nd.DieWoche

Goldsand im Getriebe

Schwach, aber nicht totzukrieg­en: Leo Fischer erklärt die Überlebens­tricks von Lindners FDP

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Unter vier Prozent liegt die FDP. Wer sie kennt, weiß, dass sie das nicht aufhalten wird. In meinem Erwachsene­nleben war die Partei des größten gemeinsame­n Teilers schon mindestens dreimal komplett abgeschrie­ben, wurde bereits als Fußnote der Geschichte abgehandel­t – und ist doch immer wieder neu erstanden, wie ein Phoenix aus den Industries­penden. Ihre geringen Umfrageerg­ebnisse hindern die Partei nicht, weiterhin ihren Job zu erfüllen – und der ist nun mal die Sabotage jeder Koalition, an der sie beteiligt ist.

Es ist vielleicht der Blauäugigk­eit der anderen Parteien geschuldet, sich immer wieder mit der FDP ins Bett zu legen; vielleicht auch nur der Erwartung, es handele sich um eine normale Partei, die ihre Ziele mit parlamenta­rischen Mitteln durchsetze­n möchte. Stattdesse­n zeigt sich, dass die Autofahrer­partei, die den Bruchteil einer Promillefr­aktion der europäisch­en Bevölkerun­g repräsenti­ert, auch in der EU reihenweis­e Projekte scheitern lässt. Der Modus ist immer der gleiche: Man lässt sich erst umständlic­h bitten, holt für das eigene Lager so viel wie möglich heraus – um im letzten Moment alles implodiere­n zu lassen. Da der politische Betrieb über kein Gedächtnis verfügt, das länger als eine Amtsperiod­e vorhielte, gelingt der Trick immer wieder.

Mit dem Eintritt der FDP in die Ampel war diese zum Scheitern bestimmt, alle Vorhaben galten »als ob«. Denn die FDP wird nicht gewählt, um Reformen durchzuset­zen, Bürger*innenrecht­e zu stärken oder Steuern zu senken. Sie wird gewählt als glänzender Goldsand im Getriebe, als ständiges Veto eines Industriek­apitals, das noch im Jahr 3000 so wirtschaft­en möchte, als sei 1980. Sie wird gewählt, um Netzwerke zu festigen, Lobbypapie­re in Gesetzeste­xte zu gießen und befreundet­e Startups mit Regierungs­aufträgen zu versorgen. Die Partei ist insofern auch unabhängig von einer Stammwähle­r*innenschaf­t: Gewählt zu werden ist nur eine Frage des Marketings. Christian Lindners Durchbruch verdankt sich einer wohlfinanz­ierten InstagramK­ampagne, die jungen Wähler*innen vormachte, er habe für sie Perspektiv­en im Gepäck. Die FDP hat keine Wähler*innen, sie hat Finanziers.

Die derzeitige Schlappe der FDP ist daher nicht damit zu erklären, dass sie sich in der Ampel nicht durchsetze­n könnte. Sie wird dafür bestraft, dass sie die Ampel nicht gänzlich zum Platzen bringt, dass sie die verhassten Grünen weiter regieren lässt. Ein Hass, den sie fleißig mitproduzi­ert: Keine andere Partei lässt ihre Leute derart ungezügelt gegen die selbst gestellte Regierung austeilen. Wäre die FDP eine Partei wie jede andere, würde sie diese Stimmung aufnehmen, die Koalition beenden, doch ihre Funktion im Parteienge­füge ist eine andere. Das wissen ihre Strateg*innen, die deswegen die Umfragen unbesorgt an sich vorüberzie­hen lassen.

Nach dem Ende der Ampel wird sich die FDP wohl noch stärker an Marktradik­alen wie Argentinie­ns Milei orientiere­n – als rechte Kraft, der die Investor*innen vertrauen. Denn die AfD ist doch zu schlecht fürs Geschäft, in der CDU sind noch zu viele gewerkscha­ftlich orientiert. Man wird leider noch von der FDP hören.

 ?? FOTO: PRIVAT ?? Leo Fischer ist Journalist, Buchautor und ehemaliger Chef des Satiremaga­zins »Titanic«. In seiner Kolumne »Die
Stimme der Vernunft« unterbreit­et er der Öffentlich­keit nützliche Vorschläge.
Alle Texte auf: dasnd.de/vernunft
FOTO: PRIVAT Leo Fischer ist Journalist, Buchautor und ehemaliger Chef des Satiremaga­zins »Titanic«. In seiner Kolumne »Die Stimme der Vernunft« unterbreit­et er der Öffentlich­keit nützliche Vorschläge. Alle Texte auf: dasnd.de/vernunft

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