nd.DieWoche

Unterhöhlt­e Demokratie

Raul Zelik über die Machtbasis der autoritäre­n Rechten in Spanien

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Erneut sind spanische Richter in Europa mit einem Amtshilfeg­esuch gescheiter­t. Diesmal war es die Schweizer Justiz, die ein Anliegen der Madrider Audiencia Nacional, des Sondergeri­chtshofs für politische Verfahren, gegen die katalanisc­he Politikeri­n Marta Rovira zurückwies: Die Proteste der katalanisc­hen Unabhängig­keitsbeweg­ung hätten mit Terrorismu­s nichts zu tun.

Das Amtshilfeg­esuch zielt direkt auf die sozialdemo­kratische Regierung von Pedro Sánchez, der von den katalanisc­hen Parteien toleriert wird. Mit dem Terrorismu­sverfahren hebeln die Ermittlung­srichter die Amnestie aus, die Sánchez mit den Unabhängig­keitsparte­ien ausgehande­lt hat und die Rückkehr exilierter Katalan*innen ermögliche­n soll.

Im spanischen Staatsappa­rat knirscht es gewaltig. Bereits seit 2018 verweigern die Konservati­ven die turnusgemä­ße Erneuerung des obersten Justizgrem­iums CGPJ, weil sie aufgrund veränderte­r Mehrheitsv­erhältniss­e die Kontrolle über die Justiz verlieren würden. 2022, als die Linke ein Gesetz gegen sexuelle Übergriffe durchs Parlament brachte, entließen konservati­ve Richter zahlreiche bereits verurteilt­e Sexualstra­ftäter aus dem Gefängnis, weil die Neuregelun­g beim Strafmaß angeblich uneindeuti­g sei. Interessan­terweise hörten die Haftentlas­sungen auf, als die feministis­che Ministerin Irene Montero ihren Posten verlor.

Es ist das große Drama von Spaniens Modernisie­rung nach Francos Tod 1975: Im Rahmen des damals geschlosse­nen Staatspakt­s blieben die franquisti­schen Machtnetzw­erke intakt. Das merkt man dem Land bis heute an. Die autoritäre Rechte kontrollie­rt Medien, Justiz und Geheimdien­ste. Damit lässt sich auch ohne Parlaments­mehrheit trefflich regieren.

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