Fördern, ansiedeln, abkoppeln
Durch Reduzierung von Abhängigkeiten wird die Wirtschaft kriegstüchtig gemacht
Kriege sind teuer. Militärgerät und Personal verschlingen Unsummen. Gleichzeitig werden wirtschaftliche Potenzen zerstört, Wachstumsraten brechen ein – auch in Ländern, die nicht direkt am Krieg beteiligt sind. Die großen Wirtschaftsblöcke verfolgen daher derzeit die Strategie, ihre ökonomischen Verbindungen zu potenziellen Kriegsschauplätzen und Kontrahenten zu lösen. Sie mindern ihre außenwirtschaftlichen Abhängigkeiten und holen Produktionsstätten in ihren Machtbereich. So soll dafür Sorge getragen werden, dass die ökonomischen Kriegskosten vor allem beim Gegner anfallen.
Laut einer neuen Studie des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) verursachen Kriege riesige Kosten. Am höchsten sind sie in dem Land, das Kriegsschauplatz ist. »Aber auch nicht am Krieg beteiligte Drittländer tragen hohe Kosten, insbesondere die Nachbarländer des unmittelbaren Kriegsschauplatzes«, so das Institut. Die Effekte auf andere Länder nähmen mit der Entfernung zum Kriegsschauplatz ab, auf weit entfernte Länder könnten Kriege sogar expansiv wirken. Entscheidend sei letztlich das Ausmaß der Handelsverflechtungen. In Vorbereitung auf künftige Auseinandersetzungen haben die großen Wirtschaftsblöcke daher damit begonnen, ihre ökonomischen Bindungen zu lockern. In den USA holt die Regierung mit Hilfe riesiger Subventionsprogrammen Industrien auf das eigene Territorium. China stärkt seine Eigenständigkeit und Autarkie mit der »Dual Circulation«-Strategie. »Nationale Sicherheit, Diversifizierung und die Rückverlagerung lebenswichtiger Produktion sind wohl dauerhaft auf der Tagesordnung nach oben gerückt«, erklärt die Commerzbank. Nationen oder zumindest »Blöcke« gleichgesinnter Nationen würden versuchen, ein gewisses Maß an Isolierung gegenüber rivalisierenden Blöcken sicherzustellen.
Die EU verfolgt dieses Ziel unter dem Titel der »offenen strategischen Autonomie«. So werden für kritische Importgüter die Bezugsquellen diversifiziert, um Abhängigkeiten insbesondere von China zu abzubauen. »In der allgemeinen Außenwirtschaftspolitik müssen fortan Ausweichmöglichkeiten auf andere Märkte von vornherein mitgedacht werden«, fordert der deutsche Industrieverband BDI. Die EU-Handelspolitik dürfe »nicht mehr allein bei potenziellen
Wertschöpfungsvorteilen ansetzen« – was bedeutet: Kostensenkung und Profit müssen unter Umständen zurücktreten hinter Erwägungen der Sicherheit.
Um die heimische Wirtschaft auf größere Auseinandersetzungen vorzubereiten, bauen alle drei Blöcke heimische Industriezweige aus und auf, vor allem im Bereich Hochtechnologie. Denn »eigene technologische Fähigkeiten – sowohl militärisch als auch zivil – bilden die unabdingbare Grundlage dafür, kritische Abhängigkeiten zu reduzieren und stattdessen Voraussetzungen für globales Gestaltungspotenzial zu schaffen«, so der BDI.
Auf diese Weise wird die Globalisierung ein Stück weit zurückgedreht. Der Internationale Währungsfonds beklagt eine »Fragmentierung des Weltmarkts«, die den Weltmarkt selbst bedrohe. Hieß es früher, enge Handelsbeziehungen würden Kriege verhindern, so werden heute diese Beziehungen gelockert, um mögliche Kriege zu verbilligen. Handelspolitisch, so Henning Völpel, Direktor des Wirtschaftsforschungsinstituts HWWI, »geht es offenbar nicht mehr um ein handelspolitisches Positivsummenspiel, sondern um ein machtpolitisches Nullsummenspiel«.