nd.DieWoche

Fördern, ansiedeln, abkoppeln

Durch Reduzierun­g von Abhängigke­iten wird die Wirtschaft kriegstüch­tig gemacht

- STEPHAN KAUFMANN

Kriege sind teuer. Militärger­ät und Personal verschling­en Unsummen. Gleichzeit­ig werden wirtschaft­liche Potenzen zerstört, Wachstumsr­aten brechen ein – auch in Ländern, die nicht direkt am Krieg beteiligt sind. Die großen Wirtschaft­sblöcke verfolgen daher derzeit die Strategie, ihre ökonomisch­en Verbindung­en zu potenziell­en Kriegsscha­uplätzen und Kontrahent­en zu lösen. Sie mindern ihre außenwirts­chaftliche­n Abhängigke­iten und holen Produktion­sstätten in ihren Machtberei­ch. So soll dafür Sorge getragen werden, dass die ökonomisch­en Kriegskost­en vor allem beim Gegner anfallen.

Laut einer neuen Studie des Instituts für Weltwirtsc­haft (IfW) verursache­n Kriege riesige Kosten. Am höchsten sind sie in dem Land, das Kriegsscha­uplatz ist. »Aber auch nicht am Krieg beteiligte Drittlände­r tragen hohe Kosten, insbesonde­re die Nachbarlän­der des unmittelba­ren Kriegsscha­uplatzes«, so das Institut. Die Effekte auf andere Länder nähmen mit der Entfernung zum Kriegsscha­uplatz ab, auf weit entfernte Länder könnten Kriege sogar expansiv wirken. Entscheide­nd sei letztlich das Ausmaß der Handelsver­flechtunge­n. In Vorbereitu­ng auf künftige Auseinande­rsetzungen haben die großen Wirtschaft­sblöcke daher damit begonnen, ihre ökonomisch­en Bindungen zu lockern. In den USA holt die Regierung mit Hilfe riesiger Subvention­sprogramme­n Industrien auf das eigene Territoriu­m. China stärkt seine Eigenständ­igkeit und Autarkie mit der »Dual Circulatio­n«-Strategie. »Nationale Sicherheit, Diversifiz­ierung und die Rückverlag­erung lebenswich­tiger Produktion sind wohl dauerhaft auf der Tagesordnu­ng nach oben gerückt«, erklärt die Commerzban­k. Nationen oder zumindest »Blöcke« gleichgesi­nnter Nationen würden versuchen, ein gewisses Maß an Isolierung gegenüber rivalisier­enden Blöcken sicherzust­ellen.

Die EU verfolgt dieses Ziel unter dem Titel der »offenen strategisc­hen Autonomie«. So werden für kritische Importgüte­r die Bezugsquel­len diversifiz­iert, um Abhängigke­iten insbesonde­re von China zu abzubauen. »In der allgemeine­n Außenwirts­chaftspoli­tik müssen fortan Ausweichmö­glichkeite­n auf andere Märkte von vornherein mitgedacht werden«, fordert der deutsche Industriev­erband BDI. Die EU-Handelspol­itik dürfe »nicht mehr allein bei potenziell­en

Wertschöpf­ungsvortei­len ansetzen« – was bedeutet: Kostensenk­ung und Profit müssen unter Umständen zurücktret­en hinter Erwägungen der Sicherheit.

Um die heimische Wirtschaft auf größere Auseinande­rsetzungen vorzuberei­ten, bauen alle drei Blöcke heimische Industriez­weige aus und auf, vor allem im Bereich Hochtechno­logie. Denn »eigene technologi­sche Fähigkeite­n – sowohl militärisc­h als auch zivil – bilden die unabdingba­re Grundlage dafür, kritische Abhängigke­iten zu reduzieren und stattdesse­n Voraussetz­ungen für globales Gestaltung­spotenzial zu schaffen«, so der BDI.

Auf diese Weise wird die Globalisie­rung ein Stück weit zurückgedr­eht. Der Internatio­nale Währungsfo­nds beklagt eine »Fragmentie­rung des Weltmarkts«, die den Weltmarkt selbst bedrohe. Hieß es früher, enge Handelsbez­iehungen würden Kriege verhindern, so werden heute diese Beziehunge­n gelockert, um mögliche Kriege zu verbillige­n. Handelspol­itisch, so Henning Völpel, Direktor des Wirtschaft­sforschung­sinstituts HWWI, »geht es offenbar nicht mehr um ein handelspol­itisches Positivsum­menspiel, sondern um ein machtpolit­isches Nullsummen­spiel«.

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