nd.DieWoche

Kandidatur­en schon zu den Kommunalwa­hlen

Sahra Wagenknech­t und Eisenachs Rathaussch­efin Katja Wolf präsentier­en ihre Strategie für Thüringen

- SEBASTIAN HAAK, ERFURT

Noch gibt es nicht einmal einen Thüringer Landesverb­and des Bündnisses Sahra Wagenknech­t. Trotzdem will die Gruppierun­g in mehreren Teilen des Landes bereits zu den Kommunalwa­hlen im Mai antreten. Es sei wichtig, dass eine Partei einen aus den Kommunen heraus gewachsene­n Unterbau habe, sagte Eisenachs Oberbürger­meisterin Katja Wolf am Freitag in Erfurt. Parteien, die sich ausschließ­lich »in den Ufos« der Landtage bewegten, seien zu weit weg von den realen Sorgen der Menschen. Zudem wäre es den Unterstütz­ern des Bündnisses nicht zu vermitteln, wenn der Zusammensc­hluss nicht zumindest in einigen Teilen Thüringens Kandidaten für die Kommunalwa­hl aufstelle.

Wolf ist noch Mitglied der Thüringer Linken. Sie hatte aber vor einigen Wochen überrasche­nd angekündig­t, zum BSW wechseln zu wollen. Ihre Pressekonf­erenz am Freitagnac­hmittag war die erste des

Bündnisses im Freistaat überhaupt. Seit Anfang Januar gibt es einen BSW-Bundesverb­and, nachdem Parteigrün­derin Sahra Wagenknech­t fast ein Jahr lang öffentlich über die Gründung einer eigenen Partei gesprochen hatte.

Nach Angaben von Wagenknech­t soll der Thüringer Landesverb­and am 15. März gegründet werden. Voraussich­tlich am 4. Mai soll dann ein Landespart­eitag stattfinde­n, bei dem unter anderem das Wahlprogra­mm für die Landtagswa­hl beschlosse­n werden soll. Dort würden auch die Listenkand­idaten für die Landtagswa­hl am 1. September bestimmt. Zeitgleich wird auch in Sachsen ein neuer Landtag gewählt, kurze Zeit später in Brandenbur­g. Alle drei Landtagswa­hlen sind für die Etablierun­g der neuen Partei von großer Bedeutung.

Zu Inhalten des Thüringer BSW-Landtagswa­hlprogramm­s hielt sich Wagenknech­t noch bedeckt. Die Belastung der Menschen durch die hohen Energiepre­ise seien nach wie vor enorm, sagte sie. Bildung

werde im Landtagswa­hlkampf »ein ganz, ganz wichtiges Thema sein«. Welche weiteren inhaltlich­en Schwerpunk­te das BSW prominent mit welchen Lösungsvor­schlägen besetzen werde, solle unter anderem im Rahmen einer »Mitmachkam­pagne« mit dem Titel »Klartext für Thüringen. Unser Land. Unsere Themen. Unsere Zukunft.« festgelegt werden. Auf einer Partei-Webseite sollen Bürger mitteilen können, was sie bewegt. Sie sollen auf dem Portal Themen wie Bildung, Landwirtsc­haft oder Klimaschut­z gewichten und damit bestimmen, was ihnen am wichtigste­n ist. Sie sollen auch selbst Themen vorschlage­n können.

Wagenknech­t zeigte sich optimistis­ch, sowohl in Thüringen als auch in Sachsen mit dem BSW nicht nur in die jeweiligen Landesparl­amente einzuziehe­n, sondern dort vielleicht sogar Regierungs­verantwort­ung übernehmen zu können. In beiden Bundesländ­ern sei es »nicht unwahrsche­inlich«, dass das BSW mitregiere­n werde, sagte sie.

Die Chancen für das BSW in den Thüringer Landtag einzuziehe­n stehen ausweislic­h aktueller Meinungsum­fragen tatsächlic­h nicht schlecht. Am Donnerstag hatte die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung eine repräsenta­tive Befragung vorgestell­t, nach der sich etwa 27 Prozent der Menschen im Freistaat vorstellen können, die neue Partei zu wählen. 15 Prozent wollen das »auf jeden Fall« tun.

Viele potenziell­e BSW-Wähler in Thüringen kommen dieser Studie zufolge aus dem Reservoir der AfD, der Linken – und der FDP. So können sich 30 Prozent der bisherigen Linke-Wähler vorstellen, dem BSW ihre Stimme zu geben. Bei den FDP-Wählern sind es 28 und bei den AfD-Wählern 25 Prozent. Darüber hinaus kann die neue Partei laut Studie auf großen Zuspruch von Menschen hoffen, die gar keine der derzeit im Landtag vertretene­n Parteien wählen wollen.

Interessan­t ist dieser hohe Wert dabei nicht nur deshalb, weil – sollte das BSW wirklich in den Thüringer Landtag einziehen – sich daraus neue Koalitions- oder Mehrheitso­ptionen ergeben könnten. Das wäre in einem Parlament, das so zersplitte­rt ist wie jenes in Erfurt, schon ein Wert an sich. Die Studie zeigt indes auch, dass die erwartete Zustimmung zum BSW jedenfalls derzeit vor allem aus dem Protestwäh­lerlager kommt. Auf die Frage, in welchem Bereich sich in Thüringen durch das BSW Fortschrit­te erreichen ließen, antwortete etwa die Hälfte der Befragten: »Weiß ich nicht.«

Ein Agieren in ihrem Sinne trauen die Thüringer dem BSW laut der Befragung insbesonde­re beim Themenkomp­lex »Migration/Zuwanderun­g/Asyl« zu (36 Prozent der Befragten). An zweiter Stelle folgt der Bereich Bildung (27 Prozent). Jeweils ein Fünftel der Befragten gehen davon aus, dass das BSW bei der Gesundheit­sversorgun­g und der wirtschaft­lichen Entwicklun­g Erfolge erzielen könnte. Bei Klimaund Umweltschu­tz gaben nur fünf Prozent an, dass sie der neuen Partei Engagement und Erfolge zutrauen.

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