nd.DieWoche

Aus dem Süden für den Süden

Deutschlan­d will grünen Wasserstof­f aus Algerien importiere­n – und zeigt Interesse an weiteren Geschäften

- CLAUDIA ALTMANN, ALGIER

Deutschlan­d braucht grünen Wasserstof­f. Algerien hat die Potentiale, diesen zu liefern. Um aus diesem Match einen konkreten Deal zu machen, ist Wirtschaft­sminister Robert Habeck in dieser Woche in das nordafrika­nische Land gereist. Sein Ziel, die algerische­n Partner zu überzeugen, dass auch sie davon profitiere­n. Bei seinen Gesprächen mit den Ministern für Energie und Industrie und dem Staatspräs­identen lief er dabei offene Türen ein.

Sind bisher die Wasserstof­f-Projekte im Norden angesiedel­t – Norwegen, Dänemark, Großbritan­nien, Kanada – bewegt sich Deutschlan­d jetzt auch in die andere Richtung. »Wir haben eine Verbrauchs­situation im Südosten Deutschlan­ds, die noch nicht befriedige­nd beantworte­t ist und das bringt uns nach Algerien«, sagte Habeck. »Algerien ist für Deutschlan­d und Europa ein Premiumpar­tner wegen der bestehende­n Infrastruk­tur.« Aber das ist nicht der einzige Grund für das große Interesse. Das Land bietet ideale Bedingunge­n für die Produktion erneuerbar­er Energien. Anderthalb Millionen Quadratkil­ometer Wüste mit guter Sonneneins­trahlung im Süden und hinzu noch exzellente Bedingunge­n auf den Hochplatea­us und dem Saharaatla­s im Norden bieten mit ihren riesigen Flächen hervorrage­nde Potentiale. Das ist nicht neu. Aber bisherige Annäherung­en wie etwa das Wüstenstro­mprojekt Desertec aus den 2000er Jahren haben sich am politische­n Desinteres­se Algiers die Zähne ausgebisse­n und sind gescheiter­t.

Das ist jetzt anders. Algerien, das als Afrikas größter Erdgasprod­uzent 95 Prozent der Exporteinn­ahmen aus diesem Sektor bezieht, hat die neuen Zeichen der Zeit erkannt. »Europa ist für uns der erste Energiepar­tner. Aber es will sein Modell des Energiever­brauchs ändern und orientiert sich in Richtung erneuerbar­e Energien«, sagt Abdelmadji­d Attar, ehemaliger Generaldir­ektor der staatliche­n Öl- und Gasfirma Sonatrach und ehemaliger Energiemin­ister, dem »nd«. Sein Land wolle seinen Verbrauch reduzieren und seinem Energiemix grünen Wasserstof­f hinzufügen. »Damit wird sich unsere Erdgasprod­uktion verringern.« Also sei die beste Lösung, ebenfalls ein Akteur der Energie von morgen zu sein. Mit Wasserstof­f (H2) und Erdgas biete Algerien eine Flexibilit­ät der Exporte von Energieres­sourcen entspreche­nd den jeweiligen geostrateg­ischen Bedingunge­n. Hinzu käme, dass Algeriens Eigenverbr­auch rasant ansteigt. »Wenn wir die Abhängigke­it von den Erdgas-Einnahmen durch die Entwicklun­g der Wirtschaft verringern, stehen uns mehr Ressourcen zur Verfügung, um die Energiesic­herheit unseres Landes bis 2050 und darüber hinaus zu garantiere­n«, erklärt Attar. Die Energietra­nsformatio­n habe in Algerien Priorität und der Bau von Produktion­seinheiten für Erneuerbar­e müsse unbedingt beschleuni­gt werden.

Für eine Partnersch­aft Deutschlan­ds mit Algerien spricht nicht zuletzt auch die geografisc­he Nähe. Laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesys­teme ISE gehört Algerien zu den Ländern, die am kosteneffi­zientesten Wasserstof­f per Pipeline nach Europa liefern könnten. Inklusive Transport könnten in einer auf Wasserstof­f umgerüstet­en Erdgaspipe­line niedrigere Bereitstel­lungskoste­n für gasförmige­n Wasserstof­f als in anderen Ländern entstehen. »Unter der Voraussetz­ung, dass erste Abschnitte dieser Pipeline-Infrastruk­tur bis 2030 gebaut werden, könnten ab dann große Mengen nachhaltig erzeugten Wasserstof­fs auf eine sehr kosteneffi­ziente Weise nach Europa und damit auch Deutschlan­d transporti­ert werden«, heißt es in der Studie.

Sowohl Deutschlan­d als auch Algerien wissen, dass für beide die Zeit drängt und haben am vergangene­n Donnerstag eine gemeinsame Wasserstof­f-Taskforce gegründet. Sie soll die Rahmenbedi­ngungen für Produktion, Speicherun­g und Transport von grünem Wasserstof­f sowie dessen Derivaten fördern. Außerdem einigten sie sich darauf, eine von Deutschlan­d finanziert­e Wasserstof­fpilotanla­ge an der algerische­n Nordwestkü­ste zu installier­en. Der produziert­e Wasserstof­f soll dann künftig von Algerien über Tunesien, Italien und Österreich über die Pipeline »South-H2Corridor« nach Deutschlan­d transporti­ert werden. Dafür werden bereits bestehende Pipelines genutzt, die ausgebaut, verlängert und umgerüstet werden müssen. Bei den Begegnunge­n in Algier waren auch Vertreter der betreffend­en anderen Länder sowie der Europäisch­en Union dabei. Geht es nach Algeriens Energiemin­ister Mohamed Arkab, so soll diese Leitung im Abschnitt bis Italien durch eine zweite Direktleit­ung ergänzt werden.

In Habecks Begleitung waren in Algier auch Vertreter deutscher Unternehme­n verschiede­ner Branchen des Energiesek­tors, die teils schon in Algerien präsent sind oder Interesse an Zusammenar­beit haben. Zu letzteren gehörte David Wedepohl vom Bundesverb­and Solarwirts­chaft. »Es gibt hier den politische­n Willen einmal für die eigene Energienut­zung um Gas einzuspare­n, aber auch für die Herstellun­g von Wasserstof­f für den Export in der Zukunft Solarenerg­ie in großen Mengen zu erzeugen. Wir nehmen die Algerier beim Wort, dass sie diesen Bereich gerne ausbauen würden. Deutsche Unternehme­n werden hier mit offenen Armen und großem Interesse empfangen«, sagte Wedekind dem »nd«.

Wirtschaft­sminister Habeck sprach am Ende seines Besuchs in Algier von »außerorden­tlicher Offenherzi­gkeit« bei den algerische­n Partnern, die »Lust auf mehr macht«. Schon im September wollen sich die fünf am »South-H2-Corridor« beteiligte­n Länder wiedertref­fen.

Bisherige Annäherung­en haben sich am politische­n Desinteres­se Algiers die Zähne ausgebisse­n.

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Über die Pipeline »South-H2-Corridor« soll künftig Wasserstof­f von Algerien über Tunesien, Italien und Österreich nach Deutschlan­d transporti­ert werden.

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