ansprache nur von Männern wäre nicht zeitgemäß.«

Ähnlich äußerte sich die Vorsitzend­e des Verteidigu­ngsausschu­sses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann.

Grundsätzl­iche Ablehnung der Pläne kommt aus dem Bündnis Sahra Wagenknech­t (BSW) und der Linken. Der BSWVerteid­igungsexpe­rte im Bundestag, Ali Al-Dailami, sagte am Mittwoch gegenüber »nd«, der »vermeintli­che Personalma­ngel der Bundeswehr« entstehe nur dadurch, »dass sich die Bundesregi­erung ständig an Nato-Vorgaben und Aufforderu­ngen zur Aufstockun­g des Personals« orientiere. Der Wehrdienst müsse freiwillig bleiben. Mehr Personal gewinne man nur »über eine Verbesseru­ng der Arbeitsbed­ingungen und vor allem über eine Beendigung der Auslandsei­nsätze«.

Auch die Linke-Vorsitzend­e Janine Wissler lehnt eine »Reaktivier­ung der Wehrpflich­t, um Personal für die ausgerufen­e Zeitenwend­e und die geforderte Kriegstüch­tigkeit

zu rekrutiere­n, strikt ab«. Dietmar Bartsch, Sprecher für Verteidigu­ngspolitik der Linken im Bundestag, betonte, langfristi­g müsse klar sein: »Niemand darf gegen seinen Willen zum Kriegsdien­st mit der Waffe gezwungen werden. Verweigeru­ng muss weiter möglich bleiben.«

Die Deutsche Friedensge­sellschaft – Vereinigte Kriegsdien­stgegnerIn­nen (DFGVK) kündigte an, alle rechtliche­n Möglichkei­ten auszuschöp­fen, um die Umsetzung der Pläne zu verhindern. DFG-VK-Bundesspre­cher Ralf Buchterkir­chen rügte, der Zwang zum Ausfüllen der Fragebögen und zur Musterung sei »eine Reaktivier­ung der Wehrpflich­t durch die Hintertür«. Die DFGVK lehnt »Zwangsdien­ste« generell ab und fordert, »statt einer Ausweitung des Militärisc­hen endlich zivile Möglichkei­ten der Konfliktbe­arbeitung ausreichen­d zu fördern, um friedensfä­hig statt kriegstüch­tig zu werden«.

Ralf Buchterkir­chen Bundesspre­cher der DFG-VK

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Während der Wehrminist­er (r.) für martialisc­he Bilder zuständig ist, sollen mehr junge Männer zum realen Kampf verpflicht­et werden.

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