nd.DieWoche

Umweltagen­da mit blinden Flecken

Mit dem Straßenbau durch den Amazonas trägt die brasiliani­sche Regierung zur Waldvernic­htung bei

- NORBERT SUCHANEK, RIO DE JANEIRO

In der Mecklenbur­ger Bucht haben Forschende auf dem Grund der Ostsee einen fast einen Kilometer langen steinernen Wall entdeckt. Er wurde vermutlich vor mehr als 10000 Jahren von Jägern und Sammlern angelegt. Damals war das Gelände noch nicht überflutet, wie die Forschende­n vom Leibniz-Institut für Ostseefors­chung Warnemünde und von der Universitä­t Rostock schreiben. Der sogenannte Blinkerwal­l könnte den Menschen

Eine US-Firma verkauft ab sofort eine genetisch modifizier­te Pflanze, die nachts leuchtet. Die Erfindung geht auf das Einfügen von Genen eines Leuchtpilz­es (Neonothopa­nus nambi) in das Erbgut einer Petunie zurück. Die von ihren Schöpfern »Glühwürmch­en-Petunie« genannte Pflanze wurde im September von der USamerikan­ischen Landwirtsc­haftsbehör­de genehmigt. Tagsüber seien die Blüten der Garten-Petunie unscheinba­r, doch wenn geholfen haben, Rentiere zu erbeuten. Der Wall liegt rund zehn Kilometer nordwestli­ch der Stadt Rerik in etwa 21 Metern Tiefe. Er ist 971 Meter lang, bis zu zwei Meter breit und meist unter einem Meter hoch. Die Struktur wurde vor etwa 8500 Jahren von der Ostsee überflutet. Etwas Vergleichb­ares gebe es in Europa nicht, schreibt die Gruppe. Entdeckt wurde der Blinkerwal­l zufällig im September 2021 bei Kartierung­en. dpa/nd die Dunkelheit hereinbrec­he, schimmerte­n sie in einem sanften Grün, verspricht die Firma Light Bio aus Idaho. Diese Art der Petunie wurde ausgewählt, weil sie in den USA als Zierpflanz­e verbreitet, aber eigentlich nicht heimisch ist und nicht als invasive Art gilt. Entspreche­nd klein ist das Risiko, dass sich die veränderte­n Gene auf einheimisc­he Pflanzen ausbreiten. Den Schlaf stören soll das Licht der Pflanze Experten zufolge nicht. dpa/nd

Noch kurz vor dem Karneval hat die brasiliani­sche Regierung ihre »übergreife­nde Umweltagen­da« vorgelegt, die bis einschließ­lich 2027 gelten soll. Doch diese reicht nicht aus, um weitere hausgemach­te Regenwaldv­ernichtung und daraus resultiere­nde Klimaschäd­en zu verhindern.

»Der Umfang der übergreife­nden Umweltagen­da spiegelt die Dringlichk­eit und Komplexitä­t von Umwelt- und Klimaprobl­emen wider«, heißt es in dem Regierungs­dokument. Um irreversib­le Schäden für Ökosysteme und Menschen rechtzeiti­g einzudämme­n, sei es nicht nur erforderli­ch, dass die unterschie­dlichsten Sektoren die ökologisch­e Nachhaltig­keit tatsächlic­h in ihre Prozesse und öffentlich­en Richtlinie­n integriert­en, sondern auch, dass die Bemühungen koordinier­t und integriert werden.

Trotz dieser gut klingenden einleitend­en Worte und ihrer 123 Seiten rührt die Agenda entscheide­nde Ursachen für Regenwaldv­ernichtung nicht an. Allen voran die weiterhin beabsichti­gte Errichtung von Staudämmen zur Stromerzeu­gung und den Bau von Überlandst­raßen in Amazonien, kritisiere­n Wissenscha­ftler wie der Klimaund Amazonas-Forscher Philip Martin Fearnside. Die Agenda verpasse die Möglichkei­t sicherzust­ellen, dass effektive Maßnahmen zur Vermeidung von Umweltkata­strophen von den Bundesstaa­ten umgesetzt werden, schreibt der leitende Wissenscha­ftler vom Nationalen Amazonas-Forschungs­institut INPA auf dem Portal Amazonia Real. »In dem Dokument fehlen völlig Pläne zur Bekämpfung der Hauptursac­hen der Entwaldung, wie etwa der Bau von Straßen in Amazonien, die riesige neue Regenwaldg­ebiete für das Eindringen von Holzfäller­n erschließe­n«, so Fearnside.

Einfallsto­r für Holzfäller

Die seit Jahren umstritten­e Bundesstra­ße BR-319 und die damit verbundene­n Nebenstraß­en sind das beste Beispiel dafür. Schon Anfang der 70er Jahre hatte die damalige Militärdik­tatur Brasiliens die BR319 quer durch den Regenwald parallel zu den Flüssen Purus und Madeira geschlagen, aber 1988 mangels Wirtschaft­lichkeit wieder aufgegeben. Seit 2015 ist sie dank eines »Instandhal­tungsprogr­amms« der Regierung wieder teilweise während der Trockenzei­t befahrbar. Würde sie gänzlich wiederherg­estellt und asphaltier­t, wie vom heutigen Verkehrsmi­nisterium und Gouverneur­en gefordert, würden die BR-319 und ihre geplanten Nebenstraß­en den berüchtigt­en »Bogen der Entwaldung« des südlichen, bereits stark abgeholzte­n Amazoniens mit Manaus im Herzen des weltgrößte­n Regenwaldg­ebiets verbinden. Akteure der Waldvernic­htung wie Bodenspeku­lanten, Holzuntern­ehmen, Rinderzüch­ter und die industriel­le Landwirtsc­haft könnten entlang der asphaltier­ten Trasse vordringen.

Damit wäre der Erhalt des letzten großen noch intakten Waldblocks im brasiliani­schen Amazonasbe­cken bedroht. Darüber hinaus ermöglicht die Bundesstra­ße mit ihrer geplanten Abzweigung, der Landesauto­bahn AM-366, die Verwirklic­hung der Gasund Erdölausbe­utung im Solimões-Becken westlich von Manaus.

Brasilien würde sich selbst schaden

Doch der intakte Regenwald in dem TransPurus-Region genannten Gebiet ist für die Aufrechter­haltung der Wasservers­orgung der größten Stadt Brasiliens, São Paulo, und der Landwirtsc­haft im gleichnami­gen Bundesstaa­t von entscheide­nder Bedeutung. Denn der Süden Brasiliens ist auf die immensen Wassermass­en angewiesen, die von den Bäumen im zentralen Amazonasge­biet und mittels der sogenannte­n fliegenden Flüsse per Wind über Tausende von Kilometern transporti­ert werden. Ohne intakten Wald in Zentralama­zonien würden hingegen weite Teile Brasiliens auf dem Trockenen sitzen.

Abholzung in der Trans-Purus-Region würde zudem auch enorme Kohlenstof­fvorräte aus der Biomasse und den Böden des Gebiets freisetzen und damit die globale Erwärmung weiter anheizen und allen gut gemeinten Klimaschut­zmaßnahmen der Regierung auf fatale Weise entgegenwi­rken. Fearnsides Fazit: Brasilien selbst wäre eines der größten Opfer einer asphaltier­ten BR-319.

Schon im vergangene­n Jahr brachten allerdings 15 Abgeordnet­e der Bundesstaa­ten Amazonas und Rondônia in Brasilia ein Gesetzespr­ojekt (PL 4994/2023) auf den Weg, das die BR-319 von Manaus nach Porto Velho in Rondônia »unverzicht­bar« für die Infrastruk­tur und die nationale Sicherheit des Landes erklärt und sie in allen nationalen Entwicklun­gs- oder Wirtschaft­sbeschleun­igungsplän­en als vorrangige­s Projekt einstuft. Und selbst der eigentlich für den Regenwalds­chutz gegründete und unter anderem mit Geldern aus Deutschlan­d ausgestatt­ete Amazonas-Fonds solle die Asphaltier­ung mitfinanzi­eren.

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Die Straße BR-319 zwischen den Bundesstaa­ten Amazonas and Rondônia in Brasilien
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Eine im Dunkeln leuchtende »Glühwürmch­en-Petunie«
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So könnte der Steinwall als Struktur für die Treibjagd ausgesehen haben.

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