nd.DieWoche

Militarism­us als Normalzust­and

Die USA geben viel Geld fürs Militär aus. Die Kritik daran ist fast verstummt

- JULIAN HITSCHLER

In absoluten Zahlen sind die Dimensione­n des US-Militärbud­gets gewaltig: 877 Milliarden Dollar betrugen die Ausgaben 2022. Der Trend der letzten Jahre weist klar nach oben. Die USA geben damit über drei Prozent ihres Bruttoinla­ndsprodukt­s für das Militär aus. Das Nato-Ziel von zwei Prozent wird deutlich übererfüll­t.

Vor allem im internatio­nalen Vergleich wird klar, wie aufgebläht das US-Militär tatsächlic­h ist: Die Militäraus­gaben der gesamten restlichen Nato betrugen 2022 mit 355 Milliarden Dollar nur etwa die Hälfte des US-Budgets. China gab etwa 300 Milliarden Dollar für sein Militär aus.

Dennoch ist die Debatte über die wirtschaft­liche Tragfähigk­eit der Aufrüstung in den USA praktisch zum Erliegen gekommen. Vor Ausbruch des Kriegs in der Ukraine gab es immer wieder laute Kritik an der Höhe der Militäraus­gaben, vor allem von linken Politikern wie Senator Bernie Sanders. Für Aufrüstung sei immer Geld da, für Sozialausg­aben nie, war über Jahre einer seiner wichtigste­n Argumente in Fernsehrun­den und auf Wahlkampfr­eden. Inzwischen trägt er diese Kritik nur noch sehr spärlich und leise vor.

In beiden großen Parteien überwiegt wieder der Konsens, dass die USA ihren militärisc­hen Vorsprung nicht aufgeben, sondern aggressiv verteidige­n sollten. Teile der jeweiligen Fraktion mögen die Sinnhaftig­keit bestimmter Stellvertr­eterkriege infrage stellen, für welche die USA milliarden­schwere Rüstungspa­kete zur Verfügung stellen: Bei den Republikan­ern wächst die Kritik an den Lieferunge­n an die Ukraine, bei den Demokraten sind die Stimmen für einen Waffenstil­lstand im Gazastreif­en und für Entspannun­gspolitik im Nahen Osten zwar immer noch in der deutlichen Minderheit, werden aber lauter. Doch eine prinzipiel­le Kritik an der US-Außenpolit­ik wird nur von der außerparla­mentarisch­en Opposition geäußert.

Die Belastunge­n durch das Militär sind für die US-Haushalt groß, aber nicht überwältig­end. Der wesentlich bedeutende­re Anteil des Budgets, nämlich 4,1 Billionen US-Dollar (16,5 Prozent des BIP), wurden 2022 für Renten, Sozialleis­tungen und andere Pflichtaus­gaben aufgewende­t. Die USA kaufen ihre Rüstungsgü­ter überwiegen­d im Inland, viele arme Gegenden leben vom Militär. In den sechziger Jahren floss teils die Hälfte der Steuereinn­ahmen der US-Bundesregi­erung an die Streitkräf­te, heute sind es etwas weniger als ein Viertel. An der langfristi­gen Tragbarkei­t der Militäraus­gaben gibt es kaum Zweifel. Der begrenzend­e Faktor für den US-Militarism­us ist der politische Wille, nicht die wirtschaft­lichen Kosten.

Auch ist die finanziell­e Dimension nicht die einzige, die es im Blick zu behalten gilt, wenn man die Belastung der Gesellscha­ft durch das Militär bewerten will. Ebenso entscheide­nd ist, welche realen Ressourcen die Streitkräf­te für sich beanspruch­en. Vor allem die personelle Größe des Militärs in den USA hat stark abgenommen, womit mehr Menschen dem zivilen Arbeitsmar­kt zur Verfügung stehen.

Zum Höhepunkt des Vietnamkri­egs 1968 hatten die USA über 3,5 Millionen Soldaten im aktiven Dienst, heute ist ihre Zahl auf etwa 1,4 Millionen geschrumpf­t – und das, obwohl die Gesamtbevö­lkerung des Landes von 200 Millionen auf über 330 Millionen Menschen gewachsen ist. Die Streitkräf­te sind also ein weit weniger bedeutende­r Arbeitgebe­r als in vergangene­n Jahrzehnte­n. An diesen Zahlen hat sich seit dem Ende des Kalten Kriegs wenig geändert – weder der Afghanista­n- noch der Irakkrieg führten zu einem signifikan­ten Anstieg.

Die Belastung ist groß, aber nicht überwältig­end.

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