Provinz als Normalzustand
Berlinale-Panorama: Ohne Josef Hader würde »Andrea lässt sich scheiden« nicht funktionieren
Schaut man sich die umfangreiche Filmografie des österreichischen Kabarettisten, Autors und Schauspielers Josef Hader an, ist es erstaunlich, dass »Andrea lässt sich scheiden« erst die zweite eigene Regiearbeit des Multitalents ist. Sein Regiedebüt, in dem er auch die Hauptrolle spielte, hatte er mit »Wilde Maus«, der Film wurde 2017 in den Wettbewerb der Berlinale eingeladen. Mit der Großstadtgroteske um einen abgehalfterten Musikkritiker, der nach seiner Entlassung bei der Zeitung das Fahrgeschäft »Wilde Maus« im Wiener Prater kauft, gelang Hader eine unterhaltsame und intelligente Gesellschaftskomödie, die sich kaum in irgendein Genre einordnen ließ.
In seinem neuen Film macht er sich nun auf, die österreichische Provinz zu vermessen und spielt auch selbst wieder mit. »Andrea lässt sich scheiden« spielt in einem Dorf im sogenannten Weinviertel, was romantischer klingt als das, was uns Hader und sein Kameramann präsentieren. Bei ihnen wird die Landschaft zum Spiegel der provinziellen Engstirnigkeit, und dass Hader einst aus der Provinz geflüchtet und überzeugter Großstädter ist, weiß man aus diversen Interviews.
Nun ist Hader jedoch niemand, dessen Humor darauf beruht, sich über andere lustig zu machen oder zu erheben. Sein Blick auf die Provinz ist nicht sonderlich liebevoll, aber eben auch nicht (ab)wertend oder denunzierend. Die Provinz, wie er und sein Kameramann Carsten Thiele sie zeigen, ist der eigentliche Normalzustand, in dem rein zahlenmäßig die meisten Menschen leben; skurril wirkt sie nur mehr aus der Sicht des urbanen, großstädtischen Publikums, das sich gerne an den vermeintlichen Deppen ergötzt, die den Absprung nicht geschafft haben. Oder, wie es der Polizist Georg (Thomas Schubert) im Film über diese – seine – »Scheißgegend« sagt: »Die Frauen ziehen weg und die Männer werden immer merkwürdiger.«
Auch die Dorfpolizistin Andrea (Birgit Minichmayr) will weg, allerdings nur nach St. Pölten, die nächste Kreisstadt. Vom Regen in die Traufe, sozusagen. Sie möchte ihrer gescheiterten Ehe entkommen und eine neue Stelle als Kriminalinspektorin antreten. Leider fährt sie des Nachts nach einer Geburtstagsfeier betrunken ihren NochEhemann auf der Landstraße über den Haufen und begeht vor Schreck anschließend Fahrerflucht. Zu ihrer Überraschung hält sich Franz Leitner, Religionslehrer und trockener Alkoholiker, für den Schuldigen und bekennt sich zu der Tat, denn er hat den – bereits toten – Mann ebenfalls überrollt. Während Andrea versucht, alle Spuren zu verwischen, entwickelt sich eine schicksalhafte Beziehung zu dem Lehrer, der partout darauf besteht, für seine vermeintliche Tat zu büßen. Den Koffer fürs Gefängnis hat er bereits gepackt.
Natürlich kommt schließlich alles ganz anders, aber die schiere Handlung ist für Hader sowieso nicht das Wichtigste. Das Geschehen ist nur mehr der Resonanzraum für die pointierten Dialoge und das oftmals improvisierte Spiel zwischen den Akteuren. Als geübter Komödiant trägt Hader mit seiner Lakonie und dem ihm eigenen melancholischen Hundeblick die, nun ja, nicht sonderlich komplexe Handlung. Hader-Fans kommen so auf ihre Kosten, und zu schmunzeln gibt es einiges. Stellt man sich den Film allerdings ohne seine Person vor, die ja nicht mal die Hauptfigur ist, so bleibt nicht viel übrig. Nicht dass man Birgit Minichmayr und Thomas Schubert als ihrem Polizeikollegen nicht gerne beim Spielen zusehen würde, aber sonderlich gefordert werden sie nicht.
Das große Drama fällt aus beziehungsweise ist nur Dekoration der Komödie. Am Ende bleibt der Eindruck, dass Hader diesmal unter seinen eigenen Möglichkeiten geblieben ist.