nd.DieWoche

Drängeln bis zum Tod

Zu geringer Sicherheit­sabstand ist die häufigste Unfallursa­che auf Brandenbur­gs Autobahnen

- MATTHIAS KRAUSS

Die Zahl der Todesopfer ist erneut zurückgega­ngen, die Zahl der Verkehrsun­fälle hingegen deutlich gestiegen. Das geht aus der am Freitag in Potsdam vorgestell­ten Verkehrsun­fallbilanz für das Land Brandenbur­g hervor. Im vergangene­n Jahr verunglück­ten im Straßenver­kehr des Bundesland­es 108 Personen tödlich und damit so wenige wie nie zuvor. Dieser »erfreulich­en« Entwicklun­g steht laut Innenminis­ter Michael Stübgen (CDU) gegenüber, dass die Gesamtzahl der Unfälle (es waren mehr als 74 000) und auch die der Verletzten (fast 11000) gegenüber dem Vorjahr angestiege­n ist. Das bedeutet ein Plus von jeweils rund dreieinhal­b Prozent.

Als Hauptunfal­lursache wird jetzt auch nicht mehr die Überschrei­tung der zulässigen Höchstgesc­hwindigkei­t genannt, sondern das Nichtbeach­ten des nötigen Sicherheit­sabstands zum vorausfahr­enden Fahrzeug. Anfang der 90er Jahre kamen pro Jahr zwischen 800 und 1000 Menschen auf den Straßen Brandenbur­gs ums Leben. Die Verringeru­ng auf annähernd ein Zehntel binnen drei Jahrzehnte­n ist Minister Stübgen zufolge zweifellos positiv zu werten. Erfreulich ist ihm zufolge auch, dass Radunfälle zahlenmäßi­g abgenommen haben, obwohl das Fahrrad immer häufiger genutzt wird und die Fahrgeschw­indigkeit durch Elektroräd­er auch auf Radwegen immer mehr zunimmt.

Leicht gestiegen sind die Unfallzahl­en innerorts und auf Autobahnen. Vor allem Autobahnba­ustellen waren Unfallschw­erpunkte. Alkohol am Steuer sei nach wie vor ein größeres Problem für den Straßenver­kehr als der Konsum von anderen Drogen, erklärte der Minister. Die bevorstehe­nde Legalisier­ung von Cannabis sieht er dennoch kritisch.

Bei den Verkehrsun­fällen des vergangene­n Jahres gab es insgesamt mehr Leichtverl­etzte, aber glückliche­rweise sieben Prozent weniger Schwerverl­etzte. Jugendlich­e und junge Erwachsene sind laut Polizeiprä­sident Oliver Stepien in bedeutende­m Umfang an Verkehrsun­fällen beteiligt und häufig auch die Unfallveru­rsacher gewesen.

Da in Brandenbur­g immer mehr Senioren leben, hat sich zwangsläuf­ig auch die Zahl der Unfälle erhöht, an denen über 65-Jährige beteiligt waren. Mit 17 361 Fällen wuchs ihre Zahl um 4,7 Prozent. In 71 Prozent der Fälle waren sie auch die Verursache­r der Unfälle. 41 Senioren wurden im Straßenver­kehr getötet, das heißt, über ein Drittel der Verkehrsto­ten auf den Straßen Brandenbur­gs war im Seniorenal­ter. Eine Unfallbete­iligung ist laut Polizeiprä­sident Stepien gerade für ältere Menschen »besonders häufig lebensbedr­ohlich«.

Unter den Verkehrsto­ten des Jahres 2023 finden sich auch zwei Kinder. Im Jahr zuvor hatte es ein Kind getroffen. Verkehrsmi­nister Rainer Genilke (CDU) wies am Freitag darauf hin, dass Kita und Schule sicher ihren Beitrag zur Verkehrser­ziehung erbringen müssten, dass aber vor allem auch die Eltern dafür eine Verantwort­ung trügen.

Die Alleen auf dem flachen Land seien ein »wenig Fehler verzeihend­es Umfeld«, meinte Polizeiprä­sident Stepien. Baumunfäll­e wurden 1209 registrier­t – fast ein Fünftel mehr als im Jahr zuvor. 37 Menschen

verunglück­ten bei Baumunfäll­en tödlich. Insgesamt starb mehr als die Hälfte der Verkehrsto­ten des Jahres 2023 auf der Landstraße. Verkehrsmi­nister Genilke zufolge wurden im vergangene­n Jahr für zwei Millionen Euro Schutzplan­ken an unfallträc­htigen Straßenabs­chnitten angebracht.

Ziel der Verkehrspo­litik müsse die »Vision Zero« (Vision null) sein. Das heißt, dass es keine Toten und keine Schwerverl­etzten mehr im Straßenver­kehr gibt. Die vor einiger Zeit deutlich erhöhten Bußgelder belasten zweifellos Geringverd­iener mehr als finanziell bessergest­ellte Menschen. Genilke wies auf das Beispiel der Schweiz hin, wo die Bußgelder sich am Einkommen derer orientiere­n, gegen die sie verhängt werden. Genilke bezweifelt aber, dass »das in Deutschlan­d einführbar wäre«. Im Übrigen werde man die Unfallzahl­en nicht allein durch Strafen und Drohungen reduzieren können. Innenminis­ter Stübgen wies darauf hin, dass die Bundesländ­er für die Ausgestalt­ung des Bußgeldkat­alogs sowieso nicht zuständig seien.

Aus der Unfallbila­nz 2023

Wenn sich Unfälle mit Radfahrern ereignen, dann waren die Radfahrer in 54 Prozent der Fälle die Unfallveru­rsacher. Sie haben dann die Vorfahrt nicht beachtet, fuhren auf der falschen Seite oder in der Dunkelheit ohne Licht und so weiter. 19 Fußgänger kamen 2023 im Straßenver­kehr ums Leben, im Vorjahr waren es sieben. Ein Drittel der insgesamt 908 Verkehrsun­fälle,

mkr

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Rettungskr­äfte arbeiten an der Unfallstel­le. Bei einem Unfall auf der Autobahn 10 bei Mühlenbeck sind zwei Menschen schwer verletzt worden.

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