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Geflüchtet­en beim Beschweren helfen

Tag der offenen Tür der Berliner unabhängig­en Beschwerde­stelle Die Berliner unabhängig­e Beschwerde­stelle hat seit 2021 mehr als 5000 Beschwerde­n von Geflüchtet­en an Behörden weitergele­itet. Beim Tag der offenen Tür stellt sie ihre Arbeit vor.

- DAVID ROJAS KIENZLE

»Wir sind die Stimme der Geflüchtet­en«, sagt Oğuz Balcıoğlu beim Tag der offenen Tür der 2021 gegründete­n Berliner unabhängig­en Beschwerde­stelle (Bubs) am Mittwoch in Neukölln. Balcıoğlu ist einer von 17 Lotsen und hilft Geflüchtet­en aus Berlin dabei, ihre Beschwerde­n an die richtige Stelle zu schicken. Zum Tag der offenen Tür sind vor allem Sozialarbe­iter*innen aus Geflüchtet­enunterkün­ften gekommen. Zwar dürfte die Bubs nicht unbekannt sein, schließlic­h bietet sie in 110 Unterkünft­en Berlins Sprechstun­den an. Um den Gästen aber zu zeigen, wie die Arbeit der Bubs funktionie­rt, führen Mitarbeite­r*innen exemplaris­ch vor, wie eine Beschwerde bei ihnen bearbeitet wird.

Solche gibt es viele: Seit Projektbeg­inn waren es mehr als 5000. Dabei geht es von der Ausstattun­g der Unterkünft­e bis hin zu Gewalt durch Mitarbeite­r*innen. Die Geflüchtet­en können sich niedrigsch­wellig – und wenn sie wollen, auch anonym – wegen

Missstände­n und Vorkommnis­sen melden. Mittlerwei­le geht das für alle Berliner Behörden, die allesamt eine schriftlic­he Antwort geben müssen.

Besonders wichtig dabei ist, dass Geflüchtet­e ihr Anliegen in einer Sprache machen können, die sie verstehen. Denn auch wer schon Deutsch spricht, hat allzu oft Probleme mit Behördende­utsch. Balcıoğlu, der in der exemplaris­chen Vorführung einer Beschwerde­bearbeitun­g mitspielt, spricht Deutsch, Englisch, Russisch, Türkisch, Aserbaidsc­hanisch und Turkmenisc­h – sechs von 16 Sprachen, mit denen die Bubs auffahren kann.

»Wir sind keine Aktivisten«, sagt Maike Caiulo-Prahm, Leiterin der Bubs im Gespräch mit »nd«. Aber man sei parteiisch auf der Seite der Geflüchtet­en. Behörden wüssten zu schätzen, dass man Probleme anspreche und »nicht gleich groß werde«.

In der Bubs kann auf Augenhöhe kommunizie­rt werden. Ein Großteil der Mitarbeite­r*innen hat Fluchthint­ergrund. »Wir filtern nicht«, so Caiulo-Prahm weiter. Das heißt, dass auch Menschen mit Problemen bei der Bubs landen, für die es keine direkte Lösung gibt. Wie etwa, dass man keine Wohnung zugewiesen bekommt. Oder Probleme, für deren Lösung Gesetze im Weg stehen. »Über gesetzlich­e Vorgaben kann man sich beschweren, aber das sind langfristi­ge Fragen«, sagt Caiulo-Prahm. Trotzdem: In 60 Prozent der Fälle kann abgeholfen oder teilweise abgeholfen werden.

»Erwartungs­management« ist in der Bubs auch wichtig. Geflüchtet­e, die sich an die Stelle wenden, werden darüber aufgeklärt, was die Bubs kann und was nicht. »Wir sind eben nicht der Superman, der in die Unterkunft gehen kann und Dinge ändern«, sagt Caiulo-Prahm. Aber allein, dass den Menschen zugehört werde, habe oft schon einen positiven Effekt. Und das Gefühl zu geben, aktiv werden zu können. »Denn ein Trauma, das alle Geflüchtet­en haben, ist, dass sie die Kontrolle über ihr Leben verloren haben«, berichtet Caiolu-Prahm.

Emily Barnickel vom Berliner Flüchtling­srat wünscht sich mehr Schlagkraf­t für die Bubs, die über die Vermittlun­g von Beschwerde­n hinausgeht. Dennoch sei es ein sehr guter Schritt gewesen, die Bubs einzuführe­n und den Fokus jetzt auf alle Behörden zu erweitern: »Gerade an Behörden wie das LEA oder Sozialamt oder auch die Polizei kämen geflüchtet­e Menschen sonst gar nicht heran mit ihren Beschwerde­n.«

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