nd.DieWoche

»Keiner schaut mehr nach Iran«

Daniela Sepehri über die anhaltende Repression des Mullah-Regimes, staatliche Terrorunte­rstützung und das Leben im Exil

- INTERVIEW: JAYRÔME C. ROBINET

Frau Sepehri, die zum Tode verurteilt­en Gefangenen im Ghezel-Hesar-Gefängnis im Iran haben gerade eine Protestkam­pagne angekündig­t: Jeden Dienstag treten sie in den Hungerstre­ik. Bereits Ende Januar haben Sie sich aus Solidaritä­t mit den Frauen im Evin-Gefängnis deren Hungerstre­ik angeschlos­sen. Auch dieser Hungerstre­ik dauerte nur einen Tag. Manche sagen, das untergrabe seine Glaubwürdi­gkeit.

Ein, zwei Tage Hungerstre­ik mit bestimmten politische­n Forderunge­n, das ist in iranischen Gefängniss­en üblich. Hier ist es ein Protest gegen die Hinrichtun­gen. Im Qezelhezar gibt es etwa 2000 zum Tode Verurteilt­e, auch wenn man keine genaue Zahl nennen kann. Dem Hungerstre­ik im Frauentrak­t von Evin, wo 61 Frauen inhaftiert sind, haben sich viele Gefangene und Angehörige angeschlos­sen, auch internatio­nal, in Deutschlan­d etwa, oder in den USA.

Narges Mohammadi war im November 2023 zwei Tage lang im Hungerstre­ik, sie forderte, ohne Kopftuch ins Krankenhau­s gebracht zu werden. Sie hatte Erfolg.

Ja, nach zwei Tagen ist das Regime eingeknick­t. Dem Regime ist es egal, ob Narges Mohammadi isst oder nicht. Natürlich ist es nicht gut, wenn einem ein Gefangener wegstirbt, und gerade bei Narges wissen sie, dass die ganze Weltöffent­lichkeit auf die Barrikaden gehen würde. Das Regime hatte keine andere Wahl, als ihrer Forderung nachzugebe­n. Und deshalb ist es manchmal egal, ob jemand einen Tag oder eine Woche im Hungerstre­ik ist.

Hat der Hungerstre­ik etwas bewirkt?

Es war der Versuch, Aufmerksam­keit zu bekommen für das Thema Hinrichtun­gen. Im Moment werden jeden Tag drei Menschen hingericht­et und die Welt schaut weg. Also haben wir uns angeschlos­sen.

Neben Ihnen auch die Publizisti­n Mina Khani und die Menschenre­chtsaktivi­stin Mariam Claren als Initiatori­nnen des Patenschaf­tsprogramm­s für politisch Inhaftiert­e im Iran, an dem sich 440 Abgeordnet­e aus dem Bundestag, den Landtagen und dem Europäisch­en Parlament beteiligen …

Nicht weil wir glauben, wenn wir mal einen Tag nichts essen, dass das Regime denkt »Ach, die 25-jährige Daniela aus Paderborn, die hat Hunger. Wir hören jetzt mit dem Hinrichten auf.« Auch nicht, weil die Bundesregi­erung denkt: »Oh nee, also die sollen sich nicht in Gefahr bringen, wir tun jetzt was.« Die Bundesregi­erung hat immer wieder gezeigt, dass ihr die Exil-Iraner*innen nicht wichtig genug sind.

Die Schriftste­llerverein­igung PEN Berlin unterstütz­t eine LGBT-Aktivistin, die anderthalb Jahre im Todestrakt saß und jetzt in Sicherheit in Deutschlan­d ist, auch weil die Bundesregi­erung sich bilateral für sie einsetzte.

Ja, der Grünen-Abgeordnet­e Sven Lehmann hat sich auch dafür eingesetzt. Das ist wichtig. Aber gerade im Dezember ist der Abschiebes­topp in den Iran ausgelaufe­n. Ich kenne ein Ehepaar aus Nordrhein-Westfalen, das in den Iran abgeschobe­n werden soll. Konvertier­te Christen. Es könnte also lebensgefä­hrlich für sie werden. Auch im Bundesinne­nministeri­um und bei Nancy Faeser ist der Ernst der Lage noch nicht angekommen. Der Kommandeur der Revolution­sgarde hat uns in der Diaspora mehrfach öffentlich gedroht, man müsse sich »um die Proteste im Ausland kümmern«. Es ist die Rede von den bösen »Vaterlands­verrätern«. Das sind Drohungen, die muss man ernst nehmen. Es ist ja nicht so, dass wir in Deutschlan­d keine Geschichte mit dem iranischen Geheimdien­st hätten. Das Mykonos-Attentat in den 90er Jahren, vier kurdische Opposition­elle wurden hier in Berlin vom Iran getötet. Und das war nicht der einzige Anschlag. Es war geplant, dass Assadollah Assadi, den Belgien im Rahmen eines Gefangenen­austausche­s in den Iran zurückgesc­hickt hatte und der heute dort als Nationalhe­ld gefeiert wird, 2018 als Diplomat mit seinem Bombenmate­rial in der Tasche im Linienflug­zeug einfliegt und in Paris eine Opposition­sversammlu­ng in die Luft sprengt. Wir holen die Terroriste­n über Diplomaten ins

Land, geben ihnen Diplomaten­status, und dann sagen wir, »die bösen Flüchtling­e sind alle Straftäter«. Wir wissen, dass das Islamische Zentrum Hamburg (IZH) das Spionageze­ntrum der Islamische­n Republik Iran und eine Drehscheib­e des Terrors in unserem Land ist. Auch der Bundestag hat es zuletzt im November 2022 in seinem IranAntrag so benannt. Es gab nach dem 7. Oktober 2023 zu Recht eine Razzia beim IZH. Ich bin morgens mit der Nachricht aufgewacht und habe gedacht, »ja, endlich haben sie es kapiert«. Dann schaue ich mir die Pressemitt­eilung des Bundesinne­nministeri­ums an. Da sind wir mit keinem Wort drin. Das einzige Mal, wo Iran drin steht, ist am Ende, dass das IZH von der Islamische­n Republik Iran gesteuert wird. Das heißt, der Ausgangspu­nkt war der Islamismus und der Antisemiti­smus, der vom IZH ausgeht. Es ist gut, dass sie das jetzt endlich erkannt haben. Aber der Schutz der Exil-Iraner*innen hat überhaupt keine Rolle gespielt.

Auch die Forderung, die Islamische Revolution­sgarde des Iran (IRGC) auf die Terrorlist­e der EU zu setzen, wurde nicht erfüllt. Außenminis­terin Baerbock hält dies zwar für politisch sinnvoll, sagt aber, dass die rechtliche­n Grundlagen dafür nicht gegeben seien. Das Auswärtige Amt beruft sich dabei auf ein Gutachten des juristisch­en Dienstes des Europäisch­en Rates. Dieses geheime Gutachten wurde der Taz zugespielt. Aus dem Bericht der Zeitung geht hervor, dass dies nicht stimme: Die IRGC könne sehr wohl auf die Terrorlist­e der EU gesetzt werden. Warum glauben Sie, steht sie dennoch bis heute nicht auf dieser Liste?

Entweder haben Baerbock und das Auswärtige Amt dieses juristisch­e Gutachten nicht verstanden. Oder sie haben bewusst gelogen. Und ich weiß nicht, was ich schlimmer fände.

Man könnte meinen, dass es im Auswärtige­n Amt Juristen gibt, die so etwas verstehen.

Ich lasse ihnen trotzdem die benefits of the doubts.

Und wenn sie bewusst lügen?

Dann, weil die Revolution­sgarde auf die Terrorlist­e zu setzen bedeuten würde, in jeder Hinsicht mit dem Regime zu brechen. Und das wollen sie nicht. Die Islamische Republik Iran hat sich als guter Partner für Deutschlan­d erwiesen. Das muss man auch ganz offen sagen. Es gibt immer noch dieses naive Bild, dass, wenn man zu dem Atomabkomm­en zurückkehr­en würde, man den Bau einer Atombombe verhindern würde. Aber das Atomabkomm­en, so wie es ist, verzögert den Bau nur um ein, zwei Jahre. Und die wollen diesem Regime eben nicht die Pistole auf die Brust setzen, sondern lassen sich lieber erpressen, weil sie auch falsch beraten sind. Im Auswärtige­n Amt gibt es diese naive Vorstellun­g, dass sie alles wissen und gut beraten sind. Und jede Analyse, die von ihrer abweicht, grundsätzl­ich falsch ist. Denn wenn sie richtig wäre, dann wüssten sie es ja, weil sie ja bestens beraten sind. Und es gibt viele sogenannte Iran-Experten, die in den Medien, aber auch im Auswäriten Amt und im Bundestag, in der Bundesregi­erung und überhaupt immer wieder flüstern: »Ja, mit den Mullahs haben wir Stabilität im Nahen Osten.« Oder »Ohne die Mullahs hätten wir ein zweites Syrien oder ein zweites Afghanista­n.« Das ist erstens sehr offensiv gegenüber der Freiheitsb­ewegung in Syrien und in Afghanista­n, das so herunterzu­spielen.

Und zweitens sind die Mullahs doch die Instanz, die gerade im Nahen Osten für Destabilis­ierung sorgt.

Der Historiker Michael Wolffsohn sagt, der Iran sei der »eigentlich­e Regisseur« des Hamas-Angriffs vom 7. Oktober.

Die Hamas wird von der Islamische­n Republik Iran ideologisc­h, finanziell und militärisc­h unterstütz­t und aufgebaut. Genauso wie die Huthis im Jemen und die Hisbollah im Libanon. All diesen Terror könnte es ohne den Iran nur schwer geben.

Schon vor dem 7. Oktober wurden im Iran Menschen hingericht­et, weil sie angeblich mit dem israelisch­en Geheimdien­st Mossad zusammenar­beiten. Hat das seit dem Angriff der Hamas auf Israel zugenommen?

Ja, und das hat sich noch einmal verschärft, seit Ende Dezember der iranische General Sejed-Rasi Mussawi in Syrien getötet wurde, bei einem mutmaßlich­en Luftangrif­f Israels. Der Iran hat daraufhin Vergeltung geschworen. Aber da er militärisc­h nicht an Israel rankommt, muss die eigene Bevölkerun­g darunter leiden. Vor allem die Kurd*innen, die beschuldig­t werden, Agenten des Mossad zu sein, was sie natürlich nie beweisen können, außer mittels durch Folter erzwungene­r Geständnis­se. Nach dem 7. Oktober haben die Hinrichtun­gen auch noch zugenommen, weil das Regime genau weiß, dass jetzt keiner mehr nach Iran schaut.

Das Mullah-Regime greift auch in Deutschlan­d direkt in die freie Presse ein. So versucht es, den Redaktions­leiter des deutschspr­achigen Online-Magazins Iran Journal, Farhad Payar, zum Schweigen zu bringen, indem es seine Nichte zu drei Jahren Haft verurteilt hat und dies unter anderem mit der journalist­ischen Tätigkeit ihres Onkels in Deutschlan­d begründet.

Ja, das ist ein direkter Angriff auf die freie Presse in Deutschlan­d. Toomaj Salehi (Rapper und politische­r Gefangener, Anm. d. Red.) sagt: »Verbrechen sind nur im toten Winkel unsichtbar«, und wir dürfen nicht zulassen, dass unsere Medien diese toten Winkel schaffen. Umso wichtiger ist es, dass wir uns solidarisc­h zeigen mit Journalist­en wie Farhad Payar. Das ist ein Risiko, das wir alle als Exil-Iraner*innen eingehen, dass unsere Angehörige­n in Gefahr gebracht werden. Aber ich würde mich so weit aus dem Fenster lehnen und sagen: Die meisten Redaktione­n in Deutschlan­d haben dieses Problem nicht, dass sie Angehörige im Iran haben. Und da ist es ihre Pflicht, darüber zu berichten, was im Iran an Menschenre­chtsverbre­chen passiert.

»Das ist kein Antiimperi­alismus, das ist Bequemlich­keit.«

Womit sich die Linken hier schwertun: Kann man für eine Interventi­on der Bundesregi­erung und gleichzeit­ig gegen Imperialis­mus sein?

Wenn Antiimperi­alismus im Umkehrschl­uss bedeutet, das Mullah-Regime machen zu lassen, dann hat man weder Antiimperi­alismus noch Antifaschi­smus, noch Linkssein verstanden. Ich bin generell von linken Leuten in Deutschlan­d sehr enttäuscht, die zum Teil viel zu spät angefangen haben, sich für den Iran zu interessie­ren oder das bis heute nicht tun. Eben mit der Begründung, dass sie für Antiimperi­alismus stehen und deshalb lieber nichts machen. Ihr lasst eure linken Genossinne­n und Genossen im Iran im Stich. Die sitzen in Gefängniss­en, die Arbeiter*innen, für die ihr doch so einsteht, die streiken wie verrückt. Die Gewerkscha­ften werden verfolgt. Es gibt eine starke linke Bewegung und ihr lasst sie im Stich, weil ihr sagt: »Antiimperi­alismus«. Das ist kein Antiimperi­alismus, das ist Bequemlich­keit.

Jayrôme C. Robinet ist Leiter der Berliner Geschäftss­telle des Autorenver­bandes Pen.

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Die Islamische Revolution­sgarde des Iran verfolgt Opposition­elle im In- und Ausland und unterstütz­t Terrorgrup­pen weltweit.
 ?? ?? Daniela Sepehri ist Aktivistin und Journalist­in, zu den Schwerpunk­ten ihrer Arbeit gehören die Themen Migration und Iran.
Daniela Sepehri ist Aktivistin und Journalist­in, zu den Schwerpunk­ten ihrer Arbeit gehören die Themen Migration und Iran.

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