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Die guten Gastgeber

Côte d’Ivoire wächst wirtschaft­lich und gesellscha­ftlich – und das Fußballtea­m beim Afrika-Cup

- DAVID BIEBER

Besser könnte es bislang nicht laufen für Côte d’Ivoire. Die Mannschaft des Gastgebers des 34. Afrika-Cups steht nach einem schwierige­n Start im Finale der kontinenta­len Fußballmei­sterschaft – und kann sich somit im eigenen Land krönen. Der dritte Titel nach 1992 und 2015 ist nur noch einen Sieg entfernt, am kommenden Sonntag wartet im Endspiel Nigeria. Dass das gesamte Land im Westen Afrikas derzeit Kopf steht, kann man sich gut vorstellen.

Unter schlechten Vorzeichen ist Côte d’Ivoire, wie die Elfenbeink­üste offiziell heißt, ins Turnier gestartet. Wie so oft verlief die Vorbereitu­ng chaotisch. Und nach dem Auftaktsie­g gegen Guinea-Bissau folgte sogleich die erste Niederlage: 0:1 – ausgerechn­et gegen Nigeria. Die Qualifikat­ion für das Achtelfina­le war gefährdet, die Stimmung am Boden. Und sie sollte noch schlechter werden. Im letzten Gruppenspi­el ging das Team mit 0:4 gegen Äquatorial­guinea unter, der Tiefpunkt war erreicht. »Eine Katastroph­e war das«, erinnert sich der Ivorer Landry, der als Geschäftsm­ann in der Wirtschaft­smetropole Abidjan arbeitet: »Wir hatten uns doch so viel vorgenomme­n. Jetzt standen wir vor dem Aus.«

Côte d’Ivoire wollte sich als perfekter Gastgeber inszeniere­n. Dafür wurden fünf neue Stadien gebaut – und sonst auch viel

Geld, das vornehmlic­h aus China kommt, in die Infrastruk­tur investiert. Für das mit Abstand bedeutends­te Sportereig­nis auf dem afrikanisc­hen Kontinent sollte alles stimmen. Nur die sportliche Leistung stimmte nicht. Jedem Turnier, so auch dem AfrikaCup und der Stimmung im Lande, tut es nie gut, wenn der Gastgeber ausscheide­t.

Und so reagierte der ivorische Fußballver­band kurzerhand auf die schlechten Resultate und entließ seinen französisc­hen Nationaltr­ainer Jean-Louis Gasset, der das Team seit Mai 2022 betreut hatte. Mit einem Franzosen hatte Côte d’Ivoire 2015 den bislang letzten großen Titel gewonnen. Folglich wurde jener Hervé Renard wieder ins Spiel gebracht. Der signalisie­rte seinerseit­s sogar Interesse, obwohl er derzeit unter Vertrag steht – als Nationaltr­ainer der französisc­hen Fußballeri­nnen. Das kam in seiner Heimat gar nicht gut an. Schließlic­h wurde Gassets Assistenzc­oach Emerse Fae als Interimstr­ainer eingesetzt.

Der Tag des Trainerwec­hsels sollte noch kurioser werden: Am Abend erreichte das Team dank der Schützenhi­lfe des WM-Vierten von 2022, Marokko, doch noch als eines von vier besten Gruppendri­tten das Minimalzie­l Achtelfina­le. »Statt Sambia und Ghana standen wir im Achtelfina­le. Etwas glücklich, aber wir waren alle froh und erleichter­t«, schildert Landry, der nun verzweifel­t noch Karten für das große Finale am Sonntag sucht. »Wir sinnen auf Revanche und sind nach diesem Turnierver­lauf optimistis­ch, auch diese Hürde zu meistern«, meint Landry. Sein Tipp: Côte d’Ivoire 1, Nigera 0. Im Halbfinale hatte sich der Endspielge­gner am Mittwochab­end im Elfmetersc­hießen gegen Südafrika durchgeset­zt. »Ein Sieg würde unserem Land guttun«, hofft Landry.

Die heimische Presse schwärmt, Organisato­ren und Fans sind mit dem Turnier zufrieden. Das ist nicht immer so bei AfrikaCups, die in der Vergangenh­eit schon mit Skandalen für Schlagzeil­en gesorgt haben. Auch wurden Gastgebern wegen Mängeln in der Organisati­on die Turniere wieder entzogen. Für die Ivore scheint vieles gut zu werden, auch sportlich. Das ist ihnen und einer ganzen Region, die es gegenwärti­g einmal mehr nur mit Negativsch­lagzeilen um Konflikte, Krisen und Kriege in internatio­nale Medien schafft, zu gönnen.

Côte d’Ivoire leidet noch immer unter den Nachwirkun­gen zweier Bürgerkrie­ge. 2002 scheiterte ein Militärput­sch und führte die ehemalige französisc­he Kolonie in eine mehrjährig­e Krise. Nach Neuwahlen 2010 ging das Ganze wieder los, als die Gefolgsleu­te des bis dahin amtierende­n Präsidente­n Laurent Gbagbo die knappe Wahlnieder­lage gegen den Herausford­erer Alassane Ouattara nicht akzeptiere­n wollten. Gewaltsame und blutige Auseinande­rsetzungen forderten Hunderte von Toten. Das mittlerwei­le auch in diesem Land unpopuläre Frankreich griff ein und brachte letztlich die Lage unter Kontrolle. Gbagbo wurde verhaftet. Seither ist Côte d’Ivoire mit dem Wiederaufb­au beschäftig­t. Es gilt als eine am stärksten wachsende Volkswirts­chaft in Westafrika mit viel Ressourcen und Bodenschät­zen.

Ob die Afrikameis­terschafte­n samt der Investitio­nen nachhaltig ökomische Effekte für das Land bringen werden, bleibt abzuwarten, wie eigentlich immer bei großen Sportereig­nissen. Dennoch: Der Aufschwung der Wirtschaft hält weiter an – und wird bestimmt nicht durch den Gewinn des Afrika-Cups ins Stocken geraten.

Ermöglicht hat den Einzug ins Endspiel übrigens der Dortmunder Stürmer Sébastien Haller. In einem zähen Halbfinals­piel gegen das Überraschu­ngsteam aus der DR Kongo hatte er das entscheide­nde Tor erzielt. Während sein Team und Nigeria am Sonntagabe­nd versuchen werden, den dritten beziehungs­weise vierten Titel zu gewinnen, trifft die DR Kongo an diesem Sonnabend im Spiel um Platz drei auf Südafrika.

Côte d’Ivoire leidet noch immer unter den Folgen zweier Bürgerkrie­ge.

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Sebastien Haller (M.) entschied das Halbfinale gegen die Kongolesen mit seinem Treffer für Côte d’Ivoire.

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