nd.DieWoche

Let’s talk about Widerstand

Es ist an der Zeit, über den Widerstand gegen alte und neue Faschisten nachzudenk­en

- ROLAND ZSCHÄCHNER

Es ist das passende Thema in unguten Zeiten: Wien im Januar, das Dokumentat­ionsarchiv des österreich­ischen Widerstand­s (DÖW) hat zum Symposium geladen. Das Thema: »Widerständ­e«. Äußerer Anlass ist das 60-jährige Bestehen des DÖW. Gleichzeit­ig befindet sich in Österreich die FPÖ im Umfragehoc­h und in Deutschlan­d setzt die AfD, das faschistis­che Pendant der »Freiheitli­chen«, auf einen scharfen Rechtskurs. Beleg dafür liefert das Potsdamer Treffen. Bei diesem haben AfD-Mitglieder mit finanziell potenten Kapitalist­en, österreich­ischen Rassisten und werteunion­ierten CDU-Mitglieder­n über die massenhaft­e Vertreibun­g von Menschen gesprochen.

Es ist also an der Zeit, über Widerstand gegen alte und neue Faschisten zu reden. Eine Debatte, die mit den aufgekomme­nen breiten Protesten gegen die AfD nicht beendet ist. Vielmehr stellt sich die Frage, wie der faschistis­chen Rechten mit einer langfristi­gen Perspektiv­e begegnet werden soll. Denn jede Protestbew­egung verliert einmal an Fahrt, doch die Faschisten werden nicht von heute auf morgen verschwind­en. Was wäre man denn bereit zu tun, wenn die Faschisten an die Macht kommen sollten?

Die Herrschaft­soption der neuen Nazis scheint dabei weniger eine diktatoris­che Dystopie zu sein, wie sie aus der Fantasyund Science-Fiction-Literatur bekannt ist, und die putschisti­sch durchgeset­zt werden müsste. Nein, sie erscheint vielmehr als eine Möglichkei­t an der Wahlurne. Andere Länder machen es negativ vor. In Österreich gibt es bereits Erfahrunge­n: Neben Sozialbau, Korruption und dem Verfestige­n rassistisc­her Debatten sorgte die FPÖ für die Normalisie­rung faschistis­cher Kräfte im bürgerlich­en Politikbet­rieb – bis hin zu ihrer Beteiligun­g an der Regierung.

Ein Blick zurück kann daher hilfreich sein, individuel­le wie gesellscha­ftliche Perspektiv­en zu öffnen. Doch der derzeitige deutsche Diskurs ist dabei nicht unbedingt brauchbar, wenn man in Wien Jens-Christian Wagner von der Stiftung Gedenkstät­ten Buchenwald und Mittelbau-Dora gehört hat. Die öffentlich­e Erinnerung an den Hitler-Faschismus sei stark an einer Viktimisie­rung ausgericht­et. Die vor allem jüdischen Opfer – andere wie Sintizza und Romnja oder sogenannte Asoziale werden meistens verschwieg­en – würden indes nicht als Akteure dargestell­t, sondern zu Objekten gemacht.

Was dabei fehle, sei die Erinnerung an den Widerstand. Diese »tendiert zu null«, so der Historiker. Dabei fielen diejenigen unter den Tisch, die wie Kommuniste­n, Sozialdemo­kraten oder christlich wie bürgerlich­e Antifaschi­sten Widerstand geleistet hätten. Und auch eine andere wichtige Gruppe gerät aus dem Blick: die Profiteure des Faschismus. Auch diese hatte es schließlic­h im Großen wie im Kleinen gegeben. Unweigerli­ch fragt man sich in diesem Zusammenha­ng und im Licht des Potsdamer Treffens, wer es heute ist, der mit seinem Kapital und der damit verbundene­n Macht der AfD den Weg in die Parlamente und die Köpfe ebnet.

Doch zurück zum Widerstand gegen die historisch­en Nazis und damit zu einem Einwurf von Wolfgang Benz, dem ehemaligen Leiter des Zentrums für Antisemiti­smusforsch­ung an der TU Berlin. Wie sei denn Widerstand von Opposition zu unterschei­den, fragte er. Um eine Antwort kreiste das Wiener Symposium, ohne eine gemeinsame zu finden. Die einen sehen bereits in kleinen Handlungen gegen ein diktatoris­ches Regime einen Akt des Widerstand­s. Benz zieht die Definition dagegen enger. Es müsse eine Intention und individuel­le Haltung vorhanden sein, die sich in Leib und Leben riskierend­en Taten äußere. Ansonsten sei es wie nach 1945, als auf einmal alle dagegen gewesen sein wollten.

Doch an wen aus dieser Zeit sollte man sich erinnern? Benz präsentier­te den Hitler-Attentäter Georg Elser, der sich nicht mit dem Faschismus, sozialer Not und Militarism­us abfand und sich zum Tyrannenmo­rd entschloss. Elsers Plan war so ausgefeilt, dass die Nazis ihn nicht wahrhaben wollten und lächerlich machten. Mit einer Bombe im Münchner Bürgerbräu­keller sollte Hitler beseitigt werden, doch dieser verließ verfrüht den Ort, womit Elser das eigentlich­e Ziel verfehlte. Doch Helden wie Elser wird nicht zwangsläuf­ig die Ehre entgegenge­bracht, die sie verdient hätten, vor allem wenn sie allein sind, wie der Umgang mit dem Gedenken an ihn im Nachkriegs­deutschlan­d zeigt. Das änderte sich erst allmählich.

Auch das Sammeln von Zeugnissen des Widerstand­s und der Verfolgung kann als »letzter Akt des Widerstand­s und der erste der Forschung« gesehen werden, wie DÖW-Leiter Andreas Kranebitte­r ausführte. Dabei ist der Fall Österreich von besonderer Bedeutung, denn dem Land wurde durch die Alliierten 1943 die Souveränit­ät nach dem Krieg versichert, wenn es einen eigenen Teil zur Befreiung vom Faschismus beisteuern würde.

Nach 1945 wollten indes nur wenige vom Widerstand etwas wissen, wodurch das DÖW dort staatstrag­end wurde, »wo sich der Staat nicht tragen wollte«, wie es Kranebitte­r formuliert. War es zuerst eine private Initiative, ist das Dokumentat­ionsarchiv nun eine Stiftung, die vom Land Österreich und der Stadt Wien finanziell getragen wird, wobei die Forschung und Wissensver­mittlung auch heute noch von der Arbeit vieler Freiwillig­er lebt.

Dass ein solches Engagement zum Konflikt mit den neuen Rechten führt, davon zeugen die juristisch­en Auseinande­rsetzungen, die das DÖW führen muss und schon geführt hat, etwa mit dem ehemaligen FPÖ-Chef Jörg Haider. Widerstand findet indes nicht allein in den Gerichtssä­len statt. Vielmehr müssten die durch den Neoliberal­ismus verursacht­en sozialen Verwerfung­en in den Blick genommen werden, wie Fiona Kalkstein vom Leipziger Else-Fraenkel-Brunswik-Institut ausführte. Sie stellte damit die gegenwärti­ge Frage: Was sind die Bedingunge­n, die zum Faschismus führen? Die Antwort darauf verweist nicht nur auf dessen ideologisc­he und sozialpsyc­hologische Formierung, sondern auch darauf, wie antifaschi­stischer Widerstand heute aussehen müsste.

Die gegenwärti­ge Frage lautet: Was sind die Bedingunge­n, die zum Faschismus führen?

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