Sexismus der Klimakrise
Der Klimawandel ist ein kollektives Problem. Von seinen Folgen sind dennoch Frauen, queere und marginalisierte Menschen überproportional betroffen. Ohne ihre Perspektiven gibt es keine Klimagerechtigkeit
Oft wird der Klimawandel daran gemessen, wie sich der CO2-Gehalt auf die Erdatmosphäre auswirkt. Folgen von Extremwetterereignissen werden mit der Anzahl von Toten verdeutlicht. Doch die Erderwärmung bringt nicht nur ökologische, sondern auch soziale Probleme hervor. Bereits existierende gesellschaftliche Machtgefälle und Schwierigkeiten können direkt und indirekt von den Folgen des Klimawandels verstärkt werden. Besonders in Zeiten, in denen das 1,5-GradZiel des Pariser Abkommens mit Gewissheit verfehlt wird, ist es umso wichtiger, Geschlechtergerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit in den Mittelpunkt einer Diskussion über den Klimawandel zu stellen.
Die Klimakrise ist ein globales Problem, betrifft Menschen und Regionen jedoch unterschiedlich. Neben den geografischen Gegebenheiten bestimmen vor allem die Gesellschaftsstrukturen, wer die Folgen der Klimakrise besonders stark zu spüren bekommt. Bestehende Diskriminierungen aufgrund von Gender, Klasse, Ethnie oder Alter werden dabei verschärft – oder bestehende Privilegien kommen zum Tragen.
Risikogruppe Frauen
Bei genauer Betrachtung der Intersektion von Gender und Klima wird etwa sichtbar, dass in Ländern mit starker sozialer Ungleichheit die Zahl der Todesfälle von Frauen deutlich höher ist. Besonders betroffen sind Frauen in ländlichen Regionen des globalen Südens. Aktuelle Zahlen der Vereinten Nationen belegen, dass Frauen und Kinder ein 14-mal höheres Risiko als Männer haben, bei Extremwetterereignissen und Naturkatastrophen zu sterben oder verletzt zu werden. Das kann mit vielen Faktoren begründet werden: Unter den Armen sind Frauen überrepräsentiert, bei umweltpolitischen Entscheidungen unterrepräsentiert und sie sind in hohem Maße auf natürliche Ressourcen angewiesen.
Frauen drohen daher auch gewaltige Gefahren bei hohen Temperaturen. Zum einen belastet Hitze die Körper von cis Frauen mehr als die von cis Männern. Neben einer höheren Gesundheitsbelastung ist auch die Sterberate von cis Frauen bei Hitze deutlich höher. Die große Hitzewelle in Europa im Jahr 2003 kostete 75 Prozent mehr Frauen als gleichaltrigen Männern das Leben. Zum anderen konnte ein Zusammenhang zwischen steigenden Temperaturen und geschlechterspezifischer Gewalt hergestellt werden. Eine internationale Studie aus dem vergangenen Jahr, veröffentlicht in der medizinischen Fachzeitschrift »Jama Psychiatry«, befragte dazu knapp 200 000 Mädchen und Frauen zwischen 15 und 49 Jahren in Indien, Pakistan und Nepal. Die klimabedingte Vulnerabilität lässt Fälle von häuslicher Gewalt in der Region in die Höhe schnellen. Mit einem Grad steigender Durchschnittstemperatur nimmt partnerschaftliche Gewalt um 4,5 Prozent zu. Schreitet die Klimakrise weiter voran, sind die Aussichten düster. Insbesondere in Indien wird ein Anstieg von familiärer Gewalt mit 23,5 Prozent bis zum Ende des Jahrhunderts vorausgesagt. Ein Erklärungsansatz dieses dramatischen Befundes: Extremwetter und Naturkatastrophen führen zu wirtschaftlichen Krisen, Einkommensverluste verschärfen Armut und erhöhen psychischen Stress, was als Konsequenz in Gewalt endet und an Frauen oder Kindern ausgelassen wird.
Hitze birgt zudem viele weitere Gefahren. Die zunehmende Trockenheit und Wüstenbildung im globalen Süden lassen immer mehr Wasserstellen und Brunnen versiegen. Eine steigende Ressourcenknappheit kann Mädchen und Frauen in gefährliche Situationen bringen: Je länger die Wege zu Wasserstellen oder Brennholz sind – die Beschaffung ist oft Aufgabe der Frauen –, desto höher ist das Risiko sexualisierter und körperlicher Gewalt.
Ein weiteres klimabedingtes Phänomen ist die sogenannte Fisch-für-Sex-Praktik, unter der besonders Frauen an vielen Küsten und Seen, oft auf dem afrikanischen Kontinent, leiden. Ein bekanntes Beispiel ist der überfischte Victoriasee in Kenia. Marktfrauen sehen sich aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen, mit den Fischern transaktionale
Trotz all dieser Probleme ist es wichtig, Frauen und queere Menschen nicht als Opfer von Klimakatastrophen zu porträtieren.
Es war ein politisches Erdbeben, als die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen im September 2021 im Rahmen eines Volksentscheids über eine Million Menschen davon überzeugte, die Berliner Bestände großer Immobilienkonzerne in Gemeineigentum zu überführen. Sozialisierung, Vergesellschaftung, Gemeineigentum – Begriffe aus dem Erbe der Arbeiterbewegung riefen ein trotziges »Ich bin wieder hier« in die Gegenwart. Doch eigentlich waren sie nie wirklich weg. Formen von Gemeineigentum sind älter als der Kapitalismus, wurden von ihm nie ganz verdrängt und haben in seinen periodischen Krisen stets neue Aufmerksamkeit erfahren.
Ende des Volkseigentums und Traum vom »Commonismus«
Auch in Deutschland war die Abwesenheit des Gemeineigentums überschaubar: Vom Ende des »Volkseigentums« in der DDR bis hin zu neuen Debatten über Gemeingüter um die Jahrtausendwende verging kaum ein Jahrzehnt. »Gemeineigentum« und »Gemeinwirtschaft« sind jedoch keine ostdeutschen Begriffe. Sie wurden als Rechtsnormen von Deutsche Wohnen & Co enteignen aus dem Grundgesetz der Bundesrepublik übernommen. Die Verrechtlichung der Begriffe bei der westdeutschen Staatsgründung 1949 war ein Zugeständnis an vergangene Kämpfe der Arbeiterbewegung. Gemeinwirtschaft war in der Bonner Republik selbstverständlicher Bezugspunkt für Gewerkschaften und Sozialdemokratie. Und als diese sich Anfang der 80er Jahre von ihrem Erbe verabschiedeten, dämmerte in den USA, dem Herzland des Kapitalismus, bereits eine Renaissance der Gemeingüter: 1983 startete Richard Stallmann mit dem Projekt »Gnu is not Unix« (GNU) die Bewegung für freie Software, die keinem Eigentumsrecht unterliegt.
Freie Software bildete eine Brücke, über die das Konzept der »Commons« ins neue Jahrtausend fand. Mit PC und Internet war die Idee geteilter Produktionsmittel plötzlich im Alltag lebendig und beflügelte die Vorstellungskraft. In Gedankenspielen von »Commonismus« und »Solidarischer Ökonomie« bemühte man sich, die Erfahrung gemeinsamen geistigen Eigentums in die Güterökonomie zurückzutragen.
Das Nachdenken über ein anderes Wirtschaften war auch Ausdruck eines »Unbehagens in der Globalisierung«, wie es der Ökonom und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz 2002 formulierte. Die Verbetriebs
wirtschaftlichung aller Lebensbereiche im seit dem Fall des Staatssozialismus globalen Kapitalismus beförderte unter dem Stichwort »Globalisierungskritik« politische und intellektuelle Suchbewegungen. Mit der Finanzkrise erreichte das neue Nachdenken über Gemeingüter im Jahr 2009 einen Höhepunkt, als die Ökonomin Elinor Ostrom für ihre Arbeit zum Thema mit dem Wirtschafts-Nobelpreis ausgezeichnet wurde.
Doch einen ökonomischen Paradigmenwechsel haben seitdem weder soziale Bewegungen noch akademische Diskurse herbeiführen können. Die Globalisierung wird stattdessen heute vom Kapital selbst beendet und in eine Konkurrenz ökonomischer Blöcke überführt. In der Wirtschaftswissenschaft dominiert trotz aller neuen Ideen die alte Neoklassik mit Thesen, über die sich bereits Marx und Engels ärgerten. Bis heute gibt es in Deutschland keinen einzigen Lehrstuhl für Gemeinwirtschaft. Auch die neue Vergesellschaftungsbewegung im Bereich des Wohnens und ihre Ableger in den Bereichen Gesundheit und Energie haben die Institutionen noch nicht durchdrungen. Sie konnten allenfalls Rekommunalisierungen erreichen, also Rückzugsgefechte gewinnen. Doch ein Stadtwerk macht noch keinen Commonismus: Heute gibt es in Deutschland weniger öffentliches Eigentum als noch zur Kanzlerschaft Helmut Kohls.
Von der Praxis zur Rechtsnorm – und zurück
Die Renaissance des Gemeineigentums verbleibt überwiegend auf der Diskursebene, und selbst hier ist sie weder verankert noch kohärent. Es gibt ein brüchiges Nebeneinander: Bodenpolitik und Mietenbewegung, neue Gemeinnützigkeit, Solidarische Ökonomie und Commons verbindet eine Kritik des Privateigentums. Jedoch fehlt sowohl der gemeinsame politische Nenner als auch die historische Verortung. Bisher war dies kaum nötig – das pragmatische Verhältnis zur Geschichte war für die deutsche Vergesellschaftungsbewegung der letzten fünf Jahre eher befreiend. Anders als Anarchismus oder Marxismus bezieht sie sich nicht auf historische »Klassiker« des 19. Jahrhunderts, deren Gültigkeit für die Gegenwart bewiesen werden muss. Und anders als Trotzkismus oder Syndikalismus folgt sie nicht historischen Konzepten sozialer Organisation, die nahtlos auf die Gegenwart übertragen werden.
Die aktuelle Vergesellschaftungsbewegung in Deutschland bezieht sich stattdessen auf Artikel 15 des Grundgesetzes, der die Überführung in Gemeineigentum »zum Zwecke der Vergesellschaftung« erlaubt. Das Recht hat den Vorteil, dass sich daraus
Ansprüche ableiten lassen. Es gibt nicht nur ein politisches Ziel vor wie die Utopie, sondern auch einen Weg: die Reform. Mit einer Kombination von Artikel 15 und dem Volksentscheid als Mittel der direkten Demokratie erreichte Deutsche Wohnen & Co enteignen eine Hebelwirkung, die den Einfluss früherer Bezüge auf Commons und Gemeineigentum in den Schatten stellte. Jedoch griff die Bewegung mit Artikel 15 nur einen Ausschnitt aus der langen Geschichte des Gemeineigentums auf.
Diese Geschichte hat mindestens fünf Erscheinungsformen hervorgebracht: Am Anfang, gewissermaßen vor dem Kapitalismus, steht Gemeineigentum als soziale Praxis kommunaler Landnutzung. Mit der Zerstörung des ursprünglichen Gemeineigentums entstehen daraus sowohl ein politisches Programm als auch eine soziale Utopie. Bereits vor 500 Jahren forderten die Aufständischen des deutschen Bauernkrieges von 1524 die Wiederherstellung agrarischer Gemeingüter – erst mit ihrer Niederlage wurde das Programm zur Utopie.
Im Laufe der Industrialisierung wurde die Utopie beiseitegeschoben, der Marxismus leitete aus der überlieferten Praxis eine historische Kritik des Kapitalismus ab. Wenn der Kapitalismus ein »Davor« hatte, dann würde es auch ein »Danach« geben. Von der sozialistischen Arbeiterbewegung wurde Gemeineigentum schließlich in den Rang einer Rechtsnorm erhoben, die 1919 in der Weimarer Verfassung und 1949 im Grundgesetz festgeschrieben wurde.
Der Preis der Verrechtlichung war jedoch, dass das Recht nie verwirklicht wurde. Das Anliegen der aktuellen Vergesellschaftungsbewegung ist es, von der Rechtsnorm zur Praxis zu gelangen. Gemeineigentum als Utopie spielt dabei keine Rolle, wohl aber die Details der 1919 und 1949 verankerten Rechtsbegriffe. Die zu ihrer Umsetzung nötigen Zwischenschritte wären Umverteilung von Eigentum auf dem Wege der Reform und die Institutionalisierung der neuen Bewirtschaftungsweise. Sie durchzusetzen braucht angesichts der Widerstände von Verwaltung, Unternehmen und ihren Verbänden langen Atem, wie das mittlerweile fünfjährige Berliner Ringen um Vergesellschaftung zeigt.
Gemeineigentum und Gemeinwirtschaft in der Bundesrepublik
Die wirtschaftspolitische Offenheit des Grundgesetzes wurde durch mehrere Urteile des Bundesverfassungsgerichts in der Frühzeit der Bundesrepublik bestätigt. Für eine Vergesellschaftung fehlten jedoch die parlamentarischen Mehrheiten. Allerdings war in der Bundesrepublik bis 1990 ein gemeinwirtschaftlicher Wohnungssektor durch Regelungen zur Wohnungsgemeinnützigkeit abgesichert; es gab im Umfeld der Gewerkschaften gemeinwirtschaftliche Betriebe von der Konsumgenossenschaft bis hin zum Versicherungsanbieter.
Und auch Artikel 15 war nie vergessen. Bis heute strebt die IG Metall in ihrer Satzung die Überführung von Schlüsselindustrien in Gemeineigentum an. Einen letzten Anlauf dazu gab es in der Stahlkrise der 80er Jahre, als die Beschäftigten ihre Arbeitsplätze durch eine Vergesellschaftung der westdeutschen Stahlbranche verhindern wollten.
Die Renaissance des Gemeineigentums verbleibt überwiegend auf der Diskursebene.
Zeitgleich griff die westdeutsche Umweltbewegung Artikel 15 auf: 1986 formierte sich in Nordrhein-Westfalen eine »Aktion Volksbegehren NRW gegen Atomanlagen«. Die von den Grünen unterstützte Bürgerinitiative wollte Artikel 15 durch einen Volksentscheid aktivieren, um die Atomanlagen des Landes zu sozialisieren und dann stillzulegen. Der von den Berliner Rechtsanwälten Otto Schily und Rainer Geulen erdachte Ansatz kombinierte erstmals Volksentscheid und Vergesellschaftung. Jedoch kam es nie zur Abstimmung. Die Landesregierung hielt das Begehren für unzulässig, da das Atomrecht Bundesrecht sei. Das Verfassungsgericht des Landes NRW bestätigte diese Auffassung 1987.
Die 80er Jahre sahen jedoch nicht nur Aufbrüche, sondern letztlich die finale Krise der bundesrepublikanischen Gemeinwirtschaft. Nach einem Korruptionsskandal im gewerkschaftseigenen Wohnungskonzern Neue Heimat im Jahr 1982 privatisierte der DGB seine Eigenbetriebe. Dies erleichterte CDU und FDP die Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit mit Wirkung zum 31. Dezember 1989. Ein Jahr darauf folgte die Abwicklung des DDR-Volkseigentums – Privatisierung statt Vergesellschaftung prägte die Berliner Republik.
Im vereinten Deutschland gab es Gemeinwirtschaft weiterhin als Rechtsnorm, aber kaum noch als Praxis und gar nicht mehr als politisches Programm. Die christsoziale