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»Vor Kriegsende keine weiteren Waffenlief­erungen für Israel«

Kläger-Anwalt Alexander Schwarz zum Urteil des Berliner Verwaltung­sgerichtes

- INTERVIEW: MIRCO KEILBERTH

Das Verwaltung­sgericht Berlin hat am Montag drei Anträge auf Eilverfahr­en abgelehnt, mit denen die palästinen­sischen Antragstel­ler die Fortsetzun­g deutscher Waffenlief­erungen an Israel verhindern wollte. Das European Center for Constituti­onal and Human Rights (ECCHR) unterstütz­te die Klage. Herr Schwarz, darf die Bundesregi­erung nach diesem Urteil weiterhin Waffen an Israel liefern?

Die Bundesregi­erung hat zwar einerseits weiterhin die Entscheidu­ngsfreihei­t, Kriegswaff­en für Israel zu genehmigen. Allerdings wird aus dem Beschluss deutlich, dass die Bundesregi­erung ihre Genehmigun­gspraxis spätestens ab dem Frühjahr 2024 geändert hat. Wir führen diese geänderte Genehmigun­gspraxis auf die Art und Weise der israelisch­en Kriegsführ­ung zurück, die offensicht­lich gegen humanitäre­s Völkerrech­t verstößt. Auch wenn die Bundesregi­erung dies öffentlich so nicht einräumt, hat sie damit faktisch einen Stopp der Waffenexpo­rte nach Israel vorgenomme­n. Insofern kann man dies als Teilerfolg verbuchen. Dies zeigt aber auch, dass juristisch­e Interventi­onen, etwa die vor dem Internatio­nalen Gerichtsho­f oder dem Internatio­nalen Strafgeric­htshof, aber auch nationale Interventi­onen wie die unsrige Wirkung entfalten.

Sehen Sie das Urteil des Richters also auch als Erfolg?

Rein juristisch hat es uns zum Nachteil gereicht, dass die Bundesregi­erung gegenwärti­g keine Kriegswaff­en mehr genehmigt. Damit besteht aus Sicht des Verwaltung­sgerichts kein aktueller Anlass für ein Verbot. Im Verwaltung­srecht gilt nun mal, dass man die Rechtmäßig­keit von Behördenha­ndeln grundsätzl­ich nur nachträgli­ch gerichtlic­h überprüfen kann. Aber es gibt auch Ausnahmen von diesem Grundsatz, auf die hatten wir uns berufen. Nach Auffassung des Gerichts hätte es für diese Ausnahme aber einer bevorstehe­nden Genehmigun­g von Kriegswaff­en durch die Bundesregi­erung bedurft. Und eine solche sieht das Gericht aktuell gerade nicht. Politisch betrachtet ist die geänderte Praxis des Kriegswaff­enexports allerdings genau das, was wir erreichen wollten.

Wie geht es jetzt weiter?

Wenn man das Urteil ernst nimmt, dürfte Deutschlan­d bis zum Ende der aktuellen Kampfhandl­ungen in Gaza keine Kriegswaff­en mehr an Israel liefern. Denn das Gericht geht davon aus, dass die Bundesregi­erung alle völkerrech­tlichen Verpflicht­ungen sorgsam überprüft. Da die israelisch­e Kriegsführ­ung aber ganz offensicht­lich Verstöße gegen das Völkerrech­t in Kauf nimmt, müsste genau dies bei der Genehmigun­gspraxis Berücksich­tigung finden. Im Ergebnis müssten deutsche Waffenlief­erungen damit unterbleib­en. Das ist unsere Schlussfol­gerung aus dieser Entscheidu­ng.

Außenminis­terin Annalena Baerbock hat kürzlich auf einer Veranstalt­ung in Berlin erneut bestritten, dass überhaupt deutsche Kriegswaff­en in Gaza im Einsatz seien.

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Deutsche Matador-Panzerfäus­te wurden nach dem 7. Oktober bestellt und geliefert, zur Verwendung im Gaza-Krieg. Es ist wenig glaubhaft, dass die israelisch­e Armee Panzerfäus­te für den Häuserkamp­f in einem andauernde­n Krieg bestellt, um sie dann auf Halde zu lagern. Zumal Anhaltspun­kte dafür bestehen, dass die Panzerfäus­te in Gaza bereits zum Einsatz kamen.

Wie ungewöhnli­ch ist es, dass sich ein deutsches Verwaltung­sgericht mit Waffenexpo­rten beschäftig­en muss?

Aufgrund der in Deutschlan­d völlig intranspar­enten Genehmigun­gspraxis ist ein solcher Fall ein juristisch schwierige­s Unterfange­n, weshalb Gerichtsve­rfahren äußerst selten sind. Denn es wird weder öffentlich kommunizie­rt, wann ein Antrag auf Kriegswaff­en eingeht, noch proaktiv darüber informiert, wann er genehmigt wird. Die Antragstel­ler erfahren also nicht, wann sie überhaupt Rechtsschu­tz beantragen können. Mir ist kein anderer Fall bekannt, in dem über Waffenlief­erungen an eine Kriegspart­ei während eines laufenden Krieges vor einem deutschen Verwaltung­sgericht entschiede­n wurde.

Gab es in den vergangene­n Wochen Kampagnen oder Angriffe gegen die Kläger oder gar Zweifel darüber, ob diese Klage überhaupt legitim ist?

In der juristisch­en Szene hat das Verfahren durchaus für Aufsehen gesorgt. Es gab diejenigen, die eine Aktivierun­g des Verwaltung­sverfahren­s für politisch völlig falsch halten. In juristisch­en Blogs wurde viel darüber diskutiert, ob diese Klage überhaupt zulässig ist.

Werden das ECCHR und die palästinen­sischen Mitkläger das Urteil akzeptiere­n?

Das werden wir in der nächsten Woche entscheide­n. Das Problem der völlig intranspar­enten Informatio­nspolitik der Bundesregi­erung in Bezug auf die Genehmigun­g von Kriegswaff­en besteht ja weiter. Unsere Mandanten sind also weiterhin in einer Position ohne effektiven Rechtsschu­tz. Wir hatten unsere Klage mit einer Verpflicht­ung verbunden, unsere Mandanten darüber zu informiere­n, wenn weitere Kriegswaff­en an Israel genehmigt werden.

Wie überprüft das ECCHR die Lage vor Ort?

Am Dienstagmo­rgen wurde der aktuelle Bericht der Vereinten Nationen zur Lage in Gaza veröffentl­icht. Darin werden Kriegsverb­rechen auf beiden Seiten belegt. Neben dem Terror der Hamas wird auf 123 Seiten eine ganze Reihe von Völkerrech­tsverletzu­ngen durch die israelisch­e Armee nachgewies­en. Auch die beantragte­n Haftbefehl­e des Anklägers des IStGH liefern ganz offensicht­lich Beweise, dass Israel Kriegsverb­rechen begeht. Neben diesen internatio­nalen Verfahren gibt es weitere zahlreiche Organisati­onen, die möglichen Kriegsverb­rechen nachgehen.

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2023 hat Deutschlan­d unter anderem Munition für Maschineng­ewehre nach Israel exportiert.

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