nd.DieWoche

Fake News 2.0?

Mit KI können künftig auch Videos generiert werden

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Manche Geschichte­n sind zu schön, um wahr zu sein. Ein Beispiel gefällig? Die erste Ausstrahlu­ng der Hörspielfa­ssung des Science-FictionKla­ssikers »Krieg der Welten« am Vorabend des Halloween-Festes 1938 löste in den USA eine Massenpani­k aus. Die Hörer*innen der Sendung seien nicht in der Lage gewesen, Fiktion von Realität zu unterschei­den und hätten die »live« im Radio übertragen­e Schilderun­g einer Invasion der Erde durch Marsbewohn­er*innen für bare Münze genommen.

Eine schöne Geschichte, die tags drauf auch eifrig vom Konkurrenz­medium Tageszeitu­ng weiterverb­reitet und mit Schlagzeil­en wie »Radioshow versetzt Nation in Schrecken« oder »Viele flüchten aus ihren Häusern ›vor Gasangriff vom Mars‹« versehen wurde. Das Problem nur: Auch wenn es vereinzelt­e Irritation­en im Zuge der Ausstrahlu­ng gegeben haben mag und sich besorgte Hörer*innen beim Sender CBS meldeten, die behauptete Massenpani­k löste das Hörspiel keinesfall­s aus.

Auf den ersten Blick scheint es nicht gerade wahrschein­lich, dass ein solches Szenario sich heutzutage wiederhole­n könnte. Sowohl Radio als auch Tageszeitu­ng haben ihre einstige Vormachtst­ellung als Informatio­nsquelle eingebüßt und die Möglichkei­ten zur Verifizier­ung einer Nachricht im Digitalen Zeitalter sind gänzlich andere, als das noch im 20. Jahrhunder­t der Fall war. Die Fragen danach, wer und warum eine bestimmte Meldung verbreitet, wie diese belegt wird, ob es weitere Quellen gibt oder gar Anzeichen für eine Manipulati­on – all das lässt sich mit ein wenig Onlinerech­erche verhältnis­mäßig schnell in Erfahrung bringen. Zumindest, wenn man als Rezipient*in Interesse daran hat. Doch gerade in unsicheren und krisenhaft­en Zeiten sind Menschen – insbesonde­re jene, die ihre Ansichten ohnehin gerne bestätigt sehen – anfällig für Fake News.

Angesichts der Kriege in der Ukraine und Nahost sowie der anstehende­n Präsidents­chaftswahl­en in den USA könnte man es fast als schlechtes Timing bezeichnen, dass das hinter ChatGPT stehende Unternehme­n OpenAI kürzlich mit dem Video-Generator Sora seinen neuesten Coup vorstellte. Ähnlich wie beim Bildgenera­tor Dall-E, soll die KI künftig mit nur wenigen Befehlen aus Text hochauflös­ende Videos kreieren. OpenAIChef Sam Altman wird zwar nicht müde zu betonen, dass man sich größte Mühe gebe, um mit der Software generierte Deepfakes – von pornografi­schen bis politische­n Inhalten – zu unterbinde­n. So sollen etwa mit Sora erstellte Videos mit einem eigenen Wasserzeic­hen versehen werden.

Doch seien wir realistisc­h. Hat sich die Technologi­e einmal durchgeset­zt, wird es zahlreiche alternativ­e Programme zur Herstellun­g fragwürdig­er Inhalte geben. Ganz zu Schweigen davon, dass gekränkten Männeregos die Authentizi­tät eines sogenannte­n Racheporno­s herzlich egal sein dürfte. Auch wer aus politische­r Überzeugun­g »Belege« für die vermeintli­chen Kriegsverb­rechen eines ihm unliebsame­n Staates sucht, wird sich kaum durch ein fehlendes Wasserzeic­hen auf deren KI-Generierun­g besinnen. Joel Schmidt

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