nd.DieWoche

Grenze überschrit­ten

Louisa T. Braun zur Parlaments­strategie der Letzten Generation

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Gegenüber der neuen Strategie der Letzten Generation ist Skepsis nicht unangebrac­ht. Die Klimagrupp­e möchte sich ins Europäisch­e Parlament wählen lassen. Aus Perspektiv­e der Bewegung klingt das jedoch schwer nach Verrat: Schließlic­h ist das Parlament Teil des Systems, das bekämpft werden muss. Und Veränderun­g passiert auf der Straße. Dagegen wendet die Letzte Generation ein, dass sie ja auch auf der Straße bleiben wird, zukünftig quasi zweigleisi­g fährt. Und dass sie mitnichten vorhat, sich im Parlament brav an die Regeln zu halten, im Gegenteil: Man werde dort Widerstand leisten. Nichtsdest­otrotz wird damit eine Grenze überschrit­ten.

Die Parlaments­itzung stören kann man schließlic­h auch von den Zuschauerr­ängen aus, etwa indem man alle Einfahrten blockiert, durch Sabotage

oder Kunstaktio­nen. Muss man sich dafür wirklich wählen lassen?

Ist nicht die Wahl an sich schon ein Seitenwech­sel?

Fakt ist: Die Letzte Generation gehörte noch nie zum systemkrit­ischen Teil der Klimabeweg­ung. Die Forderunge­n, die sie stellt, sind gut im Parlament verhandelb­ar. Während das Bündnis Ende Gelände nicht weniger als das Ende des fossilen Kapitalism­us fordert, geht es bei der Letzten Generation um einen »gerechten Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas bis 2030« – nicht ums System.

Insofern ist der Schritt über die Grenze für die Gruppe gar nicht so groß. Und dass die Gruppen so unterschie­dlich sind, kann die Bewegung nur weiterbrin­gen. Aktivismus im Parlament ist immerhin mal was Neues, das so noch nicht probiert wurde.

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